Dänemark verschärft seit Jahren seinen Kurs in der Migrationspolitik. Kritiker sehen Menschenrechte in Gefahr - insbesondere in den Abschiebezentren. Doch die meisten Dänen halten die Abschreckung für richtig.

Diese Nachricht sorgte kürzlich für Verwunderung: In einem Brief tun sich die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni und Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen zusammen. Hier eine Politikerin aus einer Partei mit Wurzeln im Neofaschismus, dort eine Sozialdemokratin.

Gemeinsam mit sieben weiteren EU-Staaten greifen sie die Europäische Menschenrechtskonvention an. Wer das verstehen will, muss wissen, wie die Dänen in der Migrationspolitik ticken.

Früher ein sehr liberales Land, hat Dänemark seine Regeln schon seit Beginn des Jahrtausends immer weiter verschärft - ab der Flüchtlingskrise 2015 dann in sehr hohem Tempo. "Wir werden den Zugang nach Dänemark erschweren, damit weniger Menschen kommen", kündigte der damalige rechtsliberale Regierungschef Lars Løkke Rasmussen an.

Schon da kürzte die Regierung die Dauer von Aufenthaltserlaubnissen sowie die Leistungen für Asylsuchende und erschwerte den Familiennachzug. Die 50. Verschärfung des Ausländerrechts feierte die damals zuständige Ministerin Inger Støjberg medienwirksam mit einer Torte auf Facebook.

Die Familie von Mustafa Faqih und Alaa Douba lebt gut integriert auf der dänischen Insel Ærø. Alle zwei Jahre müssen sich die Eltern um eine Aufenthaltserlaubnis bemühen.

Sozialdemokraten kopieren Kurs der Rechten

"Als die Sozialdemokraten die Macht zurückhaben wollten, haben sie gedacht: Es gibt einen großen Konsens in Dänemark, was diese Politik angeht - dann sollten wir sie kopieren", sagt die Kopenhagener Politikwissenschaftlerin Marlene Wind. Die Folge: 2019 gewinnt die Sozialdemokratin Mette Frederiksen die Parlamentswahl mit harter Kante gegen Ausländer.

Ihre Regierung ruft eine neue Linie aus: Asylsuchende sollen immer nur noch vorübergehend im Land bleiben. Statt Integration ist die Heimreise das Ziel. Teile von Syrien - zum Beispiel Damaskus - erklärt Dänemark zu sicheren Herkunftsregionen. Viele Syrer von dort dürfen trotzdem bleiben.

Abschreckung und Symbolpolitik gehören zur Strategie. Glaubt man der Regierung, ist sie der Grund dafür, dass seit Jahren nur sehr wenige Menschen in Dänemark Zuflucht suchen. 2024 stellten 2333 Personen dort einen Asylantrag.

"Hohe Anforderung an Aufenthaltsgenehmigung"

Die Syrerin Alaa Douba und ihre Familie leben schon seit acht Jahren in Dänemark. Ihr Zuhause in Aleppo haben sie verloren. Alaas Mann Mustafa Faqih kam zwei Jahre vor seiner Familie 2015 mit einem Boot über das Mittelmeer. Ihm wurde die dänische Insel Ærø zugeteilt, ein idyllischer Urlaubsort.

Mittlerweile hat Mustafa sich mit einer Gartenarbeits- und Reinigungsfirma selbstständig gemacht, Alaa studiert und will Erzieherin werden. Doch eine Aufenthaltserlaubnis bekommen sie nur für zwei Jahre am Stück. Im kommenden Mai läuft sie wieder aus. "Die Dänen stellen hohe Anforderungen an eine Aufenthaltsgenehmigung", erzählt sie. "Man ist die ganze Zeit unter Druck und Stress."

Eine Rückkehr nach Syrien wäre für die Eltern ein weniger großer Einschnitt, sagen Alaa und ihr Mann. Für die beiden Söhne, die hier zur Schule gehen, schon. Die Aussicht, alles wieder zu verlieren, macht dem 17-jährigen Abdul Angst. "Wir haben jetzt schon die Hälfte unseres Lebens in Dänemark verbracht", sagt er, "die Sprache gelernt, Freunde gefunden. Ich glaube, es wäre sehr schwer, zurückzugehen."

Für viele Dänen lautet ein Argument gegen offene Arme für Asylsuchende: Wir sind ein kleines Land mit einem teuren Wohlfahrtsstaat. Wenn wir zu viele aufnehmen, ist der in Gefahr.

Alaa Douba sagt, sie verstehe das sogar. "Aber wenn man uns schon mal aufgenommen hat und wir uns hier ein Leben aufgebaut haben, wir arbeiten - dann sollten wir auch bleiben dürfen."

Lage in Abschiebezentren: "Du bist kein freier Mensch"

Härter als mit Alaas Familie geht Dänemark mit denen um, die keine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Wer dann nicht freiwillig das Land verlässt und nicht abgeschoben werden kann, landet in der Regel in einem Ausreisezentrum wie Kærshovedgård in Jütland. Kritiker nennen die Zentren Abschiebegefängnisse.

