Merz will harte Reformdebatte führen
Umfangreiche Reformen des Sozialstaats - das hat sich die schwarz-rote Koalition vorgenommen. Doch über das Wie bahnt sich ein Streit an. Kanzler Merz kündigte eine harte Debatte an. Er wolle es der SPD nicht leicht machen.
Nach dem Vorstoß der SPD für höhere Steuern schließt Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) eine zusätzliche Belastung des Mittelstands aus. "Mit dieser Bundesregierung unter meiner Führung wird es eine Erhöhung der Einkommenssteuer für die mittelständischen Unternehmen in Deutschland nicht geben", sagte Merz auf einem Parteitag der CDU Niedersachsen in Osnabrück - auch wenn es in der SPD den einen oder anderen gebe, der "Freude daran hat, über Steuererhöhungen zu diskutieren".
Vizekanzler Lars Klingbeil hatte zuvor erklärt, er schließe höhere Steuern für Spitzenverdiener und Vermögende nicht aus. "Da wird keine Option vom Tisch genommen", sagte der SPD-Vorsitzende dem ZDF. Hintergrund sind Milliardenlücken in den kommenden Bundeshaushalten.
Merz "nicht zufrieden" mit bisheriger Regierungsarbeit
Über die bisherige Regierungsarbeit von Schwarz-Rot äußerte sich Merz kritisch. Zwar seien eine neue Migrationspolitik und Impulse für eine wirtschaftliche Wende angestoßen worden. Aber: "Ich bin mit dem, was wir bis jetzt geschafft haben, nicht zufrieden. Das muss mehr werden", sagte Merz.
Um zu zeigen, dass Deutschland erfolgreich aus der Mitte heraus regiert werden könne, wünsche er sich eine SPD, die den gemeinsamen Weg "migrationskritisch und industriefreundlich" fortsetze, forderte der Kanzler.
Zudem müsse die Kommunikation der Koalition besser werden. Sowohl die SPD als auch die eigene Partei rief der CDU-Chef auf, nicht übereinander, sondern miteinander zu reden.
Merz: Sozialstaat "nicht mehr finanzierbar"
Merz bekräftigte weiter, es brauche eine Neuausrichtung der Sozialpolitik. "Ich werde mich durch Worte wie Sozialabbau und Kahlschlag und was da alles kommt nicht irritieren lassen", sagte er. "Der Sozialstaat, wie wir ihn heute haben, ist mit dem, was wir volkswirtschaftlich leisten, nicht mehr finanzierbar." Er mache es den Sozialdemokraten bewusst nicht leicht, sagte Merz. "Aber der Appell richtet sich an uns alle: Lasst uns zusammen zeigen, dass Veränderungen möglich sind, dass Reformen möglich sind."
SPD-Chef Klingbeil warb für Reformen - und warnte zugleich vor Ungerechtigkeit. "Wir brauchen Strukturreformen, um die Beiträge dauerhaft stabil zu halten", sagte Klingbeil den Funke-Zeitungen. "Dabei erwarte ich von allen Verantwortlichen mehr Phantasie als einfach nur Leistungskürzungen für die Arbeitnehmer." Bei allen Reformen müsse gelten: "Wir bleiben ein Land, das Menschen hilft, die in Not geraten, die krank werden und Hilfe brauchen."
Kritik aus SPD und der Opposition
Juso-Chef Philipp Türmer erklärte Sozialkürzungen zur roten Linie für die SPD und betonte, dass die Bürgergeldreform eine Gewissensfrage für die Abgeordneten darstellen könne. "Wenn die Idee hinter einem Herbst der Reformen Sozial- und Leistungskürzungen sind, kann ich nur klipp und klar sagen: Die SPD darf da keinen Zentimeter mitgehen", sagte Türmer der "Stuttgarter Zeitung".
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann verlangte hingegen einen "Paradigmenwechsel" beim Bürgergeld: Das Land stehe mit dem Rücken zur Wand, "weil der Sozialstaat nicht mehr finanzierbar geworden ist", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek warnte vor einem "Herbst der sozialen Grausamkeiten". Aktuell sei zu erleben, "wie Arbeitsrechte und Sozialstaat in einer massiven Kampagne von Think Tanks, Arbeitgeberverbänden und sogenannten Expertinnen und Experten angegriffen werden", sagte Reichinnek der Nachrichtenagentur AFP. Die Union bilde "die Speerspitze der Angriffe". Reichinnek forderte eine Reaktivierung der Vermögenssteuer.
FDP-Chef Dürr: "Mutige Reformen anstoßen"
FDP-Chef Christian Dürr warf der Koalition vor, die Reformen auf die lange Bank zu schieben. "Man kann natürlich weiter Kommissionen gründen und über Gerechtigkeit philosophieren - oder man fängt endlich an, mutige Reformen anzustoßen", sagte Dürr zur AFP. Er schlug mehr private Vorsorge bei der Alterssicherung vor - etwa durch ein "kapitalgedecktes System wie die Aktienrente".
Die Koalition aus Union und SPD hat sich grundlegende Reformen der Sozialversicherungssysteme vorgenommen - etwa bei Bürgergeld, Rente und Krankenversicherungen. Hintergrund sind steigende Kosten und die Sparzwänge im Bundeshaushalt. Die anvisierten Reformen sollen den Sozialstaat bezahlbar halten. Konkrete Vorschläge werden zum Teil in Fachkommissionen ausgearbeitet, im Herbst sollen erste Weichen gestellt werden.
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