Inhalt des Artikels:

  • Höchstwerte an Rückständen werden reduziert
  • Sicherheit für Verbraucher soll erhöht werden
  • Gemüseproduzenten können immer weniger Pflanzenschutzmittel nutzen
  • Behörde kritisiert eingeschränkte Wettbewerbsfähigkeit
  • Umweltschützer weisen auf Gefahren von Pflanzenschutzmitteln für Mensch und Tier hin

Höchstwerte an Rückständen werden reduziert

Ab 19. August dürfen die Pflanzenschutzmittel "Mospilan SG" und "Schädlingsfrei Careo Konzentrat" bei bestimmten Schädlingen für verschiedene Gemüse- beziehungsweise Obstarten nicht mehr eingesetzt werden. Das hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) bekannt gegeben. So dürfen die Pflanzenschutzmittel zum Beispiel nicht mehr gegen Blattläuse bei Gurken, Salaten und Spinat, gegen Weiße Fliegen bei Gurken, Tomaten und Blumenkohl oder auch gegen Drosophila-Arten bei Weinreben angewendet werden. Grund dafür ist, dass der erlaubte Höchstgehalt an Rückständen des enthaltenen Wirkstoffs Acetamiprid nicht mehr sicher eingehalten werden kann.

Im März 2025 hatte der Ständige Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (SCoPAFF) nach Angaben des BVL einer Absenkung der Höchstwerte "im Sinne des vorsorgenden gesundheitlichen Verbraucherschutzes" zugestimmt. Vorausgegangen war eine Untersuchung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Bei dieser wurde für 38 Obst- und Gemüsearten sowie Leber und Schlachtnebenerzeugnisse ein gesundheitliches Risiko in Bezug auf die bisher geltenden Rückstandshöchstwerte festgestellt. Nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) kam die EFSA zu dem Ergebnis, dass Acetamiprid die neuronale Entwicklung und Funktion beeinträchtigen kann. "Basierend auf diesen neurotoxischen Effekten bei den Nachkommen in einer Studie an Ratten wurden die bestehenden Grenzwerte für Verbraucherinnen und Verbraucher von der Europäischen Kommission abgesenkt", so das BfR.

Sicherheit für Verbraucher soll erhöht werden

"Die Anpassung der Rückstandshöchstgehalte hat zum Ziel, dass die Lebensmittel für die Verbraucherinnen und Verbraucher auch unter Berücksichtigung des aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstandes sicher sind und die Rückstände auf Lebensmitteln in Höhe des Höchstgehaltes kein akutes oder chronisches Risiko für Verbraucherinnen und Verbraucher darstellen", erklärt das BfR auf MDR-Anfrage.

Demnach seien alle in Deutschland derzeit zugelassenen Anwendungen für Pflanzenschutzmittel mit Acetamiprid überprüft worden. Mittel, bei denen die neuen Rückstandshöchstgehalte nicht sicher eingehalten werden können, werden laut BfR widerrufen. Dies ist demzufolge bei "Mospilan SG" und "Schädlingsfrei Careo Konzentrat" der Fall. Bei anderen sei das nicht so. "Sofern unter Berücksichtigung der Gefahrenbewertung des Wirkstoffes und der Exposition über die Nahrung kein Risiko für Verbraucherinnen und Verbraucher festgestellt wird, ist der Einsatz von Acetamiprid weiterhin möglich", so das BfR. Ein vollständiges Verbot von Acetamiprid sei bei vorhandenen sicheren Anwendungen und auch aufgrund der bestehenden Genehmigung des Wirkstoffes auf EU-Ebene nicht notwendig.

Gemüseproduzenten können immer weniger Pflanzenschutzmittel nutzen

Die Absenkung der Rückstandshöchstgehalte von Acetamiprid hat Auswirkungen auf den Obst- und Gemüseanbau in Deutschland. Nach Angaben des Zentralverbands Gartenbau (ZVG) ist ein Einsatz praktisch nicht mehr möglich. "Der Anbau von hochwertigem Obst und Gemüse in Deutschland wird zunehmend schwieriger. Einer der Gründe ist das steigende Anbaurisiko durch fehlenden wirksamen Pflanzenschutz. In den letzten Jahren wurden mehrere Mittel so weit reglementiert, dass eine Anwendung nicht mehr möglich ist, jedoch gleichzeitig keine wirksame Alternative zur Verfügung gestellt", sagt Laura Lafuente, Geschäftsführerin der Fachgruppe Gemüsebau im ZVG.

Obst und Gemüse ist häufig sowohl anfällig für Schädlingsbefall als auch mit sehr hohen Qualitätsanforderungen konfrontiert.

Laura Lafuente, Geschäftsführerin der Fachgruppe Gemüseanbau im Zentralverband Gartenbau

Gleichzeitig würden der Lebensmitteleinzelhandel wie auch Verbraucher keinen Schädlingsbefall von Obst und Gemüse akzeptieren. "Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Schädlinge oder nützliche Insekten handelt. Obst und Gemüse ist häufig sowohl anfällig für Schädlingsbefall als auch mit sehr hohen Qualitätsanforderungen konfrontiert", erläutert die Geschäftsführerin der Fachgruppe Gemüsebau. Wenn eine effektive Bekämpfung nicht mehr möglich ist, bleibt laut Lafuente als letzte Maßnahme oft nur das Umpflügen des Bestandes, um angrenzende Kulturen zu schützen und weil die befallene Ware nicht vermarktet werden kann. Den wirtschaftlichen Schaden trage dabei allein der Gemüseanbauer.

