Mexikos Justiz steht für Korruption und Straflosigkeit. Nun sollen die Richter erstmals in einer allgemeinen Wahl bestimmt werden. Doch es gibt starke Zweifel, dass die Justizreform etwas an den Missständen ändert.

Ein Mann in kariertem Hemd und Jeans dreht auf dem Platz von Zitácuaro eine Runde. Er steuert zielstrebig auf die Menschen, die dort unterwegs sind, zu. Während er sich vorstellt, drückt er ihnen einen Flyer in die Hand und sagt ihnen, dass er für das Amt des Strafrichters im Bundesstaat Michoacán kandidiere.

Francisco Herrera Franco ist einer von Tausenden Kandidaten im Land, die sich für die anstehende Richterwahl in Mexiko auf insgesamt 881 Stellen beworben und laut den Behörden alle Kriterien erfüllt haben.

Seit 40 Jahren ist er im Justizwesen beschäftigt, vor allem als Staatsanwalt. Kürzlich habe er eine weitere Spezialisierung mit dem Fokus auf Menschenrechten absolviert, erzählt er seinen potenziellen Wählern.

Franco ist sein zweiter Nachname, damit wirbt er auch auf seinem Flyer. "Franco cómo la justicia", was so viel heißt wie "aufrichtig wie die Justiz".

In Mexiko-Stadt sind Anhänger einer Kandidatin für den Obersten Gerichtshof zu einer Wahlveranstaltung zusammengekommen. Doch viele Bürger fühlen sich von dem Wahlverfahren überfordert.

"Staatsanwalt des Terrors"

In Menschenrechtskreisen und der mexikanischen Presse hat er allerdings einen ganz anderen Spitznamen: "Staatsanwalt des Terrors". Auch die zivilgesellschaftliche Organisation Defensorxs warnt vor seiner Kandidatur.

Miguel Meza nennt Herrera einen "riskanten Kandidaten, denn er stand nicht nur den Kartellen nahe, sondern er wird auch beschuldigt, hinter dem Mord von zwei Journalisten im Bundesstaat Michoacán zu stehen".

Meza berichtet weiter, seine Organisation stehe in Kontakt mit einem weiteren Journalisten, der seit Jahren von Herrera bedroht werde und Michoacán habe verlassen müssen. Der Bundesstaat wird faktisch von Drogenkartellen beherrscht.

Belastende Aufnahmen

Vor rund zwei Jahren wurde erst Roberto Toledo, Journalist des Online-Mediums Monitor Michoacán, und dann der Chefredakteur Armando Linares ermordet. Beide hatten wegen ihrer Recherchen zu Korruptionsfällen in der Region Drohungen erhalten, wie es aus Journalistenkreisen heißt.

Später wurden auch Tonaufnahmen öffentlich, auf denen angeblich zu hören ist, wie Herrera mit einem kriminellen Anführer in Michoacán spricht, ihn berät, wie er sich der Strafverfolgung entziehen kann.

Herrera weist die Vorwürfe von sich. Jede Stimme könne heutzutage simuliert werden. Und auch die Verbindung zu den beiden Journalistenmorden weist er strikt zurück. Denn wenn es so wäre, argumentiert er, gäbe es doch wohl einen Haftbefehl gegen ihn. "Den gibt es aber nicht. Ich habe damit nichts zu tun."

Drei Anklagen liegen jedoch gegen ihn vor. Doch in dem Fall bewegt sich nichts. Der einzige Verdächtige ist mittlerweile wieder auf freiem Fuß. Und das ist keine Ausnahme - mehr als 90 Prozent der Straffälle in Mexiko werden nicht aufgeklärt.

"Sehr riskante" Kandidaten

Die Organisation Defensorxs hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Hintergrund der Kandidaten zu recherchieren, die zum ersten Mal in der Geschichte Mexikos per Wahl durch das Volk bestimmt werden.

Ihre Recherchen zeigten, dass auf den Listen Bewerber stehen, die im besten Fall eine umstrittene Vergangenheit haben oder im schlimmsten Fall mit dem organisierten Verbrechen in Verbindung stehen, erklärt Miguel Meza.

Defensorxs habe 19 Kandidaten ausfindig gemacht, die sie für "sehr riskant" halten, weil sie Verbindungen zum organisierten Verbrechen oder zu der kriminellen Sekte "Das Licht der Welt" hätten. Die Sekte werde der Kinderpornografie, der Geldwäsche und des sexuellen Missbrauchs beschuldigt.

Außerdem habe Defensorxs einige andere Fälle von Richtern aufgedeckt, die in der Vergangenheit angeprangert worden seien und nun in den Justizdienst zurückkehren wollten.

Wie unabhängig werden die Richter sein?

Unter den Bewerbern um ein Richteramt ist auch Silvia Delgado, die ehemalige Anwältin des ehemaligen Chefs des Sinaloa-Kartells, Joaquín El Chapo Guzmán. Meza betont, dass man die Anwältin nicht als Mörderin oder Drogenhändlerin bezeichne.

"Aber die Tatsache, dass sie vor einigen Jahren einen der führenden Köpfe des Sinaloa-Kartells verteidigt hat und heute diejenige sein will, die über Morde im Bundesstaat Chihuahua urteilt, ist ein hohes Risiko."

Neben der Einflussnahme durch das organisierten Verbrechen befürchten Kritiker, dass Richter nicht mehr unabhängig entscheiden, sondern sich nach der öffentlichen Meinung oder politischen Interessen richten, um ihre Wiederwahl zu sichern.

Unübersichtliches Bewerberfeld

Hört man sich auf der Straße um, sagen die einen, dass sie sich auf jeden Fall an der Wahl beteiligen werden, viele fühlen sich von den langen Namenslisten jedoch überfordert.

Es scheint unmöglich, alle Kandidaten zu kennen. In Chatgruppen werden akribisch Informationen ausgetauscht. Politikern wird vorgeworfen mit direkten Wahl-Empfehlungen Einfluss zu nehmen.

Rund zehn Tage vor der Wahl ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Enkoll, dass weniger als 50 Prozent der Befragten überhaupt das genaue Datum der Wahlen kennen.

Silvia Delgado vertrat in der Vergangenheit ein führendes Kartell-Mitglied. Ist sie dennoch als Richterin geeignet?

"Damit wir ruhiger leben können"

Rosa Elena Pedraza, die Frau des ermordeten Journalisten Armando Linares, hofft, dass die Verantwortlichen in Zukunft "endlich ihre Arbeit machen und dass wir die Täter irgendwann hinter Gittern sehen". Und damit meint sie sowohl denjenigen, der den Mord begangen hat als auch die "intellektuellen Täter", die ihren Mann auf dem Gewissen haben, "damit wir ein bisschen ruhiger leben können".

Pedraza fordert Gerechtigkeit. Die aber erscheint mit den neu gewählten Richtern nicht wahrscheinlicher.

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