• Es gibt eine breite Zustimmung zum Klimaschutz, aber auch Sorgen vor den Folgen von Klimaschutzpolitik
  • Die Gesellschaft unterteilt sich in fünf Gruppen mit unterschiedlichem Klimabewusstsein
  • Für eine gelungene Klimapolitik sollten die Debatte darüber nuancierter geführt und die Sorgen der Menschen adressiert werden.

Das Klimabewusstsein der Deutschen ist ausgeprägter, als es die Debatte vermuten lässt. In einer groß angelegten Studie kommen die Forscher des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) zu dem Ergebnis, dass sich über 70 Prozent der Bevölkerung Sorgen machen über negative Folgen des Klimawandels. Eine deutliche Mehrheit wünscht sich sogar, dass die Politik beim Klimaschutz aktiver wird. 

Jedenfalls theoretisch. Denn so klar wie die Zahlen auf den ersten Blick erscheinen, sind sie dann doch nicht. Auf der einen Seite gebe es einen großen Zusammenhalt, etwa wenn es darum gehe, den Klimawandel als Problem wahrzunehmen, sagt Nils Teichler, einer der Studienautoren. "Wir sehen in dieser Forderung nach mehr Klimaschutz aber auch, dass es Gruppen gibt, die zugleich große Sorgen haben, dass die Klimapolitik negative Folgen für sie und auch für die Wirtschaft haben kann."  

Die Entschlossenen gegen die Ablehnenden

Die Forschenden haben insgesamt fünf Gruppen ausgemacht, die sich in ihrem Klimabewusstsein unterscheiden. Am einen Ende stehen die besonders klimabewussten Entschlossenen, am anderen die besonders transformationskritischen Ablehnenden. Beide kämpfen um Einfluss auf die Gruppen, die zwischen ihnen stehen: die Besorgten, die Zustimmenden und die Indifferenten. Dieser Konkurrenzkampf, so der Befund, blockiert den Klimaschutz.

In wessen Richtung das Pendel ausschlägt, hängt aber nicht nur am Klimabewusstsein. So unterscheidet die Studie die Gruppen auch nach politischen Vorlieben und sozio-ökonomischen Merkmalen. Während die Entschlossenen den Grünen zuneigen, stehen die Ablehnenden eher der AfD nahe. Vereinfacht gesagt verläuft das Spektrum zudem von jünger, gebildeter und urbaner zu älter, ländlicher und formal weniger gebildet. Auch gibt es Unterschiede zwischen West und Ost. So sind Ostdeutsche etwa in der Gruppe der Ablehnenden besonders häufig vertreten.

Kleinste Gruppe mit großer Wirkmacht

Mit nur acht Prozent Anteil an der Gesamtbevölkerung sind die Ablehnenden die mit Abstand kleinste der fünf Gruppen. Und doch nimmt sie eine Sonderrolle ein, weil sie politisch sehr aktiv ist, wie Autor Nils Teichler erklärt. "Wir sehen, dass ihre Positionen zu Klimaschutz und Klimawandel gerade in den sozialen Medien repräsentiert werden, mitunter auch mit Falschinformationen". Es bestehe also die Gefahr, dass die Gruppe medial überrepräsentiert wird und den öffentlichen Diskurs auf die negativen Folgen der Klimapolitik lenkt.

Es geht nur zusammen

Der Bericht stellt fest: Soll die ökologische Transformation gelingen, müssten bestehende Mehrheiten mobilisiert und neue Koalitionen geschmiedet werden. Der dafür nötige gesellschaftliche Zusammenhalt scheitert laut FGZ-Forscher Teichler derzeit aber vor allem daran, dass viele Menschen Sorge hätten, mit den Folgen und Zumutungen der Klimapolitik allein gelassen zu werden. Diese Sorgen gelte es, zu adressieren, "damit der Wandel in der Gesellschaft als etwas erlebt wird, das gestaltet wird".

Für die Politökonomin und Transformationsforscherin Maja Göpel ist das eine der zentralen Botschaften des neuen FGZ-Berichts. Es sei wichtig, den Menschen zu erklären, wo die Reise eigentlich hingehe. "Vor allem ist es aber wichtig zu erklären, warum sich diese Reise lohnt und was sie mittelfristig auch an Besserungen mit sich bringt."

Göpel betont den Wert der Studie für die öffentliche Debatte. Umfragen lieferten häufig das Ergebnis, dass nur noch etwa 30 Prozent der Deutschen eine ambitionierte Klimapolitik unterstützten. "Wenn ich Klimapolitik wichtig finde, wäre ich dann in der Minderheit. Befragt man aber individuell, wie jetzt in dieser Studie, sind es eigentlich 70 Prozent, die sagen, 'wir brauchen da noch mehr'. Dieses ehrliche und genaue Hingucken auf das, was die Menschen wirklich wollen, ist eine ganz wichtige Grundlage für den Diskurs." Das Gefühl, zur Mehrheit zu gehören, motiviere die Menschen, so Göpel.

Keine Dafür-Dagegen-Debatte

Auch Jérémie Gagné, Forschungsleiter der Organisation "More in Common" stellt die Ableitungen heraus, die man aus dem Zusammenhaltsbericht für den Diskurs ziehen kann. Klimaschutz werde in Deutschland häufig diskutiert wie eine Dafür-Dagegen-Debatte. Für viele Menschen greife das aber offensichtlich zu kurz, so Gagné. "Wenn Akteure dann eine Dafür-Dagegen-Logik vorschlagen, dann wird manchmal an dem, was Menschen wirklich umtreibt, vorbeidiskutiert." Der Forscher sagt: Um zu guten Lösungen zu kommen, müssten Debatten wie die um den Klimaschutz nuancierter geführt werden.

Der Forschungsbericht des FGZ ist heute Abend Thema auf einer Podiumsdiskussion, zu der das Zukunftszentrum Deutsche Einheit und Europäische Transformation sowie der Mitteldeutsche Rundfunk in in die Franckeschen Stiftungen in Halle einladen.

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