Feldbett und Schlafsack statt Wohnheimplatz
Bezahlbare Zimmer für Studierende und Azubis sind rar. Der Wohnungsmarkt ist so angespannt, dass das Studierendenwerk inzwischen von "sozialer Auslese" spricht. Die Regierung will gegensteuern. Was geplant ist.
Es werden Schlafsäle auf dem Campus mit Feldbetten bereitstehen, aber "bringt bitte einen Schlafsack und eine Isomatte mit". So kündigt der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) des Karlsruher Instituts für Technologie eine seiner geplanten Notunterkünfte für Studierende an. Wer bis zum Beginn des kommenden Wintersemesters noch kein Zimmer hat und hier studiert, kann dort übergangsweise schlafen.
Wie prekär die Lage auf dem Wohnungsmarkt für Studierende ist, zeigen auch die Zahlen des Statistischen Bundesamts. Demnach geben Studierende mit eigener Haushaltsführung durchschnittlich 53 Prozent ihres Einkommens für die Miete aus. In der Gesamtbevölkerung sind es dagegen knapp 25 Prozent.
Studierendenwerk spricht von "sozialer Auslese"
Das Argument "Lehrjahre sind keine Herrenjahre" gelte nicht mehr, sagt Rahel Schüssler, Referentin vom "freien Zusammenschluss von Student*innenschaften" (fzs). "Es geht um die Frage: Kann ich mir ein Studium überhaupt noch leisten?" Zum neuen Semester sind die Kosten für ein WG-Zimmer auf ein Rekordniveau gestiegen. Durchschnittlich zahlen Studierende in Deutschland laut dem Moses Mendelssohn Institut (MMI) nun 505 Euro für ein WG-Zimmer. Die BAföG-Wohnkostenpauschale liegt mit 380 Euro deutlich darunter.
"Das ist eine soziale Auslese", sagt Matthias Anbuhl, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Studierendenwerks. "In welcher Stadt ich studiere, sollte von meinem Interesse und Talent abhängen. Aber anhand der Entwicklung der Mieten sehen wir, dass manche Städte für Studierende unerschwinglich werden." Die BAföG-Wohnkostenpauschale reiche in 70 der 88 analysierten Städte nicht mehr für die Miete eines WG-Zimmers, zeigt die Analyse des Moses Mendelssohn Instituts.
BAföG-Wohnkostenpauschale reicht nicht aus
Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, die BAföG-Wohnkostenpauschale auf 440 Euro zu erhöhen. Die Änderung soll zum Wintersemester 2026/27 kommen. "Das sind 60 Euro mehr als bisher und das ist ein Fortschritt. Nur ist es jetzt schon zu niedrig und 2026 erst recht", sagt Anbuhl.
Hinzu kommt: "Die Studierenden unterschätzen systematisch ihren BAföG-Anspruch", so Anbuhl. Viele hätten zudem Angst vor den Rückzahlungen, die meist deutlich höher eingeschätzt würden, als sie es am Ende tatsächlich sind. Im vergangenen Jahr sank die Zahl der BAföG-Empfänger auf den niedrigsten Wert seit dem Jahr 2000.
Laut einem Medienbericht der Rheinischen Post plant Bundesforschungsministerin Dorothee Bär eine umfassende Reform des BAföG zum Wintersemester 2026/27. Das Ziel sei, es "digitaler, einfacher und bekannter" zu machen.
Auch Auszubildende stark belastet
Auch für Auszubildende ist die Mietkostenbelastung hoch. Wie aus dem Ausbildungsreport 2025 des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hervorgeht, haben rund 63 Prozent der Auszubildenden Probleme, von ihrer Ausbildungsvergütung zu leben. "Es gibt Azubis, die nebenher jobben müssen oder auf das Geld der Eltern angewiesen sind. Das ist besorgniserregend. Deswegen muss insbesondere die Mindestausbildungsvergütung steigen", sagt Kristof Becker, DGB-Bundesjugendsekretär. Er fordert dazu auf, diese von derzeit 682 auf mindestens 834 Euro zu erhöhen.
Um günstigen Wohnraum für Auszubildende und Studierende zu fördern, gibt es seit 2023 das Programm "Junges Wohnen" als Teilbereich des sozialen Wohnungsbaus. Seitdem stellt der Bund den Ländern jährlich 500 Millionen Euro Zuschuss zur Modernisierung und zum Bau von Wohnheimplätzen zur Verfügung. Die Bundesregierung will die Mittel im kommenden Jahr verdoppeln.
Die Gelder aus dem Programm "Junges Wohnen" dürfen zugunsten anderer Projekte des sozialen Wohnungsbaus umgewidmet werden. Jedes Land soll zusätzlich eigene Mittel zur Finanzierung von Wohnraum junger Menschen zur Verfügung stellen.
Wohnheime für Studierende und Auszubildende
"Wir dürfen Studierende und Auszubildende jetzt nicht gegeneinander ausspielen", sagt Becker. Er fordert die Länder auf, die bereitgestellten Mittel zu 50 Prozent für Auszubildendenwohnheime und zu 50 Prozent für Studierendenwohnheime zu verwenden. Bei den Strukturen sieht Becker Verbesserungspotenzial: "Es gibt die Studierendenwerke, die sich unter anderem um die Wohnheime für Studierende kümmern. Für Auszubildende gibt es diese Strukturen nicht in gleichem Maße."
Auch das Abrufen der Mittel scheint nicht überall reibungslos zu klappen. 2023 und 2024 wurden in Bremen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt keine Wohnheimplätze für Studierende und Auszubildende mithilfe der Mittel für "Junges Wohnen" gefördert. Das geht aus den Angaben der Länder hervor, die das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen auf tagesschau.de-Anfrage übermittelte.
Gelder werden beispielsweise dann nicht abgerufen, wenn zu wenige private Investoren oder Wohnungsbauunternehmen entsprechende Anträge stellen. Das nachfrageorientierte Verfahren stelle sicher, dass konkrete Vorhaben auch tatsächlich realisiert werden können, teilte der Pressesprecher des Niedersächsischen Bauministeriums auf tagesschau.de-Anfrage mit.
Wie viel von dem abgerufenen Geld in den Ländern konkret in Azubi- und Studierendenwerke floss, konnte die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen nicht konkret benennen.
Doch die Regierung meldet Erfolge: Durch das Programm "Junges Wohnen" hätten sich die geförderten Wohnheimplätze 2024 im Vergleich zu 2023 mehr als verdoppelt, teilte der Sprecher des Bundesbauministeriums mit. Wurden im Jahr 2023 noch 4.176 Plätze durch die Gelder modernisiert oder neu gebaut, waren es im vergangenen Jahr 8.864.
Modernisierungen nötig
Neben neuen Wohnheimplätzen ist auch eine Sanierung der alten nötig: Fast ein Fünftel des abgerufenen Geldes aus dem Programm "Junges Wohnen" wurde in die Modernisierung von Wohnheimen gesteckt. "Wir kriegen von Studierenden gespiegelt, dass viele Wohnheime in schlechtem Zustand sind", sagt Schüssler, Referentin vom "freien Zusammenschluss von Student*innenschaften" (fzs). "Die Studierendenwerke haben nicht viel Geld, um zu sanieren."
Die geplanten Maßnahmen können eine erste Entlastung schaffen. Das generelle Problem des Wohnungsmarktes löst es aber nicht. Für Schüssler ist daher die langfristige Frage: "Wie schaffen wir es, dass die Mieten nicht so drastisch steigen wie in den letzten Jahren?" Das Ziel müsse sein, dass sie wieder sinken.
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