Farhad Rostami aus dem Iran wohnt seit acht Jahren dort, in einem kleinen Zimmer mit einer Matratze auf dem Boden. Den Asylantrag des Kurden hatte Dänemark abgelehnt. "Wir sind hier eingeschlossen. Ohne Möglichkeiten", klagt er an. "Du darfst nicht arbeiten. Du bist kein freier Mensch. Wir sind gezwungen, hier zu bleiben, ohne Zukunft. Ich bin denen hier völlig egal. Ich bin nur ein Stück Fleisch, das hier rumläuft."

Dänemark will, dass Rostami ausreist. Im Iran aber, fürchtet er, würde er sofort festgenommen. Und Dänemark arbeitet mit dem Iran in der Frage nicht zusammen. Deshalb sitzt der 27-Jährige in Kærshovedgård. Wie mehr als 200 andere, die das Land verlassen sollen - fast ausschließlich Männer.

Tagsüber dürfen sie sich frei bewegen. Übernachten müssen sie aber im Lager. Seine Freundin und seine zweijährige Tochter kann Rostami nur am Wochenende sehen. "Keiner kann verstehen, wie hart das für mich ist", sagt er, "wenn meine Tochter weint, jedes Mal, wenn ich sie besucht habe und wieder gehen muss. Und danach krieg ich ihr Weinen nicht mehr aus dem Kopf."

  

Fardhad Rostami beklagt, dass er sich nur tagsüber frei bewegen kann: "Jedes Mal wenn meine Tochter weint, krieg ich das nicht mehr aus dem Kopf."

Minister verteidigt harten Kurs

Menschen wie Farhad Rostami zeigt die dänische Regierung Härte statt Hygge. Das Signal an Geflüchtete: Kehrt zurück, ihr habt hier keine Zukunft. Oft habe Dänemark mit dieser Strategie Erfolg, sagt Kaare Dybvad Bek, Minister für Ausländer und Integration. Er sieht den dänischen Weg als beispielhaft.

"Wenn diese Menschen die Möglichkeit hätten, zu arbeiten, sich ausbilden zu lassen, in einer Wohnung zu wohnen, wieso sollten sie dann jemals ausreisen?", sagt der 40-jährige Minister. "Hier haben Erwachsene ohne Asylanspruch diese Möglichkeiten nicht. Wenn andere europäische Länder das genauso machen würden, würden auch dort viele Menschen zurückreisen."

Schon 2001 gab es in Dänemark einen Minister, der sich ausschließlich um das Thema Migration und Integration gekümmert hat. "Wir zeigen den Dänen: Für uns hat es Priorität, dass wir im Griff haben, wie viele kommen", sagt Kaare Dybvad Bek.

Kürzlich war der Däne in Berlin zu Besuch, traf sich mit Bundesinnenminister Alexander Dobrindt. Dabei ging es auch darum, was Deutschland sich seiner Meinung nach von Dänemark abschauen sollte.

Dänemark hat Sonderregeln auf EU-Ebene

Dabei ist das Modell Dänemark - wenn man es wollte - gar nicht so einfach auf Deutschland übertragbar. Auf EU-Ebene hat sich Dänemark nämlich Anfang der 1990er-Jahre Sonderregeln herausgehandelt - unter anderem bei der Asylpolitik. Schärfere Maßnahmen kann das Land deshalb leichter umsetzen. "Bei der gemeinsamen EU-Asylpolitik müssen wir nicht mitmachen", sagt die Politikwissenschaftlerin Marlene Wind.

"Sehr große Unterstützung der Ausländerpolitik"

Außerdem, erklärt Wind, seien die Gesetze in Deutschland strenger, weil alles nach dem Grundgesetz bemessen werde. "Die Gerichte spielen eine sehr große Rolle", sagt sie. "In Dänemark bestimmt die Mehrheit, und die Gerichte halten sich raus. So funktioniert unsere Kultur."

Wenn es etwas gebe, das sich eine Mehrheit wünsche, könnten die Dänen nicht sehen, dass das ein Problem sein soll.

Und die Mehrheit, so Wind, wünsche sich nun mal eine strenge Migrationspolitik. Der Rechtsnationalismus im Land sei normalisiert worden. "Es gibt eine sehr große Unterstützung der Ausländerpolitik", sagt die Forscherin. "Und alle, die etwas anderes sagen, bekommen sofort zu hören, dass sie Halal-Hippies sind und die dänische Gesinnung untergraben." 

Kritiker fürchten, dass dabei Menschenrechte auf der Strecke bleiben. Schon mehrfach kassierte Dänemark Urteile am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Minister Kaare Dybvad Bek hält es für richtig, mit Entscheidungen bis an die Grenzen der Konventionen zu gehen.

Regierungschefin Mette Frederiksen geht selbst das nicht weit genug. Dänemarks EU-Ratspräsidentschaft ab dem 1. Juli will die Sozialdemokratin nutzen, um die europäische Migrationspolitik zu verändern - offensichtlich in Partnerschaft mit Amtskolleginnen wie Meloni.

Die Weltspiegel-Doku "Dänemark: Härte statt Hygge" finden Sie ab sofort auch in der ARD Mediathek.

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