Polizeiausbildung: Gewerkschafter und Professor fordern Verbesserungen
- Die Abbrecherquoten bei der Polizeiausbildung unterscheiden sich zwischen Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
- Die Deutsche Polizeigewerkschaft hat eine lange Liste mit Forderungen, um die Ausbildung zu verbessern und den Beruf attraktiver zu machen.
- Die Polizeien in Mitteldeutschland wollen teils ihre Ausbildung verändern, um Abbrecherquoten zu senken.
Leon Hartmann* arbeitet nun als Projektmanager in der Baubranche in Sachsen-Anhalt. Vor einigen Jahren brach der heute 25-Jährige ein duales Studium bei der Polizei ab – aus Unzufriedenheit über die Arbeitsbedingungen. "Mich hat vor allem das Schichtsystem sehr zermürbt. Es war völlig zusammengewüfelt, welche Schichten man erfüllen musste. Frühdienst am einen Tag, frei am nächsten und Spätschicht am Tag danach. Dazu kamen 12-Stunden-Schichten an jedem zweiten Wochenende", berichtet Hartmann aus dem Berufsalltag bei der Polizei.
In seinem Jahrgang habe es damals mehrere Kolleginnen und Kollegen gegeben, die ebenfalls vorzeitig die Ausbildung aufgaben. Die Ursachen seien verschieden gewesen. Hartmann zählt auf: "Persönliche Gründe, Burnout, Verstöße gegen Dienstpflichten, nicht bestandene Prüfungen."
Unterschiedliche Abbrecherquoten in Mitteldeutschland
So individuell die Gründe im Einzelfall sein mögen: Für die Polizeien in Mitteldeutschland sind diese Ausbildungsabbrüche ein Problem. In Sachsen-Anhalt kann etwa die Zahl der Polizistinnen und Polizisten nicht wie geplant erhöht werden, weil etwa 25 Prozent der Anwärter Ausbildung oder Studium nicht zu Ende bringen. Auch in Sachsen lag die Abbruchquote in den Jahren 2020 bis 2022 in Summe zwischen rund 14 und 18 Prozent, wie die Polizei auf Anfrage mitteilt. In Thüringen nennt die Polizei für 2022 einen Anteil von abgebrochenen Ausbildungen von ingesamt 12 Prozent.
Zum vollständigen Bild gehört: In diesen Zahlen sind diejenigen mit eingerechnet, die gewissermaßen "abgebrochen wurden", also die Prüfungen nicht bestanden haben oder aus gesundheitlichen Gründen den Dienst nicht fortsetzen konnten.
Und noch eine andere Zahl relativiert die hohen Abbrecherquoten. Im dualen Ausbildungssystem liegt die Quote der vorzeitig aufgelösten Ausbildungsverträge über alle Branchen hinweg bei fast 30 Prozent, wie aus dem Datenreport Bundesinstituts für Berufsbildung hervorgeht. Insofern sind die Zahlen der mitteldeutschen Polizei sogar vergleichsweise niedrig.
Polizeigewerkschaft mit langer Forderungsliste
Dennoch herrscht Einigkeit darüber, dass jede abgebrochene Ausbildung bei der Polizei eine zu viel ist. Der Nachwuchs werde dringend gebraucht, sagt Nils Gäbel, stellvertretender Bundesjugendleiter bei der Deutschen Polizeigewerkschaft. Beendeten zu wenige ihre Ausbildung, "führt das im Gegenschluss wieder zu einer Überlastung der fertigen Kolleginnen auf der Straße", erklärt der 33-jährige Polizeibeamte aus Magdeburg.
Der Gewerkschafter sieht ein "Alarmsignal für die Politik". Die Atttraktivität der Ausbildung und des Polizeiberufs müsse steigen, zum Beispiel in Hinblick auf materiellen Leistungen. Gäbel: "Das sind eben nicht nur die Anwärterbezüge, sondern vielleicht auch zusätzliche Gimmicks, um gerade diesen Unterschied zur freien Wirtschaft wettzumachen." Denkbar seien etwa Zuschüsse zum Autoführerschein, für das geforderte Rettungsschwimmerabzeichen oder Geräte wie Laptops und Handys.
