"Lassen Sie uns nicht allein"
Auch Jahre nach der Machtübernahme der Taliban warten tausende Afghanen mit Aufnahmezusagen weiter auf ihre Ausreise nach Deutschland. In Pakistan drohen Festnahmen und Abschiebungen.
August 2021: Die radikal-islamistischen Taliban übernehmen erneut die Macht in Kabul. Der CDU-Abgeordnete Friedrich Merz bietet all jenen Schutz an, die für die Deutschen in Afghanistan gearbeitet haben: Ortskräfte wie Übersetzer und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen.
Merz will sie nach Deutschland holen - und nicht nur sie: "Wir nehmen Frauen, die dort aktiv tätig gewesen sind als Bürgermeisterinnen oder als Mitglied von Kommunalvertretungen, wenn sie verfolgt sind, wir nehmen die", sagte er damals.
Vier Jahre später haben mehr als 35.000 Menschen aus Afghanistan über spezielle Aufnahmeprogramme in Deutschland Schutz gefunden. Merz ist inzwischen Bundeskanzler. Nur von den Aufnahmeprogrammen der Ampel wollen er und sein Innenminister nichts mehr wissen - sie wurden gestoppt.
Mehr als 2.000 Menschen mit Zusagen warten
Und das, obwohl immer noch etwa 2.300 Menschen mit festen Zusagen auf ihre Visa und die Ausreise warten - manche schon viele Monate lang. Sie leben in Pakistan in von Deutschland finanzierten Gästehäusern. Doch die Behörden dort wollen sie loswerden - und gehen immer wieder mit brachialen Mitteln gegen afghanische Geflüchtete vor.
Seine Töchter, 16 und 18 Jahre alt, sind am Mittwoch nach Afghanistan abgeschoben worden, berichtet ein Anwalt aus Afghanistan. Seinen Namen möchte er öffentlich nicht nennen. Eine Zusage für Deutschland hatte er für sich und seine Familie schriftlich vorliegen. Doch jetzt hat er in Islamabad einfach nur noch Angst.
35 Menschen nach Afghanistan abgeschoben
Etwa 280 Menschen mit Aufnahmezusagen für Deutschland sind nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios in den vergangenen Tagen in Pakistan festgenommen worden. Rund 35 wurden nach Afghanistan deportiert. Viele andere leben in ständiger Angst vor Verhaftungen.
Lea Reisner, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, ist empört: "Ich finde es unglaublich beschämend für dieses Land, dass da nicht viel, viel schneller gehandelt wurde und für diese Menschen die versprochene Aufnahmezusage nicht umgesetzt wurde."
Auswärtiges Amt sieht Zusagen als rechtlich bindend
Außenminister Johann Wadephul von der CDU hat erst kürzlich zugesichert: Die Bundesregierung hält sich an ihre Zusagen; das Auswärtige Amt betrachtet sie als rechtlich bindend. Die Festnahmen in Islamabad sieht man mit großer Sorge.
Doch Innenminister Alexander Dobrindt (CS) beharrt auf erneuten Überprüfungen: "Da gibt es eine Einzelfallprüfung über jede einzelne Person, ob es da eine entsprechende Zusage, eine rechtsverbindliche Aufnahmezusage gibt. Wenn das der Fäll wäre, dann folgt ein Aufnahmeverfahren und eine Sicherheitsprüfung."
Vorwurf der Hinhaltetaktik
Kritiker sehen darin eine Hinhaltetaktik. Denn die Betroffenen sind bereits intensiv durchgecheckt worden. Der afghanische Anwalt in Islamabad, der um seine Töchter bangt, appelliert an die Bundesregierung, ihre Zusagen einzuhalten: "Meine einzige Bitte", sagt er im ARD-Interview, "unterstützen Sie uns. Wir sind in Afghanistan nicht sicher. Wir haben uns für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt und sind jetzt in Gefahr."
Und er wendet er sich direkt an die Bundesregierung: "Lassen Sie uns nicht allein", sagt er, "ebnen Sie den Weg für den Transfer nach Deutschland."
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke