Erdogan will Koran-Ausgaben zensurieren können
Der Abgeordnete Okan Konuralp von der säkularistischen Oppositionspartei CHP warnte im türkischen Parlament vergeblich vor dem Gesetzesentwurf. Mit den Stimmen des Regierungsbündnisses von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan wurde das Gesetz verabschiedet.
Das Gesetz gibt dem staatlichen Religionsamt die Befugnis, alle türkischen Koran-Ausgaben und Koran-Kommentare zu prüfen und sie nach Gutdünken beschlagnahmen und vernichten zu lassen; oder die entsprechenden Internetseiten werden gesperrt.
Diese Regierung hat sich tatsächlich entschlossen, mit der Verbrennung von Koran-Ausgaben in die Geschichte einzugehen.
Protest dagegen kommt auch aus dem islamisch-konservativen Lager, von der Zukunftspartei des früheren Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu. Vizefraktionschef Selcuk Özdag sagte nach der Abstimmung im Parlament: «Diese Regierung hat sich tatsächlich entschlossen, mit der Verbrennung von Koran-Ausgaben in die Geschichte einzugehen. Sie wollen Werke vernichten, die angeblich nicht den Grundprinzipien des Islam entsprechen. Was sie unter den Grundprinzipien des Islam verstehen, bestimmen sie selbst.»
Erdogan schafft die gesetzliche Grundlage
In einem ersten Anlauf hatte das Religionsamt schon vor zwei Jahren versucht, eine Koran-Übersetzung des bekannten Theologen Ihsan Eliacik zu verbieten. Dagegen hatte sich Eliacik erfolgreich vor Gericht gewehrt. Für eine solche Zensur gebe es keine gesetzliche Grundlage, entschieden die Richter damals. Jetzt hat die Regierung diese geschaffen.
Nichts und niemand darf im Islam zwischen Gott und den Gläubigen kommen. Das Religionsamt gehört abgeschafft.
Eliacik reagierte im türkischen Oppositionssender Sözcü empört: «Das Religionsamt will sich als Priesterklasse etablieren und das geht im Islam überhaupt nicht. Nichts und niemand darf im Islam zwischen Gott und den Gläubigen kommen. Das Religionsamt gehört abgeschafft.»
Amt steht in der Kritik
Das türkische Religionsamt steht seit Jahrzehnten in der Kritik, weil es sich als Sachwalter der sunnitischen Mehrheit im Land versteht und islamische Minderheiten wie die Alewiten und die Dschafari ausgrenzt und zu assimilieren versucht.

Seit Erdogan vor acht Jahren den derzeitigen Vorsitzenden Ali Erbas an die Spitze berufen habe, mache das Amt sich immer breiter in der Gesellschaft, sagt der Journalist Rusen Cakir in seinem Portal Medyascope: «Das Religionsamt soll eigentlich Dienstleister sein, um Gottesdienste und Pilgerfahrten zu organisieren. Aber heute benimmt es sich zunehmend als islamischer Vatikan. Wir sollten uns nicht wundern, wenn das Amt bald andersdenkende Muslime aus dem Islam exkommunizieren will.»
Trotzreaktion eines Theologieprofessors
Es sei eine absurde Anmassung vom Religionsamt, die Grundprinzipien des Islam bestimmen zu wollen, sagte der Theologieprofessor Mustafa Öztürk in einem Video für seinen Youtube-Kanal: «Über die Grundprinzipien des Islam könnte ich bis zum Morgengrauen dozieren, aber das Religionsamt will sie nun nach seinem Verständnis bestimmen. Welche Auslegung das sein wird, wissen wir: engstirnig, dogmatisch, ausgrenzend.»
Öztürk plädiert dagegen für eine historisch-kritische Auslegung des Korans; dafür wurde er vor vier Jahren von seiner Professur an einer staatlichen Universität in der Türkei verjagt und lebt seither im Ausland.
Ich werde Ihnen die Mühe ersparen, meine Koran-Ausgabe zu verbrennen. Ich werde sie selbst verbrennen.
Seine Werke dürften bei den Zensoren vom Religionsamt schon auf der Liste stehen, vermutet er. Er teilt dem Religionsamt mit: «Gut, ich werde Ihnen die Mühe ersparen, meine Koran-Ausgabe zu verbrennen. Ich werde sie selbst verbrennen.»
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