So bewertet der Generalbundesanwalt den Anschlag von Magdeburg
Inhalt des Artikels:
- In welchen Fällen ist der GBA zuständig?
- Warum ist das beim Magdeburger Täter Taleb A. nicht der Fall?
- Gibt es Argumente, die eine Einstufung als staatsgefährdenden Terror rechtfertigen könnten?
- Wie sehen Betroffene die Entscheidung des Generalbundesanwalts?
- War Taleb A. von einer politischen Motivation getrieben?
- Was erfahren wir aus der Antwort des GBA noch über Taleb A.?
- Sprechen außer juristischen noch andere Gründe gegen ein GBA-Verfahren?
Anfang der Woche wurde bekannt: Der Generalbundesanwalt (GBA) wird das Verfahren rund um den Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt im Dezember 2024 nicht übernehmen. Auch nach erneuter Prüfung sieht man in Karlsruhe keinen Staatsschutzbezug. Über die Entscheidung wundern sich manche, auch Geschädigte.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zur GBA-Entscheidung:
In welchen Fällen ist der GBA zuständig?
Generell gilt: Staatliche Aufgaben umzusetzen ist Aufgabe der Bundesländer. Das regelt Artikel 30 im Grundgesetz. Auch Gerichtsverfahren gehören dazu. Nur in wenigen Ausnahmefällen darf der Bund ein Verfahren an sich ziehen. So begründet auch der GBA seine Ablehnung: Eine Übernahme des Verfahrens würde in die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern eingreifen.
Zuständig wird der GBA also nur bei Staatsschutzdelikten oder bei Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch. Dazu zählten beispielsweise die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat oder die Bildung einer kriminellen Vereinigung. Auch die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Spionage oder Landesverrat würden den GBA auf den Plan rufen. Entscheidend ist in jedem Fall: Eine Straftat muss die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik oder ihrer Verfassungsgrundsätze gefährden.
Warum ist das beim Magdeburger Täter Taleb A. nicht der Fall?
Aus Sicht des GBA wollte Taleb A. mit seiner Tat nicht die freiheitlich-demokratische Grundordnung, also das Wesen des deutschen Staates angreifen. Er sei stattdessen von persönlichem Frust und Rachegelüsten getrieben gewesen.
Zentraler Auslöser für die Tat sei ein jahrelanger Streit des Täters mit dem Verein Säkulare Flüchtlingshilfe in Köln gewesen, heißt es vom GBA. Mit dem Verein habe sich Taleb A. vor Gericht gestritten. Die Niederlagen, die er dabei erlitten hat, hätte er aufgrund einer narzisstischen Persönlichkeit als so kränkend empfunden, dass in ihm der Wunsch nach Rache gewachsen sei.
Zwar habe Taleb A. durchaus Drohungen gegen die deutsche Bevölkerung und den deutschen Staat ausgesprochen. Das bewerten GBA und Generalstaatsanwaltschaft Naumburg aber nicht als politisch motiviert, sondern wiederum als Ausdruck einer narzisstischen Persönlichkeitsstruktur: Es sei ihm damit vor allem um größtmögliche Aufmerksamkeit und Genugtuung gegangen.
Hinzu komme, dass Taleb A. allein gehandelt habe. Die Ermittlungen hätten keine Hinweise auf ein Netzwerk oder die Mitgliedschaft in einer Gruppierung ergeben. Letztlich spreche auch die Tatausführung als solche nicht für einen terroristischen Akt.
Gibt es Argumente, die eine Einstufung als staatsgefährdenden Terror rechtfertigen könnten?
Das Landgericht Magdeburg, das den Fall erneut dem GBA zur Prüfung vorgelegt hatte, lieferte einige solcher Gegenargumente. So habe Taleb A. seine Opfer und den Ort für seine Tat zufällig ausgewählt. Es sei ihm dabei um eine möglichst hohe Zahl an Todesopfern gegangen. Zudem habe er vor der Tat erklärt, die Deutschen insgesamt für den von ihm als ungerecht empfundenen Umgang mit saudischen Flüchtlingen bestrafen zu wollen. Er selbst sah sich zwar nicht als Einzeltäter. Die Ermittlungen konnten das jedoch nicht belegen.
Die Magdeburger Anwältin Petra Küllmei sieht die Entscheidung des Generalbundesanwalts kritisch. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Thomas Klaus vertritt sie inzwischen rund 100 Betroffene als Nebenkläger im anstehenden Prozess gegen Taleb A. Der Juristin zufolge hat der Täter zwar eine persönliche Motivation gehabt. "Das ist diese Abweisung, nicht gehört zu werden", so Küllmei. "Aber wenn ich sage, 'Alle Deutschen sollen büßen', dann ist es für mich eher Terror. Was der Täter wollte, ist für mich schon politisch."
