Wie Thüringen seine Kultur vor Katastrophen schützt
- Die Feuerwehr in Weimar hat inzwischen Ausrüstung, um auch Kulturgüter zu retten.
- Viele Kultureinrichtungen haben sich bereits zu Notfallverbänden zusammengeschlossen, Fortbildungen werden angeboten.
- In Extremsituationen ist die Feuerwehr ausgelastet, dann muss die Kultur sich selbst retten – deshalb wird Hilfe zur Selbsthilfe angeboten.
In der Hauptfeuerwache Weimar stehen elf große, vergitterte Rollwagen. Zusammen bilden sie ein Ausrüstungsset für Schadensfälle im Kulturbereich, für Bibliotheken, Archive und Museen. In den Rollwagen befindet sich etwa Folie, um nasse Bücher zu verpacken, Seidenpapier für empfindliche Kunstwerke, aber auch Kabeltrommeln für eine Notstromversorgung, Gummistiefel und Atemschutzmasken.
Die Wagen seien so gebaut, dass auch Laien mit ihnen umgehen könnten, jedes einzelne Teil sei beschriftet, erklärt Ralf Seeber. Der frühere Feuerwehrmann hat vor über 20 Jahren den Brand in der Anna-Amalia-Bibliothek bekämpft und damals die historische Luther-Bibel gerettet. Seitdem lässt ihn das Thema nicht mehr los. Seit seiner Pensionierung treibt er den Kulturgutschutz für den Thüringer Kulturrat voran.

Überforderung tritt schnell ein
Dabei macht Seeber eines deutlich: Es gehe hier nicht nur um die großen Katastrophen. Sondern auch um fast Alltägliches, etwa einen Wasserrohrbruch. "Man kommt früh ins Büro und sieht, dass das Wasser von der Decke tropft. Das ist ja noch beherrschbar, aber wenn dann auch kulturelle Gegenstände betroffen sind, muss man eine fachliche Entscheidung treffen – wie geht man damit um?"

Leiterinnen und Leiter seien in solchen Situationen schnell überfordert, sagt Seeber. Er setzt deswegen alles daran, sie auf einen souveränen Umgang zu schulen. Seit 2019 gibt es einheitliche Fortbildungen, zudem wird auf das Solidarprinzip gesetzt: 13 sogenannte Notfallverbünde sind entstanden, in denen sich Kultureinrichtungen einer Region zusammengeschlossen haben.
Wissen, wer helfen kann
In Weimar sind große und kleine Einrichtungen Teil des Verbunds, darunter auch die Klassik Stiftung mit Ansprechpartner Alexander Stelzer: "Sinn des Notfallverbunds ist es, immer dann, wenn man mit eigenen Mitteln oder Personal nicht weiterkommt, solidarisch Hilfe zu leisten." So könne je nach Ereignis, bei Starkregen, Hochwasser, einem Rohrbruch oder einem Brand der ganze Verbund alarmiert werden, oder auch nur ein Teil. Je nachdem, wieviel Hilfe gebraucht werde.

Hilfe zur Selbsthilfe – dieses Prinzip hat sich bundesweit durchgesetzt, infolge des schweren Elbe-Hochwassers 2002. Damals musste die Feuerwehr in Dresden Menschen retten und hatte wenig Kapazitäten, Kunstwerke aus dem Zwinger zu holen. Im Notfall, so die Erkenntnis, muss die Kultur sich selbst helfen können.
Gerätewagen bundesweit einmalig
Personell unterstützt man sich in den Notfallverbünden gegenseitig. Und wenn zusätzliches Equipment benötigt wird, kann eines der Ausrüstungssets angefordert werden, fünf davon gibt es insgesamt im Freistaat. Ein spezieller und bis heute bundesweit einmaliger Transporter bringt die Rollkisten dann zum Einsatzort und nimmt beschädigte Kulturgüter bei Bedarf auch wieder mit.

"Wenn ich nasses Papier habe, dann fängt es gerade bei hohen Temperaturen schnell an zu schimmeln", erläutert Ralf Seeber. "Das wollen wir natürlich unbedingt vermeiden. Und deswegen ist dieses Fahrzeug so gebaut, dass man es klimatisieren kann, von minus 20 bis plus 40 Grad."
Landesweite Vernetzung noch nicht erreicht
Das Fahrzeug ist bereits im Ahrtal und in der Ukraine im Einsatz gewesen, in Thüringen wurde es bislang zum Glück nur für kleinere Ereignisse angefordert, wie etwa für einen Wasserschaden im Zentraldepot der Klassik Stiftung. Judith Drühe vom Thüringer Kulturrat ist überaus zufrieden damit, was bereits in Sachen Kulturgutschutz erreicht wurde.

Und dennoch sei die Erkenntnis, sich fortzubilden und zu vernetzen, noch nicht überall angekommen. Das hänge auch mit den verschiedenen Trägern im Kulturbereich zusammen. Personell gut ausgestattete Einrichtungen gebe es genauso wie kleine Privathäuser, das mache die Sache sehr komplex.
"Man kann hier nicht von oben durchregieren und jemanden dazu zwingen. Es hängt deswegen sehr stark davon ab, inwiefern der jeweilige Eigentümer die Notwendigkeit sieht und auch die Kapazitäten hat." Der Kulturrat bleibt dran. Noch drei weitere Notfallverbünde sollen in Thüringen entstehen, um große oder kleine Katastrophen künftig besser zu bewältigen – oder sie im besten Fall gar nicht erst entstehen zu lassen.
redaktionelle Bearbeitung: sg
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