Aber auch die Ausbildungsbedigungen sollten aus Sicht der Polizeigewerkschaft fortlaufend überprüft und verbessert werden. Gäbels Liste ist lang: mehr Lehr- und Betreuungspersonal, größere und mehr Sportanlagen, mehr digitale Lernmöglichkeiten, eine bessere Verzahnung von Theorie und Praxis.
Bei den Anforderungen an die Bewerber sollten jedoch keine Abstriche gemacht werden. "Das ist, denke ich, der falsche Weg. Dort sollte man definitiv bei bleiben. Denn es ist unfassbar wichtig, eben auch qualifizierte Leute im Nachgang eben auf die Straße zu bringen", sagt Gäbel.
Polizei-Hochschulen neu aufstellen
Die Anforderungen an künftige Polizisten möchte auch Peter Löbbecke nicht absenken – im Gegenteil. Löbbecke ist seit mehr als 15 Jahren Professor für Kommunikationswissenschaften an der Fachhochschule der Polizei Sachsen-Anhalt in Aschersleben. Er hat sich wiederholt intensiv mit Bildungsfragen befasst und plädiert für eine recht radikale Reform der akademischen Polizeiausbildung. "Ich glaube, dass es der Ausbildung sehr gut tun würde, von den Landespolizeien bis zur Bundespolizei, wenn man sie komplett in das freie Hochschulsystem übertragen würde."
Derzeit sind die Polizeihochschulen in Deutschland zumeist polizeiinterne Einrichtungen. Nach Ansicht von Löbbecke sollte man sie als freie Hochschulen neu eröffnen, um die Qualität der Lehre zu erhöhen. "Und zwar, weil dann andere, wesentlich strengere Regeln gelten hinsichtlich der inhaltlichen Quualität, der Auswahl des Personals und der Studienstruktur", erklärt der promovierte Soziologe und Erwachsenenpädagoge.
In diesem Zusammenhang stellt Löbbecke auch die Anwärterbezüge infrage – denn regulären Studentinnen und Studenten würde normalerweise keine Bezahlung zustehen. In der Folge käme es sehr viel stärker auf die Eigenmotivation der Anwärter für den höheren Polizeidienst an. Und wer aus eigener Motivation studiere, breche theoretisch auch weniger schnell ab.
Polizeien: Besser informieren, länger ausbilden
Die Polizeien in Mitteldeutschland setzen bislang auf weniger drastische Maßnahmen, um die Abbrecherquoten zu senken. Die Sächsiche Polizei schrieb MDR AKTUELL, man wolle "bereits an der Betreuung der Bewerberinnen und Berwerber ansetzen". Sie sollen frühzeitig "konkrete Eindrücke" davon erhalten, "was sie später während der Ausbildung, des Studiums, aber auch danach bei der täglichen Arbeit als Polizistin/als Polizist erwartet".
Eine moderne und hochwertige Ausbildung soll in Sachsen zudem durch eine längere Ausbildungsdauer gesichert werden. Bei allen Laufbahngruppen dauert die Ausbildung künftig drei Jahre. Die Umstellung läuft. "So wurde mehr Platz für die vertiefende Vermittlung theoretischer und vor allem polizeipraktischer Inhalte geschaffen".
In Thüringen werde eine Verlängerung der Ausbildung im mittleren Polizeidienst "derzeit ergebnisoffen geprüft", teilt das Bildungszentrum der Thüringer Polizei mit. Dies könne positive Effekte auf die Abbrecherquote haben, wobei sich die Quote nach Ansicht der Thüringer Polizei im "fachhochschulüblichen Spektrum" bewege.
In Sachsen-Anhalt ist bislang keine Verlängerung der Ausbildungszeit geplant. Der Rektor der Hochschule in Aschersleben, Thorsten Führing, sagte dem MDR im Juli, die Einrichtung versuche, vor Ausbildungsbeginn möglichst intensiv zu informieren, um Ausbildungsabbrüchen vorzubeugen.
*Name von der Redaktion geändert
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