Für Küllmei ist die Grenze zwischen Amoktat und staatsgefährdender Terror-Tat im Fall Magdeburg jedenfalls nicht einfach zu ziehen. Zumindest für das Strafmaß sei das auch nicht ausschlaggebend. "In jedem Fall geht es um Mord und versuchten Mord in vielen Fällen", so Küllmei weiter.
Wie sehen Betroffene die Entscheidung des Generalbundesanwalts?
Viele der Betroffenen tun sich nach Küllmeis Einschätzung schwer mit der Entscheidung des GBA. Nach allem, was über den Täter bekannt sei, sei für ihre Mandanten die politische Motivation der Tat klar, sagt die Anwältin.
Darum könnten sich Opfer von der Argumentation des GBA herabgesetzt fühlen. "Sie sagen, 'Wir sind nicht Opfer eines Terroranschlages, sondern nur Opfer einer Amok-Fahrt'. Und das ist für sie ein Minus, ein Manko."
War Taleb A. von einer politischen Motivation getrieben?
Unmittelbar vor der Tat hatte Taleb A. pauschal Drohungen gegen Deutschland und die Deutschen geäußert und dabei auch auf die nach seiner Ansicht verfehlte Flüchtlingspolitik abgehoben. Das Landgericht Magdeburg hatte das als möglicherweise staatsgefährdend bewertet.
Das sah der GBA anders. Nach Auffassung der Karlsruher Behörde habe die persönliche Frustration überwogen, ergänzt durch Aufmerksamkeitssucht und Narzissmus. Die Ermittlungen hätten daher keine Hinweise auf eine politische Motivation geliefert.
Richtig ist zwar, dass das Weltbild von Taleb A. auch von Islamkritik geprägt war. Ein in sich geschlossenes Bild aus politischen, ideologischen oder religiösen Überzeugungen ist wohl aber nicht ermittelt worden.
Was erfahren wir aus der Antwort des GBA noch über Taleb A.?
Taleb A. wird im Schreiben des GBA als ausgeprägter Narzisst charakterisiert. Die Rede ist von einem umfassenden Empathiemangel und einer menschenverachtenden Gesinnung. Dieser Feststellung liegen LKA-Ermittlungen, das psychiatrische Gutachten sowie eine Biografieanalyse des Bundeskriminalamts zugrunde.
Taleb A. sei bereits ab 2012 immer wieder in Streit geraten, mit Menschen aus seinem persönlichen und beruflichen Umfeld sowie mit staatlichen Stellen und Institutionen. Er gebe stets anderen die Schuld, wenn seinen Wünschen nicht entsprochen werde. Er neige dazu, Konflikte zu eskalieren, benehme sich arrogant und überheblich, fühle sich schnell gekränkt und ungerecht behandelt.
Nachdem Taleb A. vor Gericht im Streit mit dem Verein Säkulare Flüchtlingshilfe in Köln unterlegen war, hätten sich bei ihm paranoide Vorstellungen manifestiert. Er sah sich demnach im Zentrum einer gegen ihn gerichteten Verschwörung. Auf dem Höhepunkt eines anderen Konflikts soll sich Taleb A. telefonisch im Kanzleramt gemeldet und gedroht haben, zwei Richter zu erschießen.
Trotz allem gehen die Behörden nicht davon aus, dass Taleb A.s Psyche während der Tat erheblich getrübt war und er damit wohl schuldfähig ist.
Sprechen außer juristischen noch andere Gründe gegen ein GBA-Verfahren?
Dem GBA-Schreiben zufolge strebt Taleb A. weiterhin nach größtmöglicher Aufmerksamkeit. Das belegen auch seine Briefe an einzelne Opfer sowie Medien aus der Haft heraus. Eine Übernahme des Verfahrens durch den GBA und die Einstufung als staatsgefährdende Tat könnte vom Täter daher aufgrund seiner narzisstischen Persönlichkeit als Aufwertung und Genugtuung empfunden werden. Nicht auszuschließen ist womöglich auch, dass ähnlich veranlagte Täter-Typen sich dadurch motiviert fühlen könnten.
Bei diesen Überlegungen handelt es sich jedoch nicht um juristische Begründungen, weshalb sie in der nun vorliegenden Entscheidungen keine Rolle gespielt haben dürften.
MDR (Daniel Salpius)
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke