Es war ein fast schon triumphaler Empfang, der dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski am Mittwoch in Strassburg bereitet wurde. Und das, obschon er erst spätabends, direkt vom Nato-Gipfel in Den Haag, eintraf.

Angestellte des Europarats, Diplomatinnen und Politiker standen vor und im Palais de l'Europe Spalier, es gab Jubelrufe und es wurde gesungen.

Es war der Europarat, der Russland nach dessen Überfall auf die Ukraine Anfang 2022 ohne langes Zögern ausgeschlossen hat – und sich auch seither stark für sie engagiert. Etwa mit einem umfangreichen Schadensregister, dank dessen all die Geschädigten zu ihrem Recht kommen sollen, wenn einmal die Waffen schweigen.

Auftrag für ein Russland-Sondertribunal

Es ist deshalb kein Zufall, dass der Europarat als Hüter von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten von einer hauptsächlich europäischen Ländergruppe, darunter die Schweiz, mit der Gründung eines Russland-Sondertribunals beauftragt wurde.

Es ist Europas grösster Krieg seit dem Zweiten Weltkrieg.
Autor: Alain Berset Generalsekretär des Europarats

«Wieder ein russischer Angriff, wieder ein Verbrechen», sagte Alain Berset, der Generalsekretär des Europarats: «Es ist Europas grösster Krieg seit dem Zweiten Weltkrieg.» Natürlich könne man eine Aggression einfach als eine Form der Politik betrachten, nicht als Verbrechen: «Doch das wäre die falsche Wahl.»

Sondertribunal soll bald starten

Das Sondertribunal unter dem Schirm des Europarats soll, nachdem Selenski und Berset jetzt das entsprechende Abkommen unterzeichnet haben, in einigen Monaten seine Tätigkeit aufnehmen. Das ist wohl eine optimistische Annahme.

Legende: Selenski und Berset bei der Medienkonferenz in Strassburg. Beide bekräftigten, sie wollten die Schuldigen russischer Kriegsverbrechen in der Ukraine auf der Anklagebank sehen. Reuters/Pascal Bastien

Das Gericht soll dann die russischen Drahtzieher hinter dem Krieg gegen die Ukraine anklagen. «Wir müssen klar zeigen – Aggressionen führen zu Strafen», sagte Selenski. Allerdings weiss er: Von heute auf morgen passiert das nicht. Gerechtigkeit braucht Zeit.

Amtsträger können nicht belangt werden

Vorderhand markiert das Tribunal primär eine symbolische Unterstützung der Ukraine. Ein Wermutstropfen ist zudem, dass Schlüsselfiguren wie Staatschef Wladimir Putin oder Aussenminister Sergej Lawrow nicht belangt werden dürfen, solange sie im Amt sind.

Schliesslich braucht man Ansprechpartner in möglichen Friedensverhandlungen. Das Russland-Sondertribunal nach dem Vorbild des Jugoslawien- oder des Ruanda-Tribunals ist aber immerhin ein Anfang.

Alain Berset schloss seine Ansprache mit den Worten: «Es lebe die freie Ukraine, es lebe Europa.»

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