Warum bildende Künstler kaum von ihrer Kunst leben können
- Eine neue Studie zeigt: 90 Prozent der Künstler verdienen weniger als 20.000 Euro im Jahr und sind von Altersarmut bedroht.
- Es gibt Richtlinien für Honorare, doch gerade kleinere Kommunen können sich diese nicht leisten.
- Zudem gebe es ein Einstellungsproblem: In Museen setze man oft nur auf alte Meister statt auf aktuelle Kunst.
Nur jeder fünfte bildende Künstler kann ausschließlich von seiner künstlerischen Produktion leben. Das ist das Ergebnis einer Studie des Bundesverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler, der Stiftung Kunstfonds und der Prognos AG. Neunzig Prozent der Befragten erzielen ein jährliches Einkommen aus der künstlerischen Tätigkeit unter 20 000 Euro, sagt Kathleen Freitag von der Prognos AG.
Künstler mit Zweitjob für die Mietkosten
Auch die Dresdner Künstlerin Nadine Wölk geht mehreren Beschäftigungen nach. Sie unterrichtet und hat einen Zweitjob als Grafik-Designerin. "Je nachdem, was gerade dran ist, wird der Tisch freigeräumt und dann findet der Kurs statt", erklärt sie das produktive Chaos in ihrem Atelier.
Mit dieser Querfinanzierung hat sie sich eine gewisse Einkommensstabilität geschaffen – die sie dringend benötigt, denn die Miete ihres Ateliers und Zimmers kosten mehr als 1.000 Euro im Monat. Wenn man Kunst studiert, sagt sie, müsse man gleichzeitig über Finanzierung nachdenken. Das gehöre zum Erwachsenwerden dazu. Alimentiert zu werden oder auf Pump leben käme für sie nicht in Frage.

Mehr Informationen über die Studie
Die Studie "Von der Kunst zu leben. Die wirtschaftliche und soziale Situation Bildender Künstlerinnen und Künstler" wurde erstmals im gemeinsamen Auftrag des Bundesverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) und der Stiftung Kunstfonds von der Prognos AG durchgeführt.
In der Studie geht es unter anderem um Arbeitsbedingungen, die Auswirkungen der Corona-Pandemie oder um den steigenden Zwang, sich in den Sozialen Medien zu vermarkten.
Die quantitative Befragung wurde als Online-Befragung umgesetzt und fand von Februar bis Mai 2025 statt. Es nahmen 2.194 Personen teil, davon füllten 1.641 Personen, und damit 75 Prozent, die Befragung vollständig aus. Etwa zwei Drittel der Befragten gab an, weiblich zu sein. Das Durchschnittsalter lag bei 54 Jahren.
Altersarmut und geschlechtsspezifische Unterschiede
Die meisten Künstlerinnen und Künstler können nur Renten unter 800 Euro erwarten. Dazu kommt, dass Künstlerinnen außerdem geringere Einkommen als ihre männlichen Kollegen. Sie übernehmen häufig Care-Arbeit und sind öfter in Teilzeit tätig. Frauen werden zudem seltener als Männer von einer Galerie vertreten. Ein Großteil der bildenden Künstlerinnen und Künstler sei daher durch Altersarmut gefährdet, heißt es in der Studie aus Berlin.
Empfohlene Honorare zu teuer für kleine Kommunen
Es ist nicht die erste Studie dieser Art, hört man beim Sächsischen Landesverband Bildender Künstler. Dennoch ist man hier nicht untätig oder wartet gar passiv auf eine Erlösung. Schon 2012 erarbeitete der Landesverband eine Richtlinie zur Ausstellungsvergütung, die der Bundesverband übernahm. Noch konkreter wurde im vorigen Jahr eine Honorarkommission von Kulturministerium und den Landeskulturverbänden.
Für alle Sparten, also auch für Musiker und freie Theaterleute, wurden einvernehmliche Richtwerte formuliert. Beispielsweise mindestens 600 Euro für eine Einzelausstellung, 70 Euro Stundensatz für künstlerische Leistungen, mindestens 250 Euro für eine Performance.
Das jedoch könne nicht verbindlich sein, hält Lydia Hempel, Geschäftsführerin des Landesverbandes, dagegen. Denn insbesondere kleinere Kommunen können sich solche Honorare nicht leisten. Bei privaten Auftraggebern oder Ankäufen generell sieht es ähnlich dünn aus.
Mit Erscheinen dieser so genannten Honorarmatrix relativierte das Kulturministerium das auf den ersten Blick erfreuliche Ergebnis auch sofort wieder. Kosten würden drastisch steigen, der Freistaat Sachsen müsste seine Kulturförderung um mindestens zehn Millionen Euro erhöhen.
Alte Meister versus zeitgenössische Kunst
Neben dem finanziellen Dilemma beschreibt Nadine Wölk aber auch ein Einstellungsproblem, das nicht nur für das vergangenheitsorientierte Dresden gilt: "Sie sind stolz auf ihre Alten Meister und mit aktueller Kunst können sie überhaupt nichts anfangen."
Unverdrossen setzen sächsische Künstlerinnen und Künstler ihren Idealismus gegen magere Aussichten. In der Studie heißt es: Dass über die Hälfte der befragten älteren Künstler mehr als 40 Stunden die Woche arbeitet, und zwar nicht nur aus finanziellen Gründen sondern aufgrund ihrer Leidenschaft für den Beruf. Einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten, sei ihnen wichtig.

Den Künstler nicht nur als Sozialfall diskutieren
Den Künstler immer als Sozialfall zu diskutieren, findet auch Landesverbands-Geschäftsführerin Lydia Hempel nicht gut. Von Kursen und Unterricht zu leben, bedeute ebenso kulturelle Bildung in der Breite. Auch die stellvertretende Landesverbandsvorsitzende Grit Ruhland will nicht nur schwarzmalen.
Sie hat Bildhauerei studiert, über ästhetische Fragen der Wismut-Hinterlassenschaften promoviert und mittlerweile an fünf Hochschulen gelehrt. Auch bei ihr steht der Idealismus über den materiellen Sorgen. Sie möchte Teil der Modernisierung der Gesellschaft sein: "gerade eben mit dieser Erfahrung, mit wenig Ressourcen leben."
Quelle: MDR (Michael Bartsch für "Aufgefallen"), Stiftung Kunstfonds
Redaktionelle Bearbeitung: jb
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