Wie Wut Antrieb für soziales Engagement sein kann
- Carolin Münch gründete 2007 den Verein "Bon Courage" in Borna, der sich später unter anderem mit Frauenarbeit etabliert hat.
- Die Initiative für Frauen entstand aus dem Bedürfnis nach Austausch und Gemeinschaft; heute organisieren sich die Frauengruppen selbst.
- Trotz unsicherer Finanzierung schafft der Verein Räume für Integration, Begegnung und Zusammenhalt, zum Beispiel durch Feste.
Für Carolin Münch ist ihr Beruf als Sozialarbeiterin weit mehr als klassische Lohnarbeit. Den Verein "Bon Courage" in ihrer Heimatstadt Borna südlich von Leipzig hat sie 2007 mitgegründet, mit gerade einmal 16 Jahren damals. Lange Zeit brachte sie sich hier ehrenamtlich ein, organisierte vor allem Projekte für geflüchtete Menschen. Über die Jahre ist der Verein deutlich gewachsen. Und bald wurde die Arbeit mit Frauen ein wichtiger Schwerpunkt.
Damals fing das ganz niedrigschwellig an, dass die Frauen gesagt haben: 'Wir brauchen mehr Kontakt, wir wollen uns treffen, regelmäßig.'
"Wir haben von Anfang an den Ansatz verfolgt, auf die Bedarfe der Menschen zu reagieren", erklärt Münch. 2012 habe dann ein Treffen mit Politikerinnen, einem Frauen- und Kinderschutzhaus im Landkreis Leipzig und mit geflüchteten Frauen stattgefunden. "Damals fing das ganz niedrigschwellig an, dass die Frauen einfach gesagt haben: 'Wir brauchen mehr Kontakt, wir wollen uns regelmäßig treffen'", erinnert sich Münch.
Verein gibt migrantischen Frauen ein Zuhause
Viel Einsamkeit habe da auch eine Rolle gespielt. "Ich merke das in den Beratungen, dass das ganz oft Thema ist, dass die Frauen sich in der Gesellschaft so ausgeschlossen fühlen, wie schwer es für die Frauen ist, hier in Arbeit zu kommen. Und dann braucht es eben Räume, um sich über diese Erfahrungen, diese Ablehnung aufgrund allein ihrer Herkunft – ihres Aussehens, ihrer Migration – auszutauschen."
Diana Carolina Murillo Rojas hat mit den "Bunten Seelen" so etwas wie eine Familie gefunden.Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNKMit der Zeit kamen immer mehr Ideen für gemeinsame Aktivitäten dazu: Gemeinsam Sport machen, basteln, kochen, Ausflüge unternehmen, Deutschland kennen lernen. Drei Frauengruppen haben mittlerweile bei Bon Courage ein Zuhause gefunden. Eine davon hat sich den Namen "Bunte Seelen" gegeben. Hier kommen überwiegend spanischsprachige Frauen zusammen, aus Venezuela, Kolumbien und anderen Ländern. Sie sind aus verschiedenen Gründen nach Deutschland geflüchtet oder umgezogen.
Borna ist klein. Aber ich habe schon fast meine Familie gefunden hier.
Auch für Diana Carolina Murillo Rojas ist die Gruppe ein Grund, in Borna zu bleiben statt in eine größere Stadt zu ziehen. Sie kommt aus Bogotá – der Hauptstadt von Kolumbien mit rund acht Millionen Einwohnern. "Borna ist klein", sagt sie, "aber ich habe schon fast meine Familie gefunden hier." Die alleinerziehende Mutter zweier kleiner Kinder hat die "Bunten Seelen" mit anderen spanischsprachigen Frauen gegründet. Willkommen seien aber alle, betont sie. Viele Gruppen bei Bon Courage liefen mittlerweile selbstorganisiert, erklärt Münch.
In der Gruppe "Bunte Seelen" kommen vor allem spanischsprachige Frauen zusammen.Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNKSo können sich Carolin Münch und ihre hauptamtlichen Mitstreiterinnen darauf konzentrieren, in Sprechstunden zu asyl- und aufenthaltsrechtlichen Fragen zu beraten. Die Gruppen unterstützen sie eher im Hintergrund, bei Projektanträgen, Finanzplänen und Sachberichten – oder wenn es mal zu Konflikten kommt. Dabei hat der Verein selbst regelmäßig mit der unsicheren Förderlandschaft zu kämpfen. "Wir sind jetzt in der gleichen Situation wie jedes Jahr", sagt Münch. "Wir haben Ende des Jahres, wir wissen nicht, wie geht es mit uns als Verein ab Januar weiter? Wie bezahlen wir die Miete, wie bezahlen wir unsere Personalstellen?"
Verein sucht jedes Jahr nach Finanzierungsquellen
Derzeit suchen sie vor allem nach staatlich unabhängigen Fördermöglichkeiten. Entmutigen lässt sich Münch jedenfalls nicht. Irgendwie sei es immer weitergegangen, sagt sie. Und sie weiß, wofür sie kämpft.
Man kann Wut sehr positiv umwandeln.
In Sprechstunden berät Carolin Münch zu asyl- und aufenthaltsrechtlichen Fragen - oft von professioneller Sprachmittlung begleitet.Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK"Wut hat mir immer Antrieb gegeben. Wut auf die Nazis, die uns als Jugendliche damals verprügelt haben in Borna", erinnert sich Münch. Als Opfer rechter Gewalt seien sie damals nicht anerkannt worden. Das alles habe zum Entschluss geführt, einen Verein zu gründen. "Und ich finde, Wut ist ein sehr positives Gefühl. Also man kann Wut sehr positiv umwandeln."
Inzwischen freut sich Münch über die große Unterstützung, die sie und ihre Mitstreiterinnen erfahren. Und sie freut sich zu sehen, "wie viel Menschen durch den Verein an Freiheit gewinnen, an Selbstbestimmung gewinnen, das gibt mir alles Motivation, wenn ich das sehe." Sie sehe jeden Tag, zu welchem Ergebnis ihre Arbeit führe, resümiert Münch.
Vereinsarbeit in der Stadtgesellschaft angekommen
Inzwischen sind die Aktivitäten von Bon Courage in der Stadtgesellschaft angekommen. Die arabischsprachige Frauengruppe "Kompass" ludt dieses Jahr erstmals zum muslimischen Zuckerfest – in Kooperation mit der Stadt. Carolin Münch war selbst überrascht, wie viele Deutsche und Nicht-Muslime aus Borna kamen und Interesse zeigten. "Es war das erste Mal, wo ich wirklich so ein Zusammenkommen zu einem der größten muslimischen Feste gesehen habe."
Wichtig sei, dass es beim Thema Migration nicht nur um Probleme gehe, betont Münch. Denn das übertrage sich auch auf die Gesellschaft. Dass dieses Jahr erstmals in Borna Einbürgerungen öffentlich gefeiert wurden, sieht Münch als wichtigen Meilenstein. Der Veranstaltungssaal sei gut gefüllt gewesen mit Nachbarinnen, Freunden und Kolleginnen. "So kann Zusammenhalt funktionieren", ist Münch überzeugt.
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