• Sperren für Autos bis zu 3,5 Tonnen - mehr Schutz erst 2026.
  • Zu spät für Beschaffung stärkere Sperren.
  • Kritik von Gartenpartei, Linke und SPD und Streit um die Verantwortung.

Nach der dramatischen Amokfahrt im vergangenen Jahr mit sechs Toten und mehr als 300 Verletzten wird der Magdeburger Weihnachtsmarkt auch 2025 nicht optimal geschützt. Um die dafür benötigte Sperrtechnik zu besorgen, genügt inzwischen die Zeit nicht mehr. Das geht aus einer nicht-öffentlichen Vorlage im Stadtrat hervor, die MDR Investigativ vorliegt. 

Sperren für Autos bis zu 3,5 Tonnen 

Die Vorlage wurde vergangene Woche beschlossen. Sie definiert die Schutzziele für den diesjährigen Weihnachtsmarkt. Doch anders als von Experten empfohlen, werden diese Sicherheitsvorkehrungen nur Fahrzeuge mit einem Gewicht bis maximal 3,5 Tonnen aufhalten können. Das bestätigte die Stadt auf Anfrage von MDR Investigativ. 

Überfahrten mit schwereren Fahrzeugen wie Transporter, Lieferfahrzeuge, Lkws oder Wohnmobile sollen lediglich erschwert, die "Wahrscheinlichkeit des Risikos für eine schadenserzielende Zufahrt reduziert" werden. Auch wolle man die "Hemmschwelle für potenzielle Täter erhöhen". Eventuelle Lücken des vergangenen Jahres würden durch zertifizierte mobile Sperren geschlossen.  

Mehr Schutz wäre "wünschenswert" gewesen 

Zuständig für die Eilvorlage ist das Dezernat für Ordnung. Dieses räumt in der Begründung selbst ein: ein Schutz vor Fahrzeugen bis zu 7,5 Tonnen wäre "wünschenswert gewesen".  

Das will man nun jedoch erst für den Weihnachtsmarkt 2026 umsetzen. Das bestätigte Michael Reif, Sprecher der Stadt Magdeburg, auf Anfrage von MDR Investigativ. "Für 7,5 Tonnen wäre jedoch ein zertifiziertes Zufahrtsschutzkonzept durch einen Sachverständigen erforderlich", so Reif weiter. Dafür reiche die Zeit nun nicht mehr. Der Markt beginnt laut Weihnachtsmarkt GmbH am 20. November. 

Zu spät für stärkere Sperr-Technik 

Vorausgegangen waren Empfehlungen des Bundesverbands Veranstaltungssicherheit (BVVS). Der BVVS hatte im Auftrag der Stadt das Sicherheitskonzept des Weihnachtsmarktes 2024 analysiert und gravierende Mängel insbesondere beim Zufahrtsschutz festgestellt, wie der MDR exklusiv berichtete.  

Um diese Empfehlungen auch umzusetzen, müsste die Stadt nach eigener Darstellung ein Vergabeverfahren durchführen. Aufträge für die Sperr-Technik könnten damit jedoch frühestens im November erteilt werden, argumentiert die Stadt in der Vorlage an den Stadtrat – laut BVVS zu spät. Das deckt sich mit Informationen von MDR Investigativ, wonach der Markt für Sperrmittel seit längerem leergefegt ist. 

Allerdings war bereits viel früher klar, dass zertifizierte Zufahrtsschutzsysteme fehlten, auch ohne das BVVS-Gutachten. Warum die Stadt mit deren Beschaffung sowie der Erarbeitung eines zertifizierten Zufahrtsschutzkonzeptes nicht früher gestartet ist und stattdessen zunächst das BVVS-Gutachten zum Weihnachtsmarkt 2024 abgewartet hat, fragen sich nun viele – auch im Stadtrat. 

Kritik von Gartenpartei, Linke und SPD 

"Der Stadtrat wurde von der Verwaltung in eine sicherheitsfachliche Entscheidung gedrängt, die eindeutig nicht in seine Zuständigkeit gehört", kritisiert Linksfraktionschef Dennis Jannack. Damit werde Verantwortung politisch verschoben. Und das, obwohl die Verwaltung wisse, dass ein höheres Schutzniveau notwendig sei. "Das ist unverantwortlich", findet Jannack, der auch im Sonderausschuss zur Aufarbeitung der Amokfahrt sitzt. 

Man hätte das Sicherheitskonzept viel eher auf den Weg bringen müssen, kritisiert auch Roland Zander, Fraktionschef der Gartenpartei im Stadtrat, gegenüber MDR Investigativ. Nun sollten die Stadträte ein "unqualifiziertes Sicherheitskonzept bis 3,5 Tonnen beschließen". Das habe die Mehrheit getan; seine Fraktion nicht. Er könne jeden verstehen, dem wegen der 3,5-Tonnen-Entscheidung mulmig werde: "Wir sind doch gar keine Fachmänner, die sagen könnten, 3,5-Tonnen-Sicherheit reichen aus", mahnt Zander und fragt: "Wer kann dafür hinhalten?" Was schwerer als 3,5 Tonnen sei, zum Beispiel ein großer Sprinter, fahre durch die jetzt vorgesehenen Sperren durch: "Das muss man so sagen. Und nachher sind wir in der Verantwortung", so Zander weiter. 

Auch SPD-Fraktionschef Thomas Wiebe betonte MDR Investigativ, der Stadtrat müsse bei dieser Entscheidung der Expertise der Stadtverwaltung vertrauen. Er sieht aber auch das Land in der Pflicht: "Grundsätzlich ist es bedauerlich, dass das Innenministerium die Kommunen nach wie vor alleine lässt. Terrorabwehr kann und darf nicht Aufgabe der Kommunen sein." 

Streit um Verantwortung 

Tatsächlich hatte zunächst die Stadt die Schutzziele für den künftigen Weihnachtsmarkt formuliert. Die Verantwortung wollte man dafür nun aber offenbar nicht allein tragen: Im Oktober ließ man sich die Schutzziele vom Stadtrat absegnen. Ein Vorgehen, mit dem sich offenbar zahlreiche Stadträte unwohl fühlen. 

Interessant ist die Eilvorlage unterdessen auch hinsichtlich der Verantwortungsfrage. Offenbar betrachtet sich die Stadtverwaltung nun als zuständige Stelle für Zufahrtsschutz. Im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Landtags hatten sich Stadt, Veranstalter und Polizei die Verantwortung dafür noch gegenseitig zugeschoben. 

Den nun beschlossenen Schutz soll jetzt die Stadtverwaltung gewährleisten, in ihrer Eigenschaft als Sicherheitsbehörde. Die Grundsatzfrage ist laut Stadt "noch nicht abschließend geklärt”. Hierzu seien Gespräche mit der Landesverwaltung erforderlich. 

Recherche: Jana Merkel, Daniel Salpius, Anja Neubert / Redaktion: Marcus Engert 

MDR (Daniel Salpius) | Erstmals veröffentlicht am 11. Oktober 2025

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