Seit der Nacht gilt für den Süden Syriens erneut eine Waffenruhe - doch offenbar halten sich nicht alle Seiten daran. Aus der Provinz Suwaida gibt es weiter Berichte über Kämpfe. Inzwischen werden fast 1.000 Tote gemeldet.

Auch nach der Verkündung einer Waffenruhe werden im Süden Syriens weiter Kämpfe gemeldet. Wie Korrespondenten der Nachrichtenagentur AFP berichteten, wurden in der Provinzhauptstadt Suwaida vereinzelt Raketen abgefeuert und es waren Explosionen zu hören. Auch die Nachrichtenagentur dpa berichtete von neuen Kämpfen in der Stadt.

Bilder vom Morgen zeigen, wie schwarzer Rauch über der Stadt aufsteigt. Salven von Maschinengewehren waren zu hören, schwerbewaffnete Kämpfer zogen durch die Straßen. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte, die sich auf ein Netz von Informanten vor Ort stützt, meldete erneute Auseinandersetzungen zwischen Kämpfern der Minderheit der Drusen und sunnitischen Beduinen im Westen der Stadt.

Zuvor hatte das Büro von Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa in der Hauptstadt Damaskus eine "sofortige Waffenruhe" für Südsyrien verkündet. Er rief alle Konfliktparteien dazu auf, diese "vollständig zu respektieren". Sowohl Vertreter der Drusenmilizen als auch der Beduinenstämme erklärten ihre Zustimmung zur Feuerpause. Von beiden Seiten hieß es jedoch auch, man sei bereit, wieder zu kämpfen, wenn die jeweils andere Seite sich nicht an die Waffenruhe halte. Mehrere vorherigen Vereinbarungen, das Feuer einzustellen, hatten nicht gehalten.

Berichte über Übergriffe auf Zivilisten

Al-Scharaa beteuerte in einer Ansprache, der syrische Staat werde "alle Minderheiten und Gemeinschaften des Landes" schützen. Übergriffe würden geahndet und die Täter zur Rechenschaft gezogen. Viele Drusen haben aber das Vertrauen in die islamistische Regierung in Damaskus verloren. Sie werfen ihr vor, gemeinsame Sache mit bewaffneten Gruppen zu machen, die gegen die Drusen kämpfen. Und auch nach den Massakern an Alawiten im Frühjahr hatte al-Scharaa Strafverfolgung und Aufklärung angekündigt, geschehen ist seither aber nicht viel.

Vorgestern hatten sich die syrischen Regierungstruppen - nach israelischen Luftangriffen - vorübergehend aus der Provinz Suwaida zurückgezogen, die Kämpfe zwischen sunnitischen Beduinenstämmen und drusischen Milizen hatte das jedoch nicht beendet. Neben heftigen Gefechten gab es auch weiterhin Berichte von Einwohnern über brutale Übergriffe auf Zivilisten.

Die Regierung hat nun erneut Sicherheitskräfte in die Umgebung von Suwaida entsandt. Berichten zufolge gab es dafür jetzt die Zustimmung der israelischen Regierung. Spezialkräfte seien in Suwaida angekommen, erklärte Innenminister Nureddine al-Baba im Onlinedienst Telegram. Ziel der Mission sei der "Schutz von Zivilisten und die Beendigung des Chaos'".

Ramin Sina, ARD Kairo, zu der vereinbarten Waffenruhe in Syrien

tagesschau24, 19.07.2025 13:00 Uhr

Keine israelischen Angriffe seit Waffenruhe

Bereits in der Nacht hatte der US-Sondergesandte für Syrien, Thomas Barrack, mitgeteilt, Israel und Syrien hätten sich auf einen Waffenstillstand geeinigt. Drusen, Beduinen und Sunniten seien dazu aufgerufen, "ihre Waffen niederzulegen und gemeinsam mit anderen Minderheiten eine neue und geeinte syrische Identität aufzubauen, die Frieden und Wohlstand mit ihren Nachbarn schafft". Zumindest auf der staatlichen Ebene zwischen Israel und Syrien halte die Waffenruhe bisher, berichtet ARD-Korrespondent Ramin Sina.

Israel hatte mehrfach deutlich gemacht, dass es keine syrischen Soldaten in der grenznahen Region dulden werde. Neben den Angriffen auf syrische Regierungstruppen im Südwesten des Landes hatte Israel Mitte der Woche sogar die Hauptstadt Damaskus bombardiert.

Hunderte Menschen getötet

Die israelische Regierung begründet ihr Eingreifen mit dem Schutz der Drusen. Al-Scharaa wirft Israel jedoch vor, Syrien schwächen zu wollen und deswegen separatistische Gruppierungen innerhalb der drusischen Gemeinschaft Syriens zu unterstützen.

"Wir dürfen nicht die gesamte drusische Gemeinschaft wegen der Handlungen einer kleinen Gruppe verurteilen", sagte er. "Die Provinz Suwaida ist ein fester Bestandteil des syrischen Staates, und die Drusen sind ein wesentlicher Teil des nationalen Gefüges Syriens. Jeder Versuch, die Einheit des syrischen Volkes zu zerstören, stellt eine Bedrohung für die Stabilität des Landes dar." 

Die Gefechte zwischen Kämpfern der Minderheit der Drusen und sunnitischen Beduinen hatten am vergangenen Sonntag begonnen. Seit Beginn der Kämpfe wurden Hunderte Menschen getötet. Die Zahl der Toten sei inzwischen auf 940 gestiegen, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte zuletzt mit. Überprüfen lassen sich die Angaben nicht.

Mit Informationen von Moritz Behrendt, ARD Kairo

Moritz Behrendt, ARD Kairo, tagesschau, 19.07.2025 15:18 Uhr

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