Behörde kritisiert eingeschränkte Wettbewerbsfähigkeit

Nach Einschätzung des Thüringer Landesamts für Landwirtschaft und Ländlichen Raum (TLLLR) ist eine gewinnbringende Produktion von Gemüse und Obst in Deutschland immer schwieriger. Zwar seien die Gründe dafür vielfältig, aber dazu gehöre auch die geringere Verfügbarkeit von Pfanzenschutzmittelwirkstoffen. "Deutsche Produzenten sind kaum noch wettbewerbsfähig zu Produzenten auch innerhalb der EU. Weniger wirksame Pflanzenschutzmittel bedeuten meist auch häufigere Anwendungen oder zusätzliche zum Beispiel mechanische Maßnahmen", so das TLLLR. Dabei müssten dann aber Punkte wie der Mindestlohn, die Verfügbarkeit von Arbeitskräften oder höhere Preise für beispielsweise Diesel oder Technik berücksichtigt werden. "Es ist davon auszugehen, dass immer mehr Betriebe in Deutschland mittelfristig die Produktion von Obst und Gemüse aufgeben werden", schätzt das TLLLR.

Die Gemüseproduzenten sind laut Zentralverband Gartenbau grundsätzlich bereit, auf problematische Wirkstoffe zu verzichten, sofern geeignete Alternativen zur Verfügung stehen. "Aktuell jedoch befinden sich keine neuen Wirkstoffe im EU-Zulassungsverfahren, weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene. In absehbarer Zeit sind somit keine Ersatzprodukte verfügbar, was den Anbau qualitativ hochwertiger Gemüsekulturen erheblich gefährdet", erklärt Laura Lafuente, Geschäftsführerin der Fachgruppe Gemüsebau, auf MDR-Anfrage.

Möglicherweise weniger heimisches Gemüse im Supermarkt

Verbrauchern könnten die Folgen der Einschränkung von Pflanzenschutzmitteln bei der Auswahl in der Obst- und Gemüsetheke im Einzelhandel auffallen – nämlich dann, wenn weniger regionale Ware verfügbar ist. "Bei optimalen Witterungsverhältnissen und Anbaubedingungen wird es auch weiterhin Salate und Co. geben, aber abseits dieses Optimums in der Hauptsaison weniger. Das Gemüse wird dann aus dem Ausland importiert beziehungsweise es wird im Herbst zeitiger auf Importware umgeschwenkt seitens des Handels", sagt Laura Lafuente. Das heißt: Das Regal wäre dann weiterhin voll, nur eben mit weniger heimischer Ware.

Auch die anderen EU-Länder sind von der Senkung der Rückstandshöchstgehalte betroffen. Frankreich geht sogar noch einen Schritt weiter: Wie mehrere Medien berichten, ist Acetamiprid in Frankreich bereits seit Längerem verboten. Zuletzt sollte das Mittel wieder zugelassen werden, allerdings hatten mehr als zwei Millionen Menschen eine Petition dagegen unterschrieben. Das Verfassungsgericht stoppte letztlich die Wiedereinführung.

Umweltschützer weisen auf Gefahren von Pflanzenschutzmitteln für Mensch und Tier hin

Acetampirid ist ein sogenanntes Neonikotinoid wie Corinna Hölzel, Pestizidexpertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND), erläutert: "Das sind extrem wirkungsvolle Nervengifte, die schon in geringer Konzentration hohe Wirkung entfalten. Neonikotinoide sind sehr langlebig und verteilen sich über Wasser breit in der Umwelt."

Acetamiprid sei für Bienen und andere nützliche Insekten gefährlich, zum Beispiel Laufkäfer, Marienkäfer und Florfliegen. Wenn deren Zahl verringert werde, schränke das die natürliche Schädlingsbekämpfung ein und habe zur Folge, dass immer mehr Insektizide eingesetzt werden müssten. "Für den Menschen gilt Acetamiprid als reproduktionstoxisch, das heißt fruchtbarkeitsgefährdend", so Hölzel. Der BUND fordert ein Verbot von gefährlichen Pestiziden wie Acetamiprid zum Schutz von Bestäubern und Menschen, teilt der Verein auf MDR-Anfrage mit.

Der BUND schätzt regelmäßige Notfallzulassungen von Acetamiprid als extrem gefährlich ein, sagt Corinna Hölzel: "Jedes Jahr werden über die bestehenden Zulassungen hinaus zeitlich begrenzt Anwendungen von auch hoch gefährlichen Pestiziden genehmigt. Acetamiprid wird regelmäßig über Notfallzulassung für Sonnenblumen, Kartoffeln und Zuckerrüben zugelassen, um dort Blattläuse oder die Glasflügelzikade zu bekämpfen."

Der Pestizidexperte Lars Neumeister antwortet für die Deutsche Umwelthilfe e.V. auf MDR-Anfrage: "Wir brauchen einen Ausstieg aus dem Gebrauch von Pestiziden, nur so können wir die Verbraucherinnen richtig schützen." Er kritisiert die Risikobewertung von Pestiziden im Rahmen der Zulassung. So werde Acetamiprid inzwischen giftiger eingestuft als zur Zulassung.

Acetamipridhaltige Produkte sind nach Angaben des BUND auch für Zierpflanzen im Hobbygarten zugelassen, was seitens des Vereins ebenfalls kritisiert wird. "Für den Hobbygarten dürften überhaupt keine chemisch- synthetischen Pestizide zugelassen sein, da die Anwendung von ungeschulten Privatleuten erfolgt", sagt Corinna Hölzel, Pestizidexpertin beim BUND. Als Alternative zu den Mitteln schlägt sie eine breite Fruchtfolge und Lebensräume für Nützlinge vor, die die Schadinsekten bekämpfen können.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke