• Ein Drittel der Befragten hält Deutschland für ein kinderfreundliches Land.
  • Zwei Drittel fordern mehr gesellschaftliche Aufmerksamkeit für Kinder und Jugendliche.
  • Besonders Frauen befürworten die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz.

Wie kinderfreundlich ist Deutschland und wie sieht es besonders in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen aus? Ein aktuelles Stimmungsbild von MDRfragt mit mehr als 18.300 Teilnehmenden zeigt: Viele von ihnen sehen deutlichen Nachholbedarf. Katja (45) aus dem Landkreis Bautzen kritisiert beispielsweise unzureichende Unterstützungsangebote für Familien: "Solange eine Kinderbetreuung nur bis 17 Uhr geht, in öffentlichen Gebäuden kein Still- und Wickelraum serienmäßig zu finden ist, Kulturangebote für Kinder oft unerschwinglich sind (...), ist Deutschland kein kinderfreundliches Land. Von Schulbildung und Schulwegen möchte ich gar nicht erst anfangen."

Solange eine Kinderbetreuung nur bis 17 Uhr geht, in öffentlichen Gebäuden kein Still- und Wickelraum serienmäßig zu finden ist, Kulturangebote für Kinder oft unerschwinglich sind (...), ist Deutschland kein kinderfreundliches Land.

Katja (45) aus dem Landkreis Bautzen

Zum Thema Schule schreibt MDRfragt-Mitglied Gabriele (70) aus Saalfeld-Rudolstadt: "Ich finde, das Allerschlimmste in Deutschland ist die Schulbildung. Diese Fehlstunden und Lehrermangel sind nicht zu akzeptieren." Und Thomas aus Magdeburg meint: "Deutschland ist weder strukturell noch gesellschaftlich kinderfreundlich."

MDRfragt-Gemeinschaft sieht Verbesserungsbedarf bei Kinderfreundlichkeit

Die Einschätzung, ob Deutschland ein kinderfreundliches Land ist, fällt bei den Befragten mehrheitlich negativ aus. Nur rund ein Drittel der Befragten stimmt der Aussage "Deutschland ist ein kinderfreundliches Land" mit "ja" oder "eher ja" zu: In Sachsen-Anhalt sind es 32 Prozent, in Thüringen und Sachsen jeweils 37 Prozent. Auch MDRfragt-Mitglieder, die beruflich mit Kindern zu tun haben, äußern sich besorgt. Michaela (42) aus Mittelsachsen erzählt aus ihrem Alltag: "Ich bin selbst Erzieherin und es ist erschreckend, wie die Rechte der Kinder gerade in Kita und Schulbereich mit Füßen getreten werden. Wenn man sich selbst dafür einsetzt und darauf achtet, wird man von der Leitung getadelt."

Ich bin selbst Erzieherin und es ist erschreckend, wie die Rechte der Kinder gerade in Kita und Schulbereich mit Füßen getreten werden.

Michaela (42) aus Mittelsachsen

Nach meiner Wahrnehmung leben Kinder oft in einer sogenannten Parallelgesellschaft.

Peter (64) aus Chemnitz

Auch das gesellschaftliche Miteinander zwischen Kindern und Erwachsenen wird von einigen problematisch gesehen. Peter (64) aus Chemnitz meint: "Nach meiner Wahrnehmung leben Kinder oft in einer sogenannten Parallelgesellschaft. Sie werden zwar wahrgenommen, man unterstützt sie auch weites gehend, aber sie nehmen meist nicht wirklich am gesamtgesellschaftlichen Leben teil, weil die Erwachsenen grundsätzlich mit ihren eigenen Problemen und Verwirklichungsansprüchen beschäftigt sind. Die daraus resultierende Unzufriedenheit überträgt sich zunehmend auf die Kinder und Jugendlichen, sodass sie das Gefühl haben, weder dazuzugehören noch mit ihren Leistungen den heutigen Ansprüchen zu genügen. Kinder sollten in erster Linie Kinder sein dürfen und nicht kleine Erwachsene."

