500 Milliarden Euro neue Schulden nimmt der Bund auf, um die Infrastruktur voranzubringen. 100 Milliarden davon sind für Länder und Kommunen. Die Vorgaben dafür werden nun im Bundestag beraten - und sind umstritten.

Die Erwartungen sind groß. Zum einen bei vielen Kommunen: Gemeinde- und Stadträte erhoffen sich aus dem schuldenfinanzierten Sondervermögen einen Schub für die örtliche Infrastruktur. Zum anderen bei der Wirtschaft: Bauunternehmen, Ingenieurbüros und IT-Dienstleister rechnen mit neuen Aufträgen - für Straßenbau, Schulsanierungen oder Digitalisierungsprojekte.

Ifo-Ökonom: Klare Priorisierungen notwendig

Von einer Chance für Wirtschaft und Wirtschaftswachstum spricht auch Niklas Potrafke vom Münchner Ifo-Institut: "Die Chance besteht einfach darin, dass es jetzt möglich ist, Vorhaben zu finanzieren, beispielsweise eine neue Straße, die es ohne das Sondervermögen nicht gegeben hätte." Dafür seien klare Priorisierungen notwendig: "Theater oder Sportplätze zu finanzieren, wäre zwar wünschenswert, aber in Zeiten der Wirtschaftsflaute die falsche Priorität", sagt der Ökonom im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio.

Potrafke ist nicht der Einzige, der Zweifel daran hat, dass die 100 Milliarden Euro am Ende wirklich wachstumsfördernd ausgegeben werden. "Es besteht vielmehr die Gefahr, dass mit den neuen Schulden Maßnahmen finanziert werden, die ohnehin schon geplant waren." Soll heißen: Länder und Kommunen könnten die Mittel vom Bund nutzen, um Haushaltslöcher zu stopfen oder zusätzliche konsumtive Maßnahmen bezahlen - ohne Wachstumswirkung. Dafür aber seien die zusätzlichen Milliarden nicht gedacht.

"Substanzlos" - harte Kritik des Bundesrechnungshofs

Hintergrund für die Sorge: Im Unterschied zu den entsprechenden Ausgaben auf Bundesebene sieht das Gesetz bei Ländern und Kommunen nicht vor, dass die Investitionen "zusätzlich" sein müssen. Außerdem kann der ohnehin schon umfangreiche Katalog, wofür die Gelder eingesetzt werden dürfen - von Bevölkerungsschutz bis hin zur Wärmeinfrastruktur - vor Ort erweitert werden.

Der Bundesrechnungshof hat den Gesetzentwurf daher deutlich kritisiert. Der Bund verzichte auf wesentliche Stellschrauben für den Erfolg des Gesetzes, heißt es in einer Stellungnahme. Ohne klare Regeln sei der Gesetzentwurf "mit Blick auf die gesamtstaatliche Zielerreichung substanzlos".

Grünen-Politiker fordert verbindliche Quoten

Auf die massive Kritik des Bundesrechnungshofs weist auch Sebastian Schäfer von den Grünen hin - trotz aller positiven Aspekte: schließlich liege im Sondervermögen die große Chance, wieder zukunftsfähig zu werden und auch etwas für Wachstum und Zusammenhalt zu tun, so Schäfer. "Dafür muss das Geld aber klug eingesetzt werden."

Auch der Grünen-Abgeordnete beklagt, dass der Gesetzentwurf der schwarz-roten Koalition keinerlei "Zusätzlichkeit" vorsieht. Der Entwurf müsse daher im parlamentarischen Verfahren noch korrigiert werden, so der Oppositionspolitiker. Außerdem müsse es verbindliche Quoten geben, wie viel Geld aus dem 100-Milliarden-Topf an die Kommunen fließen soll.

Länder wollten lockeren Rahmen

Die Grünen hatten Union und SPD noch im alten Bundestag zur notwendigen Zweidrittel-Mehrheit für das schuldenfinanzierte Sondervermögen verholfen. Mitzureden hatten aber auch die Länder - denn für Grundgesetzänderungen ist auch eine Zweidrittel-Mehrheit im Bundesrat erforderlich.

In den Gesprächen mit dem Bund haben die Länder auf einen weitgehend lockeren Rahmen für die Verwendung ihres 100-Milliarden-Anteils gepocht. Zu strenge Regeln würden dem Ziel entgegenstehen, schnell zu investieren. Die Vorgaben müssten "unbürokratisch und möglichst schlank sein", so Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU).

Außerdem stehen viele Kommunen finanziell bereits heute schlecht da. "Viele Investitionen könnten vielleicht gar nicht mehr stattfinden, wenn es das Geld vom Bund jetzt nicht gäbe", sagt der bayerische Finanzminister Albert Füracker (CSU). Trotzdem werde man mit den Kommunen ganz genau reden, wofür das Geld verwendet werde - damit eben doch mit den Investitionen die Wirtschaftsleistung gesteigert wird.

Manche Bundesländer haben schon Beschlüsse gefasst, wie das Geld vom Bund ausgegeben werden soll. Die meisten planen mit einem Verhältnis von 60 Prozent für die Kommunen und 40 Prozent fürs jeweilige Land. Mecklenburg-Vorpommern will zum Beispiel an sieben Standorten Neubauten für Polizeidienststellen errichten, das Saarland plant unter anderem ein Schwimmbadprogramm, das je zur Hälfte vom Land und den Kommunen mit Hilfe der Gelder vom Bund finanziert werden soll.

NRW bekommt am meisten, Bremen am wenigsten

Erst aber muss im Bundestag das Gesetz zur Aufteilung der 100 Milliarden Euro beschlossen werden. Dazu gehört insbesondere die Festlegung, wie viel Geld aus dem großen Schuldentopf an die einzelnen Bundesländer fließt und damit in den kommenden zwölf Jahren ausgegeben werden kann. Dabei spielen Einwohnerzahlen und wirtschaftliche Daten eine Rolle.

Am meisten bekommen nach dem vorgeschlagenen Schlüssel die Länder Nordrhein-Westfalen (21,1 Prozent), Bayern (15,7 Prozent) und Baden-Württemberg (13,2 Prozent); am wenigsten aus dem Topf bekommen Mecklenburg-Vorpommern (1,9 Prozent), das Saarland (1,8 Prozent) und Bremen (0,9 Prozent).

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