Neuer Anlauf zur Richterwahl
Im zweiten Versuch soll es klappen: Nach der missglückten Richterwahl im Juli entscheidet am Abend der zuständige Ausschuss, ob die Juristin Emmenegger Kandidatin für die Wahl zur Verfassungsrichterin wird. Es könnte erneut eine Zitterpartie werden.
Anfang Juli ist die Neubesetzung von drei Richterposten beim Bundesverfassungsgericht spektakulär gescheitert. Die Union hatte SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf teilweise die Unterstützung entzogen. Nun schickt die SPD eine neue Kandidatin ins Rennen.
Zunächst kommen am Abend die Mitglieder des Richterwahlausschusses zusammen. Dem Gremium, das nicht öffentlich tagt, gehören insgesamt zwölf Abgeordnete aus den verschiedenen Fraktionen an. Sie sollen darüber entscheiden, ob der Bundestag über die Benennung der von der SPD vorgeschlagenen Juristin Sigrid Emmenegger für das höchste Gericht abstimmen wird oder nicht.
Koalition fehlt eine Stimme im Ausschuss
Nur wenn mindestens acht Ausschussmitglieder dem Vorschlag zustimmen, kann Emmenegger am Donnerstag im Bundestag zu Wahl gestellt werden. Die Regierungsfraktionen Union und SPD verfügen zusammen aber nur über sieben Sitze. Das heißt, sie benötigen für die Personalie Unterstützung aus anderen Fraktionen, beispielsweise Grüne oder Linke. Das gilt auch für die geheime Bundestagsabstimmung am Donnerstag. Dort muss ein Kandidat ebenfalls zwei Drittel der Stimmen erreichen.
Zur Wahl stünden dann auch der von der Union und dem Verfassungsgericht vorgeschlagene Arbeitsrichter Günter Spinner sowie die von der SPD nominierte Juraprofessorin Ann-Katrin Kaufhold. Beide waren vom Ausschuss bereits im Juli vorgeschlagen worden.
SPD sieht "positive Signale"
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sonja Eichwede sagte, ihre Partei habe von den demokratischen Fraktionen im Bundestag "positive Signale" empfangen. Die Sozialdemokraten seien optimistisch, dass ihre Kandidatinnen die nötige Unterstützung erhielten.
Emmenegger sei fachlich hervorragend und eine starke Frau. "Ich bin sicher, dass wir dieses Mal eine gute Lösung finden und der Bundestag auch zeigen wird, dass uns sehr, sehr viel daran liegt, dass wir ein gutes, dass wir ein starkes Bundesverfassungsgericht haben."
Unionsführung spricht von "sehr positiven" Rückmeldungen
Der vergangene Versuch im Juli scheiterte allerdings nicht an der Opposition: Die ursprünglich von der SPD vorgeschlagene und auch von der Union im Richterwahlausschuss unterstützte Juristin Brosius-Gersdorf hatte im August ihre Kandidatur zurückgezogen, nachdem ihre Wahl im Bundestag von der Tagesordnung genommen worden war. Unionspolitiker hatten unter anderem ihre liberale Haltung zu Schwangerschaftsabbrüchen kritisiert. Diesmal geht die Unionsführung davon aus, dass die Fraktion weitgehend geschlossen hinter Emmenegger steht.
Die Rückmeldungen der Abgeordneten seien "sehr positiv", sagte Fraktionsgeschäftsführer Steffen Bilger. Die Richterin am Bundesverwaltungsgericht werde allgemein als "konstruktiver Vorschlag wahrgenommen", erklärte der CDU-Politiker. Vorbehalte gibt es in der Unionsfraktion eher noch gegen die andere SPD-Kandidatin Kaufhold. Aber auch die werden als überschaubar erachtet.
Spahn glaubt, dass es klappt
Auch Unionsfraktionschef Jens Spahn gab sich zuversichtlich. "Ja, das wird klappen am Donnerstag", sagte der CDU-Politiker in der ARD-Sendung "Caren Miosga". Emmenegger sei eine "sehr gute" Kandidatin. Er habe zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus der Fraktion ein Gespräch mit Emmenegger geführt, berichtete Spahn. Sie sei "sehr überzeugend" und "fachlich versiert". "Und deswegen wird es am Donnerstag gut gelingen", versicherte Spahn.
Die gescheiterte Richterwahl im Juli hatte vor der parlamentarischen Sommerpause für Verstimmungen in der Koalition gesorgt. Die SPD warf der Union vor, Zusagen nicht eingehalten zu haben. Vor allem Spahn stand als Fraktionsvorsitzender stark in der Kritik. Spahn räumte nun ein: "Das hätte nicht passieren dürfen." Als wichtigste Lehre aus der gescheiterten Abstimmung bezeichnete Spahn die Bedeutung rechtzeitiger Abstimmungen: "Meine größte Erkenntnis - das ist banal, aber rechtzeitiges Reden und Kommunizieren ist wichtig auf allen Ebenen."