Anna Katharina (43) aus Dresden erlebt es im Alltag so: "Man steht mit kleinen Kindern sehr oft im Fokus. Gerade, wenn sie sich außerhalb der Norm bewegen. Das Umfeld stigmatisiert schnell und nimmt einen Ausnahmezustand, zum Beispiel einen Gefühlsausbruch, als normal wahr. Was ja aber nicht so ist. Oder stöhnende Fahrgäste, wenn man eine Straßenbahn mit einem weinenden Kind betritt. Da fahre ich gerne in die Niederlande oder nach Dänemark. Da sind die Menschen deutlich gelassener." 

Zwei Drittel für mehr Aufmerksamkeit

Mehr als zwei Drittel der MDRfragt-Gemeinschaft in Sachsen (65 Prozent), Sachsen-Anhalt (67 Prozent) und Thüringen (69 Prozent) fordern mehr gesellschaftliche Aufmerksamkeit für Kinder und Jugendliche. Besonders wichtig für eine kinderfreundliche Gesellschaft sind für die Befragten die Unterstützung und Wertschätzung der Eltern, Verkehrssicherheit auf Schulwegen, Fußwegen und Radwegen sowie ein freundlicher und respektvoller Umgang mit Kindern. Dazu meint Christine (74) aus dem Vogtlandkreis: "Es kommt immer auf den Ton an und man sollte nie vergessen, dass man selbst einmal jung war, gerne laute Musik hörte, die unseren Eltern auch nicht gefiel."

Es kommt immer auf den Ton an und man sollte nie vergessen, dass man selbst einmal jung war, gerne laute Musik hörte, die unseren Eltern auch nicht gefiel.

Christine (74) aus dem Vogtlandkreis

Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Wenn es darum geht, in welchen staatlichen Bereichen Deutschland bereits kinderfreundlich handelt, wird von den Befragten am ehesten die finanzielle Unterstützung von Eltern positiv hervorgehoben: 50 Prozent sind zufrieden damit. Andere Bereiche wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Deutschland erhalten deutlich weniger Zustimmung.

Ellen (61) aus dem Landkreis Zwickau meint: "Die finanzielle Unterstützung ist recht gut, allerdings eher mit der Gießkanne als gezielt, da wo es nötig ist. Außerdem ist die Bürokratie hoch und alles muss umständlich und wiederholt beantragt und nachgewiesen werden. Warum nicht mal einfach: Kostenloses Essen in allen Kitas und Schulen für alle und kostenloser ÖPNV für Schüler und Studenten."

MDRfragt-Mitglied Julia (38) aus Chemnitz hat diesen Wunsch: "Theoretisch sollte es Eltern in den ersten beiden Lebensjahren ihres Kindes möglich sein, diese besonders prägende Zeit mit ihren Kindern zu verbringen und die Weichen für deren Entwicklung zu stellen. Das können sich aber nur die wenigsten finanziell leisten und so sind wir Eltern gezwungen unsere Kinder viel zu früh in die Betreuung anderer zu übergeben."

Theoretisch sollte es Eltern in den ersten beiden Lebensjahren ihres Kindes möglich sein, diese besonders prägende Zeit mit ihren Kindern zu verbringen.

Julia (38) aus Chemnitz

Elterngeld: Ein Drittel für Erhöhung

Das Elterngeld soll Eltern ermöglichen, sich Zeit für ihre Kinder nach der Geburt zu nehmen. Die Mehrheit der Befragten in Mitteldeutschland möchte es beibehalten (45 Prozent) oder erhöhen (32 Prozent). Kürzungen oder eine Abschaffung lehnt die große Mehrheit ab. Ronny (52) aus dem Landkreis Gotha sieht es so: "Die Erfahrung aus der eigenen Familie zeigt, dass sich durch die steigenden Kosten für Lebensmittel, Energie und Kindergarten viele Familien mit 'normalen' Einkommen, genau überlegen, ob ein weiteres Kind finanziell möglich ist. (…) Der Staat muss die Kosten und Abgaben für die Bevölkerung senken, dann kommen auch wieder mehr Kinder zur Welt."

Der Staat muss die Kosten und Abgaben für die Bevölkerung senken, dann kommen auch wieder mehr Kinder zur Welt.

