Algen in der Ostsee: Mensch hat Erbgut merklich verändert
Algen und mikroskopisch kleine Einzeller treiben in unseren Meeren. Sie bilden das Phytoplankton, was nicht nur den Beginn etlicher Nahrungsketten bildet, sondern auch Sauerstoff produziert und gleichzeitig Kohlenstoff bindet. Es hat somit einen großen Einfluss auf das Weltklima.
Ein interdisziplinäres Forschungsteam unter Führung der Universität Konstanz hat jetzt untersucht, wie sich eine spezielle Algenart – die Kieselalge Skeletonema marinoi – in der Ostsee über die letzten 8.000 Jahre genetisch verändert hat. Die Kernfrage: Welchen Einfluss haben Klimaereignisse und der Mensch auf das Phytoplankton?
Bohrungen im Schlamm befördern altes Erbgut
Dazu führten die Forschenden Bohrungen auf dem Meeresboden der Ostsee im östlichen Gotlandbecken und dem Finnischen Meerbusen durch. "In dem abgelagerten Schlamm und Sand am Meeresgrund befindet sich sogenannte 'alte DNA", die nach dem Tod der Organismen über Jahrtausende im Sediment erhalten geblieben ist", erklärt Laura Epp vom Fachbereich Biologie an der Universität Konstanz. Die DNA-Überbleibsel wurden aufbereitet, um dann Vergleiche zwischen den Schichten und damit über die Zeit durchführen zu können.
Die Studienergebnisse zeigen, dass die genetische Zusammensetzung der Algenpopulationen über lange Zeiträume weitgehend konstant blieb. In vergangenen Klimaphasen wie dem Wärmemaximum des Holozäns (vor etwa 10.000 bis 6.000 Jahren) oder der Spätantiken Kleinen Eiszeit (vor etwa 1.400 bis 1.300 Jahren) gab es zwar zwischenzeitliche Veränderungen, früher oder später stellte sich jedoch immer wieder die ursprüngliche Zusammensetzung ein.
Veränderungen der DNA gehen mit menschlicher Aktivität einher
Erst in den letzten Jahrhunderten kam es zu deutlich schnelleren und bislang irreversiblen Veränderungen in der genetischen Zusammensetzung der Kieselalgen. "Diese fallen allerdings nicht direkt mit Phasen veränderter Temperatur zusammen, sondern mit Phasen erhöhter menschlicher Aktivität in der Ostsee – wie der Wikingerzeit, der Hansezeit oder der Industrialisierung", erklärt Alexandra Schmidt, die Erstautorin der neuen Studie.
Genetisch haben klimatische Ereignisse also die Kieselalgen nicht dauerhaft verändert, seitdem der Mensch aber auf der Ostsee aktiver ist, habe es eine merkliche Veränderung des Erbguts gegeben. Welchen Einfluss diese Veränderung hat, ist offen – doch sie unterstreicht unseren Einfluss auf die Natur. Ob die Algen wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückkehren, sei offen, so die Wissenschaftler.
Evolutionäre Dynamiken verstehen und Schutzmaßnahmen anpassen
Als mögliche Einflussquellen nennen die Forschenden die Schifffahrt, den Küstenbau oder den Nährstoffeintrag durch Landwirtschaft im Ostseeraum. "Selbst bei Organismen, die nicht direkt in irgendeiner Form von uns genutzt werden, kann das Erbgut also den Einflüssen menschlichen Handelns unterliegen. Wir können jetzt solche Effekte über Jahrtausende erforschen und aufdecken und die Informationen nutzen, um ökologische und evolutionäre Dynamiken besser zu verstehen und unsere Schutzmaßnahmen dem anzupassen", schließt Laura Epp.
Links/Studien
Die Untersuchung "Multi-Millennial Genetic Resilience of Baltic Diatom Populations Disturbed in the Past Centuries" ist im Fachjournal "Global Change Biology" erschienen.
idw/jar
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