MDR AKTUELL: Oberst Frerichs, wie erleben Sie die Debatten um die Wehrpflicht?

Oberst Kim Oliver Frerichs: In Erfurt sind wir verantwortlich für die Nachwuchsgewinnung aus Sachsen und Thüringen für Gesamtdeutschland. Wir spüren die unruhigen Zeiten sehr deutlich, weil natürlich mit einem Aufwuchs von Wehrdienstleistenden auch ein Aufwuchs der Organisation erforderlich ist. Man muss vielleicht in die Fläche gehen, was noch nicht entschieden ist. Man muss Personal bewegen, so dass unsere Mitarbeitenden, zivil und militärisch, natürlich große Herausforderungen und Unruhe verspüren.

Wenn ich auf die Bewerbenden schaue, dann merken wir ein deutliches Interesse. Wir haben im Bereich Karrierecenter Erfurt einen deutlichen spürbaren Anwuchs von Bewerbenden, von Interesse, von Einplanung und Einstellungen. Ich kann nicht sagen, dass ein Strom abreißt. In diesen schwierigen sicherheitspolitischen Zeiten kommen auch mehr Bewerbungen.

Könnte das reichen, um das Kontingent zu füllen, das sich der Bundesverteidigungsminister vorgenommen hat? 

Ich habe Zahlen gehört vom Verteidigungsminister, aber noch keine offiziellen. Ich glaube, dass es sehr schwierig wird, rein freiwillig alle Bedarfe der Bundeswehr zu decken, aber das ist nur die Perspektive aus Erfurt. Vielleicht ist es in anderen Bereichen des Landes einfacher. 

Wie muss man sich ein Karrieregespräch bei Ihnen vorstellen? Welche Fragen werden da gestellt?

Wir müssen zwei Dinge unterscheiden. Einmal die sogenannte Beratung, das ist der Erstkontakt, wo ein Bewerbender kommt und die Frage stellt, was es bei der Bundewehr gibt. Da zeigen wir zivile oder militärische Möglichkeiten auf: verschiedene Laufbahnen, Offizier, Feldwebel, Mannschaften. Verschiedene Tätigkeiten, Heer, Luftwaffe, Marine – also erstmal reine Information.

Dann kristallisiert sich irgendwann raus, dass es ein gewisses Interesse gibt. Wir versuchen drei Kernwünsche mit dem Bewerbenden zu erarbeiten, um zu sagen: Das sind die drei Hauptinteressen, die sie haben.

Steht die Landesverteidigung ganz oben als großes Motiv?

Bei einigen schon. Wir haben die Reichweite von "Ich habe Interesse an einer Überbrückung bis zum Studium", also monetäre Interessen. Oder: "Ich habe Interesse, was für mein Land zu tun". Oder auch: "Ich möchte eine günstige, gute Ausbildung haben." "Ich möchte Verantwortung haben. Ich möchte führen. Ich möchte Soldat sein." Es ist alles dabei. 

Sieben Sie diejenigen aus, die bloß aus monetärem Interesse zu Ihnen kommen?

Wer rein monetär zu uns kommt, das wäre schade. Aber wir haben lieber ehrliche, die dann ihre Pflicht erfüllen, weil wir durchs Soldatengesetz zu Pflichten gezwungen werden. Das ist so wie bei zivilen Arbeitgebern: Wer seine Aufträge erfüllt, bekommt sein Geld. Und es wäre schön, wenn es eine ideologische Motivation gäbe. 

Man sieht jetzt viel Bundeswehrwerbung auf Plakaten und im Netz sowieso. Ist das ein Aspekt, der von Ihnen bislang nicht so beachtet und betreut wurde? 

Doch, die Werbung war schon immer in der Fläche. Aber ich gebe Ihnen ein Beispiel. Jeder aus Sachsen und Thüringen, der Soldat auf Zeit, der länger als zwei Jahre zur Bundeswehr will, muss nach Erfurt. Das ist nicht sehr attraktiv. Wir versuchen das dann zum Beispiel in mehreren Standorten in beiden Bundesländern anzubieten. Das wäre eine Option, die aber, weil es eine Stationierungsentscheidung ist, auf ministerieller Ebene entschieden werden muss. Darauf warten wir. Das wird aber in den nächsten Monaten kommen. 

Freuen Sie sich tatsächlich über jeden Freiwilligen oder dann doch eher über die, die in der Bundeswehr eine Berufung sehen, die Profis?

Ich will nicht sagen, dass Wehrpflichtige keine Profis werden können. Wir bilden aus für verschiedene Tätigkeiten bis zum professionellen Level. Je mehr Profis wir haben, desto besser. Ob sie dann lange bei uns bleiben oder nicht, ist aber nicht so entscheidend, sondern sie müssen lange einsatzbereit bei uns bleiben. Vielleicht ist lange und alt gar nicht gut. 

Das Interview führte Sven Kochale.

MDR/Reuters (lik)

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