Ronny (52) aus dem Landkreis Gotha

Hohe Besorgnis über sinkende Geburtenrate

Die sinkende Geburtenrate bereitet vielen Menschen Sorgen. In den vergangenen Jahren ist die Geburtenrate in Deutschland gesunken: 2024 lag sie bei 1,35 Kindern je Frau, 2016 noch bei 1,59. In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind über 75 Prozent der Befragten besorgt über die Entwicklung. In den Kommentaren fordern einige MDRfragt-Teilnehmer politische Maßnahmen, etwa bessere Kinderbetreuung, familienfreundlichere Arbeitsmodelle oder finanzielle Anreize. Jakob (23) aus dem Landkreis Gotha blickt in die Zukunft: "Zwei bis drei Kinder würde ich gerne haben. Für mich ist es auch eine Frage von Verantwortlichkeit. Nur wenn jeder von uns etwas in die Gesellschaft gibt, können wir weiterhin in Wohlstand leben. Dieser hat mitunter seinen Preis, wenn wir Kinder großziehen. Ich sehe es als ein Geben und Nehmen."

Nur wenn jeder von uns etwas in die Gesellschaft gibt, können wir weiterhin in Wohlstand leben. Dieser hat mitunter seinen Preis, wenn wir Kinder großziehen. Ich sehe es als ein Geben und Nehmen.

Jakob (23) aus dem Landkreis Gotha

Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Breite Zustimmung für Kinderrechte im Grundgesetz

69 Prozent der Frauen und 57 Prozent der Männer befürworten, dass Kinderrechte ins Grundgesetz aufgenommen werden. Eines der Kinderrechte ist das "Recht auf Beteiligung". Dabei sollen Kinder und Jugendliche in Entscheidungen, die sie betreffen, mit einbezogen werden. Dazu schreibt MDRfragt-Mitglied Lisa (35) aus dem Erzgebirgskreis: "Wenn beispielsweise Baumaßnahmen an der Kita oder Schule nötig sind, sollten die Wünsche der Kinder für ihr künftiges Umfeld Berücksichtigung finden. Innerhalb der Familie sollten Kinder im 'Familienrat' ein altersgemäßes Mitspracherecht erhalten. Auch in der Kommunalpolitik würde ich Kindern ein Recht auf Mitgestaltung zutrauen, wenn es um ihre eigenen Belange geht, die sie aufgrund ihrer Erfahrungen schon einschätzen können."

Auch in der Kommunalpolitik würde ich Kindern ein Recht auf Mitgestaltung zutrauen, wenn es um ihre eigenen Belange geht, die sie aufgrund ihrer Erfahrungen schon einschätzen können.

Lisa (35) aus dem Erzgebirgskreis

Seit Jahren wird darüber diskutiert, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Mindestens zwei Drittel der Bundestagsabgeordneten müssten zustimmen. Die aktuelle Bundesregierung hat das Thema nicht in den Koalitionsvertrag aufgenommen.

Über diese Befragung

Die Befragung: "Sind Kinder hier willkommen – oder nicht?" lief vom 11. bis 15. September 2025. Insgesamt haben 18.305 Menschen aus Sachsen (9.296), Sachsen-Anhalt (4.460) und Thüringen (4.549) mitgemacht.

Bei MDRfragt können sich alle anmelden und beteiligen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen wohnen, denn: Wir wollen die Vielfalt der Argumente kennenlernen und abbilden. Die Kommentare der Befragten erlauben, die Gründe für die jeweiligen Positionen und das Meinungsspektrum sichtbar zu machen.

Da sich jede und jeder beteiligen kann, der möchte, sind die Ergebnisse von MDRfragt nicht repräsentativ. Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach bewährten wissenschaftlichen Kriterien und Methoden anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad gewichtet, um sie an die tatsächliche Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung anzupassen.

Damit wird die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht und es ergibt sich ein valides und einordnendes Stimmungsbild aus Mitteldeutschland. MDRfragt wissenschaftlich beraten und begleitet. Dabei geht es um die Weiterentwicklung des Angebotes ebenso wie über die Überprüfung der Aussagekraft, beispielsweise durch regelmäßige Validitätstests.

Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.

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