Wie es um die deutsche Bürokratie wirklich steht
- Die Anzahl der Vorschriften in Wirtschaft und Verwaltung nimmt immer weiter zu. Überraschend ist dabei, dass die Unternehmen trotzdem weniger Geld für Bürokratie ausgeben müssen.
- Besonders die Länder und Kommunen ächzen unter der Umsetzung; besonders die Digitalisierung treibt die Verwaltung der Kommunen um.
- Ziel des "Entlastungskabinetts" ist es, 16 Milliarden Euro an Bürokratiekosten einzusparen. Experten halten die Kapazitäten dafür für nicht ausreichend.
Ein Satz, den kaum einer sagt: Bürokratie ist eine feine Sache. Dabei stimmt er. Bürokratie kann dafür sorgen, dass ein Land funktioniert.
Das findet auch die Frau, die als Vize des Normenkontrollrats Bürokratie abbauen soll, Sabine Kuhlmann: "Also ich glaube, eine rechtsstaatliche Verwaltung, eine funktionierende Demokratie braucht bürokratische Regeln. Das ist ganz klar. Das heißt aber nicht, dass es in Deutschland nicht ein Zuviel an Bürokratie gäbe."
Bürokratiekosten sinken, Anzahl der Vorschriften steigt
Doch wieviel ist zu viel? Das Statistische Bundesamt führt seit 2012 einen Index, der Bürokratiekosten für Unternehmen misst. Heute liegt dieser offizielle Index vier Prozent niedriger als zu Beginn der Messung. Das überrascht, denn die Regeln werden immer mehr.
Stefan Wagner vom ifo-Insitut hat nachgezählt: "Es ist so: Vor 15 bis 16 Jahren war der Umfang der deutschen Gesetzgebung noch bei rund 24.000 Seiten. Mittlerweile sind wir bei knapp 40.000 Seiten. Also man sieht: Es steigt deutlich an. Und viel von dem Wachstum ist tatsächlich von Wirtschaftsrecht und Verwaltungsrecht getrieben."
Verkorkste Digitalisierung: Länder und Kommunen werden mit Verwaltung allein gelassen
Das führt bei den meisten Bürgern zu dem Eindruck: Es wird zu viel. Damit die Bürokratiekosten im Rahmen bleiben, digitalisiert der Staat seine Verwaltung.
Aber der Staat mache das schlecht, findet Verwaltungswissenschaftlerin Gisela Färber. Sie ärgert, dass bundesweite Regeln von klammen Ländern und Kommunen in eigenen Verfahren umgesetzt werden: "Es macht überhaupt keinen Sinn, wenn jede Kommune 25.000 Euro pro Fachverfahren ausgibt und jeder sein eigenes hat. Also das ist einfach Bullshit, Entschuldigung. Es ist eine verkorkste Digitalisierungsreform gewesen."
16 Milliarden Euro weniger Verwaltungskosten: Kabinett wird Ziel nicht erreichen
Färber findet: Für Anträge wie Wohngeld müsse es einheitliche Internetportale geben. Auch das Log-In-Verfahren sollte überall vergleichbar sein. Für solche Ideen hat die Bundesregierung das sogenannte Entlastungskabinett gegründet. Im November lockerte es beispielsweise Berichtspflichten und vereinfachte Antragsverfahren. Unter dem Strich will die Regierung 16 Milliarden Euro an Bürokratiekosten einsparen.
Reichen die Beschlüsse dafür aus? Nein, sagt Normenkontrollratsvize Kuhlmann: "Das ist jetzt kein durchschlagender Entlastungsschritt. Das kann nur ein Teilschritt auf einer langen Wegstrecke sein und man müsste eigentlich, wenn man die 16 Milliarden erreichen will, noch 100 Entlastungskabinette machen in diesem Ausmaß."
Mehr Fairness bedeutet mehr Bürokratie
Bürokratie-Abbau ist schwierig. Denn es gibt immer jemanden, dem eine Regel wichtig ist. Und Bürokratie beginnt oft mit dem Anspruch, es möglichst vielen recht zu machen. Stefan Wagner vom ifo-Insitut sagt: "Jede Ausnahme, die auf mehr Fairness zielt, schafft natürlich umfangreichere Regulierungen und mehr Komplexität am Ende des Tages. Insofern wäre ich vorsichtig, mit dem Finger auf bestimmte Parteien oder Institutionen zu zeigen. Es ist wirklich das Problem, durch mehr Ausnahmeregelungen für mehr Fairness sorgen zu wollen, das Probleme schafft."
Ganz ohne Bürokratie wird es nicht gehen. Aber Regeln ließen sich trotzdem vereinfachen, meint auch Wagner. Wie tiefgreifend die Regierung das schafft, bleibt offen.
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