Briefe vom Magdeburg-Attentäter: Justizminister wollen Opferdaten besser schützen
- Im Juli hatte Taleb A. mehreren Opfern Briefe aus der Haft geschrieben.
- Sachsen-Anhalt will diese Form der Kontaktaufnahme nun gesetzlich unterbinden und bekommt Unterstützung von der Justizministerkonferenz.
- Seelsorger warnen vor Schreiben der Täter an ihre Opfer.
Für die Opfer war es mitunter ein Schock. Im Juli bekamen mehrere Personen, die den Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt erlebt und überlebt hatten Post. Der Absender: Taleb A., der Mann, der auf dem Weihnachtsmarkt über 300 Menschen verletzt hatte, sechs von ihnen tödlich.
Sachsen-Anhalt mit Vorstoß für Gesetzesänderung
Die Justizminister der Länder wollen sich nun auf Initiative von Sachsen-Anhalt für Gesetzesänderungen einsetzen, damit so etwas künftig nicht mehr passieren kann. Das haben die Minister am Freitag bei ihrer Konferenz in Leipzig beschlossen. Die Daten von Opfern und Zeugen sollen in Zukunft besser geschützt werden. Der Bund soll nun prüfen, wie die Rechte von Zeugen und Opfern verbessert werden können.
Justizministerin Weidinger (CDU) will sich für einen besseren Schutz der Opfer einsetzen.Bildrechte: imago images/Christian SchroedterSachsen-Anhalts Justizministerin Franziska Weidinger (CDU) erklärte: "Der Schutz von Opfern und Zeugen im Strafprozess ist nicht verhandelbar. Es darf nicht sein, dass Betroffene befürchten müssen, etwa durch eine Kontaktaufnahme von Tätern, in Angst oder psychische Belastungen gestürzt zu werden."
Der Anschlag in Magdeburg habe gezeigt, dass deutlicher Nachbesserungsbedarf besteht. "Wenn Täter nach der Tat ohne Weiteres direkten Zugriff auf persönliche Daten von Zeugen oder Geschädigten aus den Verfahrensakten erhalten, ist das aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht hinnehmbar", so Weidinger.
Es darf nicht sein, dass Betroffene befürchten müssen, (...) in Angst oder psychische Belastungen gestürzt zu werden.
Mit dem Beschluss der Justizministerkonferenz vom Freitag soll Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) zu entsprechenden Reformen bewegt werden. Dem Justizministerium Sachsen-Anhalt zufolge soll es etwa künftig einfacher möglich sein, anstelle der privaten Adresse eine andere Anschrift zu verwenden. So könnten ungewollte Kontaktaufnahmen durch den Beschuldigten vermieden werden.
Kontaktaufnahme kann zu Re-Traumatisierung führen
Die Briefe von Taleb A. hatten im Juli für Angst, Empörung und Unverständnis gesorgt. Eine Seelsorgerin, die die Opfer des Anschlags in Magdeburg betreut und namentlich nicht genannt werden möchte, sagte: "Ungefragt werden die Menschen vom Täter wieder eingenommen. Keiner der Betroffenen, mit denen ich Kontakt hatte, ist an einer Entschuldigung interessiert".
Ungefragt werden die Menschen vom Täter wieder eingenommen. Keiner der Betroffenen, mit denen ich Kontakt hatte, ist an einer Entschuldigung interessiert.
Ein Betroffener sagte MDR SACHSEN-ANHALT damals, es sei für die Verarbeitung des Anschlags ein Schritt zurück gewesen. "Wir waren schockiert als wir aus dem Urlaub nach Hause kamen und den Brief im Briefkasten fanden. Wie kann ein Mörder an die Adressen der Überlebenden kommen? Das gibt es echt nur in Deutschland."
An die Adressen kam Taleb A. vermutlich über seinen Anwalt. Die Daten der Opfer sind Teil der Prozessakten.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Rüdiger Erben, hatte vor einer erneuten Traumatisierung der Opfer gewarnt. Die Staatsanwaltschaft hätte seiner Ansicht nach zunächst selbst Kontakt mit dem Opfer aufnehmen können – ohne den Brief weiterzuleiten.
Prozess beginnt am Montag
Das Verfahren zum Anschlag in Magdeburg wird am 10. November beginnen. Bis Mitte März haben die Richter 47 Termine geplant – weitere Termine sind möglich.
Dem Attentäter wird der Mord an sechs Personen, der versuchte Mord an 338 Personen sowie gefährliche Körperverletzung in 309 Fällen vorgeworfen. Ihm droht laut Landgericht eine lebenslange Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung.
Für den Prozess gegen ihn ist in Magdeburg ein temporäres Gerichtsgebäude errichtet worden. Es ist insgesamt rund 4.700 Quadratmeter groß, der Gerichtssaal 2.000 Quadratmeter. Er bietet Platz für rund 700 Menschen und erfüllt höchste Sicherheitsstandards.
dpa, MDR (Dennis Blatt, Lars Frohmüller, Christoph Dziedo) | Erstmals veröffentlicht am 05.11.2025
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