Linke kritisiert Union
Die Linke ließ ihre Position allerdings weiter offen. Die Union habe anders als die SPD keine Gespräche mit der Linksfraktion geführt, sagte deren Vorsitzende Heidi Reichinnek. Sie übte scharfe Kritik an der Union. "Das Bundesverfassungsgericht ist eine wichtige demokratische Institution, die nicht beschädigt werden darf", erklärte sie. Es sei nicht hinnehmbar, dass die Union parteipolitisch taktiere "und das Gericht zum Spielball ihrer Eitelkeiten" mache. "Wir haben deswegen miteinander vereinbart, dass es sich bei dieser Wahl um eine Gewissensentscheidung handelt und unsere Abgeordneten jeweils für sich entscheiden, wie sie sich bei der Wahl verhalten."
Die Linke fordert seit Monaten, dass die Union Gespräche mit ihr darüber führt - bisher sei das aber nicht geschehen, sagte vor der Fraktionssitzung die Parteivorsitzende Ines Schwerdtner. Ohne solche Gespräche könne die CDU nicht sicher sein, wie die 64 Linke-Abgeordneten stimmen würden.
Spahn zufolge hat sich aus der Koalition bisher nur die SPD mit den Oppositionsparteien Grüne und Linke verständigt. Auf die Frage, ob er mit den Linken gesprochen habe, sagte der CDU-Politiker bei "Caren Miosga", Emmenegger sei von der SPD vorgeschlagen worden. Dementsprechend sei SPD-Fraktionschef Matthias Miersch tätig geworden: "Der hat mit Grünen und, soweit ich weiß, auch mit der Linkspartei gesprochen."
Grüne halten sich ebenfalls bedeckt
Allerdings steht auch der von der CDU nominierte Richterkandidat Spinner zur Wahl. Schwerdtner sagte: "Ich halte nicht so viel von Vertreterlösungen, insbesondere wenn es darum geht, einen CDU-Kandidaten zu wählen." Wenn die CDU wolle, dass ihr Kandidat gewählt wird, "dann müssen sie sich selbst auch raustrauen". Die CDU hat einen Parteitagsbeschluss, der "Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland" ausschließt.
Auch von den Grünen gibt es noch keine feste Zusage für eine Unterstützung. Parteichef Felix Banaszak lobte Emmenegger aber als "eine gute, respektable Kandidatin". Es sei nun Sache der Regierungskoalitionen dafür zu sorgen, "dass demokratische Mehrheiten für alle drei der Kandidatinnen und Kandidaten entstehen", sagte er. Die "Hängepartie", die das Verfassungsgericht bereits beschädigt habe, müsse ein Ende haben.
AfD lehnt SPD-Kandidatin Kaufhold ab
Die AfD machte klar, dass sie die SPD-Kandidatin Kaufhold ablehnt und warnte die Unionsfraktion eindringlich vor der Wahl der Juristin. Diese sei eine "Aktivistin" mit radikalen Positionen etwa in der Klimapolitik, sagte AfD-Parlamentsgeschäftsführer Bernd Baumann. Sollten die Abgeordneten von CDU und CSU bei der für Donnerstag geplanten Wahl im Bundestag Kaufhold tatsächlich zur Mehrheit verhelfen, wäre dies ein "Skandal".
Baumann wertete Kaufholds Nominierung für das Verfassungsgericht als "Teil eines Unterwanderungsversuchs", mit dem "linksgrüne Kräfte" das Karlsruher Gericht auf Linie bringen wollten. Die Union dürfe dies nicht unterstützen.
Mit dem von der Union aufgestellten Kandidaten Günter Spinner habe die AfD kein Problem, sagte Baumann. "Den Herrn Spinner können wir uns vorstellen." Auch Emmenegger wollte Baumann öffentlich nicht kritisieren: Sie sei "nicht durch öffentliche Äußerungen hervorgetreten, dass man da kritisch einhaken" müsse.
Drei Vorschläge liegen auf dem Tisch
Emmenegger ist seit 2021 Richterin am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Ihr Senat ist für Energieleitungsausbau, Bau- und Bodenrecht sowie Natur- und Landschaftsschutzrecht zuständig. CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann ließ verlauten, dass die Kandidatin "das erforderliche Maß an Zurückhaltung" für das Amt mitbringe.
Alle aktuellen Verfassungsrichter haben Günter Spinner als neuen Verfassungsrichter vorgeschlagen. Der 53-Jährige hat langjährige Erfahrung an unterschiedlichen Arbeitsgerichten. Derzeit ist er Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht. Spinner hat einen Großteil seiner Laufbahn in Baden-Württemberg verbracht. Anfangs arbeitete er als Staatsanwalt.
Die Juraprofessorin Kaufhold hat an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität den Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht. Ihr Studium hat sie zum Teil in Frankreich absolviert, einige Jahre arbeitete sie im Bundesjustizministerium. Sie ist Mitglied im Arbeitskreis Finanzmarktgesetzgebung beim Bundesfinanzministerium. Auch das Klimarecht ist einer der Forschungsschwerpunkte der 1976 geborenen Juristin.
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