• Der "Knödel-Exress" Prag-Berlin ist trotz Protesten schrittweise durch schnellere Züge mit modernen Bordbistros ersetzt worden.
  • Für den tschechische Schriftsteller Jaroslav Rudiš geht damit ein Kulturgut verloren.
  • Rudiš hat auf seinem "Stammplatz" im Speisewagen den Stoff für viele Geschichten gefunden.

Die tschechische Bahn (České dráhy) hat die letzte Verbindungen der Prag-Berlin-Linie mit dem ursprünglichen Speisewagen des Typs WRmz815 – auch "Knödel-Express" genannt – angekündigt. Am Sonntagnachmittag fährt der EC 170 noch einmal mit der althergebrachten Ausstattung vom Prager Hauptbahnhof ab und am Montagmorgen vom Berliner Hauptbahnhof zurück.

Schneller von Prag nach Dresden und Berlin

Damit ist Angaben der tschechischen Bahn zufolge die Modernisierung des Fuhrparks auf dieser Linie abgeschlossen. Seit Ende Juli waren die alten Züge schrittweise durch moderne Comfort-Jet-Züge ersetzt worden. Sie fahren 230 statt 200 Kilometer pro Stunde und können 100 Fahrgäste zusätzlich transportieren.

Die Fahrgäste können sich auch weiterhin auf ein leckeres Schnitzel oder einen Lendenbraten und frisch gezapftes Bier freuen.

Michal KrapinecGeneraldirektor der Tschechischen Bahn

Die neuen Züge böten mehr Komfort, besseren Service und in Zukunft auch kürzere Reisezeiten sowie eine neue Generation von Speisewagen, sagt Michal Krapinec, Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor der Tschechischen Bahn. Was sich bewährt habe, solle jedoch beibehalten werden, betont Krapinec. Auch die erstklassige Gastronomie: "Die Fahrgäste können sich also auch weiterhin auf ein leckeres Schnitzel oder einen Lendenbraten und frisch gezapftes Bier freuen.“

Europäisches Kulturgut geht verloren

Dass die Qualität die gleiche bleibt, bezweifelt zumindest Jaroslav Rudiš. Der tschechische Schriftsteller hatte zuvor bei MDR KULTUR für den dauerhaften Erhalt der traditionellen Speisewagen plädiert. Aus seiner Sicht handelt es sich beim legendären "Knödel-Express", in dem das Schnitzel noch in der Bordküche geklopft und das Bier frisch gezapft wurden, um ein Kulturgut von europäischem Rang.

Bekannt für die Kneipe auf der Schiene: Die Tschechische Bahn.Bildrechte: IMAGO/Manfred Segerer

Der "unglaublich tolle Service" mache aus einer Fahrt zwischen Prag, Berlin oder Hamburg erst wirklich eine Reise, so Rudiš. Der Zugewinn an Tempo und Kapazität geht für ihn zu Lasten der "alten Speisewagenkultur", die in Europa fast überall verloren gegangen sei.

Neben seinen Nostalgiegefühlen für die "rollende tschechische Kneipe", in der noch ein Wirt oder eine Wirtin über die Etikette – etwa ein weißes Tuch über dem Tisch – wacht, bangt Rudiš auch aus professionellen Gründen um seinen Speisewagen-"Stammplatz": "Ich hatte da viele nette Begegnungen, die ich später literarisch verarbeitet habe."

Menschen, Orte, Landschaften im Zug erkunden

Tatsächlich spielt das Bahnfahren im Œuvre von Jaroslav Rudiš eine große Rolle. Nach eigenem Bekunden ist es seine liebste Art, sich auf andere Menschen, Orte oder Landschaften einzulassen und ihre Geschichte zu erforschen. Seine zusammen mit dem Zeichner Jaromír 99 realisierte Graphic Novel um den hellsichtigen Eisenbahner "Alois Nebel" war nicht nur in seiner Heimat ein großer Erfolg.

Ich hatte da viele nette Begegnungen, die ich literarisch verarbeitet habe.

Jaroslav RudišSchriftsteller

Jaroslav Rudiš schreibt nicht nur über Züge, er lässt sich auch auf Zugreisen inspirieren und verfasst eine "Gebrauchsanweisung fürs Zugreisen".Bildrechte: Michael Ernst

In seinem Roman "Winterbergs letzte Reise" wird die Bahnfahrt eines Hundertjährigen zur Expedition in die kriegerische Geschichte Europas. Nicht zuletzt hat Rudiš, der einst selbst Lokführer werden wollte, eine "Gebrauchsanweisung fürs Zugreisen" veröffentlicht.

Die beliebten traditionellen Speisewagen werden laut České dráhy übrigens nicht ausgemustert, sondern künftig auf tschechischen Inlandsverbindungen und in Richtung Polen eingesetzt.

Quelle: MDR KULTUR (Annett Mautner), dpa, Ceske drahy, Redaktionelle Bearbeitung: ks, lm

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