Gutachten wertet Ungarns LGBTQ-Gesetz als rechtswidrig
Es ist noch kein Urteil, aber ein Fingerzeig: Laut einem Gutachten der EuGH-Generalanwältin verstößt Ungarn mit seinem LGBTQ-Gesetz gegen EU-Recht. Doch Ungarn zeigt sich unbeirrt.
Im Verfahren um mutmaßlich diskriminierende Gesetze in Ungarn hat die Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) eine erhebliche Entfernung Ungarns von den Grundwerten der EU festgestellt. Ungarn vertrete nicht nur andere Auffassungen der Grundwerte der EU, schrieb Tamara Capeta in ihren Schlussanträgen. "Vielmehr habe Ungarn mehrere dieser grundlegenden Werte negiert und sich damit erheblich vom Modell einer verfassungsmäßigen Demokratie (...) entfernt." Ein Urteil sind diese sogenannten Schlussanträge noch nicht, allerdings orientieren sich die Richterinnen und Richter oft daran.
Das Gesetz von 2021 beschränkt oder verbietet Darstellungen gleichgeschlechtlicher Partnerschaften oder von Transidentität etwa im Fernsehen und in Büchern. Sie müssen mit dem Hinweis "Verboten für unter 18-Jährige" versehen werden, Filme dürfen nicht mehr zu Hauptsendezeiten ausgestrahlt werden. Ungarn begründet das mit dem Jugendschutz.
Anwältin sieht Verstoß gegen Grundrechtecharta
Die Kommission leitete ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn ein. Sie sieht unter anderem Verstöße gegen Europas Grundrechtecharta. 16 Mitgliedsländer, darunter Deutschland, und das Europaparlament schlossen sich der Klage an. Derlei Verstöße könnten mit einem Stimmrechtsentzug Ungarns in der EU geahndet werden. Die Generalanwältin schlug dem Gerichtshof nun vor, zu entscheiden, dass die Klage in allen Punkten begründet sei.
Die Gesetzesänderungen verstießen erstens gegen die Freiheit, Dienstleistungen zu erbringen und in Anspruch zu nehmen. Zweitens griffen sie in mehrere geschützte Grundrechte ein, nämlich das Verbot von Diskriminierung wegen des Geschlechts oder der sexuellen Ausrichtung, die Achtung des Privat- und Familienlebens, die Meinungs- und Informationsfreiheit und das Recht auf Menschenwürde.
Ungarn Argumentation überzeugt nicht
Ungarns Argumentation überzeugte die Generalanwältin nicht. Unter Berufung auf den Jugendschutz würde die Darstellung des normalen Lebens queerer Menschen verboten, erklärte sie. Die Regelungen beschränkten sich gerade nicht darauf, Minderjährige von pornografischen Inhalten abzuschirmen, die in Ungarn schon zuvor verboten gewesen seien. Sie beruhten vielmehr auf dem Werturteil, dass homosexuelles und nicht cisgeschlechtliches Leben nicht den gleichen Wert oder Rang habe.
Der EuGH solle einen Verstoß gegen Artikel zwei des Vertrags über die Europäische Union feststellen, erklärte Capeta weiter. Darin sind die grundlegenden Werte festgelegt, auf denen sich die EU gründet. Die Tatsache, dass queere Menschen die gleiche Achtung verdienten wie andere Menschen, sei nicht verhandelbar. Fehlende Achtung und Ausgrenzung einer Gruppe in einer Gesellschaft seien rote Linien, welche die Werte der Gleichheit, der Menschenwürde und der Wahrung der Menschenrechte vorgäben.
Protest gegen Verbot der Pride-Parade in Budapest
Wegen seiner LGBTQ-Politik steht Ungarn seit längerer Zeit in der Kritik. In der vergangenen Woche forderten 17 EU-Länder die Kommission deshalb zu schnellem Handeln gegen die ungarische Regierung auf. Die Unterzeichnerländer, darunter Deutschland, zeigten sich "zutiefst besorgt" über die jüngste Gesetzgebung in Ungarn. Dabei ging es insbesondere um ein Mitte März vom ungarischen Parlament verabschiedetes Gesetz, das als Grundlage für ein Verbot der Budapester Pride-Parade gilt.
Diese ist am 28. Juni geplant, wurde nun aber von der ungarischen Polizei verboten. Zur Begründung hieß es, bei dem Umzug in der Hauptstadt könne es zu gesetzlich verbotenem Verhalten kommen und es sei nicht ausgeschlossen oder sogar unvermeidlich, dass Menschen unter 18 Jahren daran teilnähmen. Außerdem könne es "passive Opfer" geben, die an der Veranstaltung zwar nicht teilnehmen wollten, "aber aufgrund ihres öffentlichen Charakters dennoch zu Zuschauern werden" könnten.
Die Organisatoren nannten den Schritt ein "Lehrbuchbeispiel für Tyrannei". Sie haben angekündigt, die Parade werde trotz drohender rechtlicher Sanktionen wie geplant stattfinden.
Die englische Abkürzung LGBTQ steht für lesbisch, schwul, bisexuell, transgender und queer. Wann der EuGH in dem Fall ein Urteil fällt, ist noch nicht bekannt.
(AZ. C-769/22)
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke