• Nachdem bei "Aktenzeichen XY... ungelöst" berichtet wurden, gibt es neue Hinweise nach dem Arsen-Diebstahl in Osterwieck.
  • Unbekannte hatten in der vergangenen Woche die giftige Chemikalien gestohlen. Das Arsen war aber nicht in die Umwelt gelangt.
  • Die Suche nach dem Arsen und den Tätern läuft weiter. An den Ermittlungen sind mehrere Behörden beteiligt.

Die Polizei hat nach dem Arsen-Diebstahl in Osterwieck im Landkreis Harz neue Hinweise erhalten. Wie ein Sprecher MDR SACHSEN-ANHALT am Donnerstag sagte, werden diese derzeit geprüft. Details wurden aus taktischen Gründen nicht genannt. Auslöser für die neuen Hinweise könnte demnach die ZDF-Fernsehsendung "Aktenzeichen XY...ungelöst" sein, bei der der Fall aus Osterwieck am Mittwochabend Thema war.

Ermittlungen in alle Richtungen

Die Polizei ermittelt nach eigenen Angaben nach wie vor in alle Richtungen. Mitarbeiter der Firma würden weiterhin vernommen. Mittlerweile seien alle Spuren gesichert und die Fundstellen auf und neben dem Gelände wieder freigegeben worden. Es seien zwei Liter Arsentrichlorid und drei Kilogramm hochreines Arsen-Granulat gestohlen worden. Beide Stoffe seien hochgiftig und lebensgefährlich. Zunächst waren die Ermittler davon ausgegangen, dass nur Arsentrichlorid gestohlen wurde.

Großeinsatz auf Firmengelände

Am Dienstag in der vergangenen Woche war in Osterwieck ein Chemie-Großeinsatz ausgelöst worden, nachdem Behälter mit Arsenpulver und -granulat in der Umgebung der Firma gefunden worden waren. In der Spitze waren über 200 Feuerwehrleute teils mit Schutzanzügen und speziellen Fahrzeugen im Einsatz. Die Osterwiecker Firma stellt nach eigenen Angaben hochreines Arsen her, das unter anderem in der Halbleiterindustrie verwendet wird.

5.000 Euro Belohnung für Hinweise

Laut Behörden waren keine Chemikalien in die Umwelt gelangt. Alle anderen durch die Diebe im Umfeld zurückgelassenen Behälter waren demnach noch intakt. Die Geschäftsführung des Unternehmens hat eine Belohnung von 5.000 Euro versprochen für Hinweise, mit denen die Täter gefasst werden können oder die Beute gefunden wird.  

Was ist Arsen?

Arsen ist ein giftiges Schwermetall (chemisch gesehen ein Halbmetall, As, Ordnungszahl 33). Es ist gefährlich für Augen und Atemwege, giftig bei Verschlucken oder Einatmen. Über einen längeren Zeitraum können kleine Mengen Hauterkrankungen, Störungen des Nervensystems und Krebs verursachen. Bei akuten Vergiftungen kann es zu Brechdurchfällen, Kreislaufkollaps und Atemlähmung kommen. Arsen wurde bis in die Achtzigerjahre als Pflanzenschutzmittel und bis in die Zweitausenderjahre als Holzschutzmittel verwendet. Arsen in der Luft stammt unter anderem aus Kupferhütten und Kohlekraftwerken. Die Hauptmenge des Rohstoffs Arsen fällt als Nebenprodukt bei der Gewinnung und Reinigung von Kupfer, Blei, Kobalt und Gold an. Es wird für Metall-Legierungen, in der chemischen Industrie und zur Herstellung von Spezialglas und Halbleitern eingesetzt. Arsen galt jahrhundertelang als Mordgift. In Kriminalromanen und Theaterstücken spielte das Gift eine wichtige Rolle.

Musterfläschen mit Arsen – roter Deckel heißt: hochgiftig. Arsen ist gefährlich für Augen und Atemwege.Bildrechte: MDR/Swen Wudtke

Motive nach ersten Vernehmungen unklar

Zu den Motiven der Täter gibt es verschiedene Hypothesen, wie die Polizei nach Abschluss des Einsatzes erklärte. Man schließe nichts aus. Es gebe zum Beispiel Szenarien, dass das gestohlene Arsen weiterverkauft werde oder dass damit eine chemische Waffe für einen Anschlag gebaut werden solle. Weil noch unklar ist, wohin die Täter gereist sind, ist Sachsen-Anhalts Landespolizei in Kontakt mit der Bundespolizei und mit anderen Bundesländern, zum Beispiel mit dem Nachbarland Niedersachsen.

Einer der beiden Geschäftsführer der betroffenen Firma sagte MDR SACHSEN-ANHALT, ein Gramm Arsentrichlorid sei rund 2.000 Euro wert. Das wären bei vier Flaschen etwa vier Millionen Euro. Verkaufen lasse sich der Stoff allerdings schwer, denn dafür brauche es Herstellernachweise, Zertifikate et cetera.

Landesverwaltungsamt prüft Unternehmen in Osterwieck

Auch wie die Täter auf das Firmengelände gelangt sind, war zunächst unklar. Einem der Geschäftsführer zufolge wurden die Sicherheitsmaßnahmen der Firma überprüft:. "Wir sind überrascht worden von der kriminellen Energie". Nun wolle man sicherstellen, dass sich so ein Vorfall nicht wiederholen kann.

Das Landesverwaltungsamt bereitet derzeit eine Vor-Ort-Kontrolle im Unternehmen vor. Letztmals sei im November die Einhaltung der Richtlinien zur Lagerung von Arsen bestätigt worden, teilte eine Sprecherin des Verwaltungsamtes nach dem Diebstahl mit. Der Zugang sei ausschließlich fachkundigem Personal gestattet und erfolge gesichert über Transpondersysteme, Zutrittskontrollen und Umzäunung. 

Wie die Diebe auf der Gelände der Firma gelangten, ist noch nicht klar. Bildrechte: MDR/Swen Wudtke

Gift auf Feld entdeckt: Einbrecher hatten Arsen gestohlen und verteilt

Der Landkreis Harz hatte Alarm geschlagen, nachdem auf dem Firmengelände Behälter mit jeweils zwei bis drei Kilo Arsen gefunden wurden – in Form von Pulver und Granulat. Mitarbeiter der Firma hatten die Behörden über die Funde und einen möglichen Einbruch informiert.

Der mögliche Fluchtweg der Täter wurde mit einer Drohne abgeflogen, wobei auch auf einem angrenzenden Feld Behälter mit der giftigen Chemikalie entdeckt wurden. Sie konnten nach Angaben des Landkreises gesichert und die Behälter geborgen werden. Insgesamt gab es neun Fundorte. Verletzt wurde niemand.

Landkreis: Arsen nicht in Boden oder Wasser gelangt

Eine Gefahr für Böden und Grundwasser habe nicht bestanden, erklärte Alexander Beck vom Katastrophenschutz im Landkreis Harz dem MDR nach dem Einsatz. "Die Stoffproben, die wir genommen haben, deuten darauf hin. Die Gebinde, die gefunden wurden, waren nur äußerlich beschädigt."

Etwa 200 Einsatzkräfte vor Ort

Rund 200 Helfer waren in der vergangenen Woche in Osterwieck im Einsatz. Sie erkundeten das Firmengelände und dämmten den Gefahrenstoff ein. Mit dabei waren auch Mitarbeiter des Umweltamtes und sogenannte ABC-Kräfte. Sie kommen zum Einsatz, wenn gefährliche Stoffe freigesetzt werden – zum Beispiel bei einem Chemie- oder Atomunfall.

Auch die Gesundheit der Einsatzkräfte werde entsprechend überwacht, erklärte Einsatzleiter Alexander Beck: "Wir haben für alle hier vor Ort befindlichen Einsatzkräfte ein Biomonitoring angeordnet. Das heißt, es wird zum Schutz der Einsatzkräfte aufgezeichnet, ob eine Exposition stattgefunden haben könnte. Das ist aber eine reine Vorsichtsmaßnahme."

Auch das mobile Spezial-Labor des Instituts für Brand- und Katastrophenschutz Heyrothsberge wurde laut Verwaltung alarmiert. Es kann von allen Feuerwehren im Land genutzt werden.

Einsatzkräfte der Feuerwehr stehen zusammen und beraten die Lage. Bildrechte: MDR/Swen Wudtke

Was ist ABC-Alarm?

Ein ABC-Alarm wird ausgelöst bei Gefahren durch atomare (A), biologische (B) oder chemische (C) Stoffe. Das kann sein, wenn etwa ein Gefahrstoffaustritt, ein Terroranschlag oder ein Unfall mit radioaktiven, biologischen oder chemischen Substanzen vermutet oder bestätigt wird. ABC-Kräfte haben besondere Schutzanzüge und Geräte, um Menschen zu retten, Gefahren zu erkennen und Schäden zu begrenzen.

Zahlreiche Anrufe beim Bürgertelefon

Auf einer Pressekonferenz hatte die Polizei die Bevölkerung davor gewarnt, verdächtige Behälter, Flaschen oder Kartons zu berühren. Wer einen solchen Behälter finde, solle den Notruf 112 oder 110 wählen. Für Anwohner und Anlieger wurde bei der Stadt Osterwieck zudem ein Bürgertelefon eingerichtet. Nach Angaben von Gundula Hauke vom Haupt- und Wirtschaftsamt Osterwieck gingen dort allein am Einsatztag rund 60 Anrufe ein. Die Menschen wollten vor allem wissen, ob sie die Fenster wieder öffnen dürfen, welche Straßen noch gesperrt sind oder ob sie das Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten noch essen können, sagte Hauke MDR SACHSEN-ANHALT.

Am Tag danach meldeten sich laut Hauke nur noch fünf Personen. Sie fragten unter anderem, warum sie nicht direkt von der Polizei über den Einsatz informiert wurden, warum kein Lautsprecherwagen durch die Straßen fuhr und warum die Warn-App bei ihnen nicht funktionierte.

dpa, MDR (M. Holzberger, N. Düsekow, A. Plaul, A. Höhne, H. Kerwin, A. Kühne, S. Liermann, K. Bunk, F. von der Eltz, M.Köhne) | Zuerst veröffentlicht am 22. Juli 2025.

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