Neue Brecht-Professorin Wenzel: Das Selbst ist kreatives Material
- Olivia Wenzel sieht in der Literatur die Möglichkeit, ihr Selbst zu hinterfragen und zu thematisieren.
- Sie beobachtet sei mehreren Jahren eine Veränderung der Themen in der deutschen Literatur.
- Seit Montag ist sie die neue Bertolt Brecht Gastprofessorin an der Universität Leipzig.
Im Schreiben sieht die Autorin und Dramatikerin Olivia Wenzel die Möglichkeit, sich mit dem Selbst zu befassen – und damit, in welchem Spannungsverhältnis es sich täglich befindet. Im Gespräch mit MDR KULTUR sagte sie, sie wolle in ihrem Amt als Bertolt Brecht Gastprofessorin der Universität Leipzig Studierende dazu anhalten, sich dieses Selbst anzusehen sowie auch den Konsum von Internet und wie man sich darin bewege. Sie wolle zeigen, was es bedeute, "sich selbst sehr behutsam als Material des eigenen Schaffens, Schreibens ernst zu nehmen und damit auch umzugehen".
Wenzel beobachtet Veränderung in der Literatur
In den vergangenen Jahren habe sie sich selbst als Material benutzt – das sei zum Teil hart, zum Teil auch therapeutisch gewesen. So habe sie auch viele Rassismus-Erfahrungen in ihre Texte einfließen lassen. Wenzel wurde 1985 in Weimar als Tochter einer ostdeutschen Mutter und eines sambischen Vaters geboren. Ihr preisgekrönter Debüt-Roman "1000 Serpentinen Angst" (2020) verhandelt ihre Erfahrungen als schwarze Frau in der ostdeutschen Provinz.
Olivia Wenzels Roman "1000 Serpentinen Angst" handelt von ihren Erfahrungen als Schwarze in Ostdeutschland.Bildrechte: S. FischerIhre Perspektive als Schwarze Frau in Deutschland sei diskriminierungs- und rassismussensibel, dennoch sei dies kein dogmatischer Überbau des Seminars.
In den letzten Jahren gibt es vermehrt Stimmen, die von Erfahrungen sprechen, die wir vor 20 Jahren nicht im Mainstream der deutschen Literatur hatten.
Vielmehr beobachte sie in den vergangenen Jahren auch in der Literatur einen Shift. So gebe es mehr Stimmen, die von ihren Erfahrungen – zum Teil auch literarisiert – schreiben, die vor 20 Jahren noch nicht Teil des Mainstreams der deutschen Literatur gewesen seien. Das sei ein Gewinn für die Literatur und verschiebe auch das, was lange als deren Norm angesehen worden sei. Angesichts des Rechtsrucks in Deutschland äußerte sie allerdings auch Bedenken, ob sich das in der Literatur halten könne.
Die Bertolt Brecht Gastprofessur ist am Deutschen Literaturinstitut Leipzig angesiedelt.Bildrechte: Deutsches Literaturinstitut LeipzigOlivia Wenzel: Reflexion und Spaß vereinen
Wenzel sagte MDR KULTUR, thematisch sei sie für ihre neue Professur nicht festgelegt. Sie freue sich auf die Themen, die die jungen Menschen mitbrächten: "Was treibt sie um, was brennt ihnen unter den Nägeln und was wollen sie gerne bearbeiten mit mir? Und was kann ich dann dazu mitbringen?"
Es ist immer ein Gewinn für jede Form von Literatur, wenn Menschen es schaffen, elegant gestaltet das zu beschreiben, was eben sie bedrängt.
In der Gastprofessur möchte Wenzel versuchen, eine Mischung aus Gesprächen, Reflexion und Spaß zu schaffen: "Und wir machen vor allem sehr viel und sind sehr praxisnah." Gemeinsam mit den Studierenden will sie so poetische und politische Fragestellungen der Gegenwart erkunden – in Perspektiven, die auch dekolonial, rassismuskritisch und marginalisierungssensibel sein können.
Die Bertolt Brecht Gastprofessur am Deutschen Literaturinstitut Leipzig
Die Autorin und Dramatikerin Olivia Wenzel hat am Montag ihr Amt als Bertolt Brecht Gastprofessorin an der Universität Leipzig angetreten. Am Abend wurde sie offiziell mit einem Empfang am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig begrüßt. Wenzel ist damit die erste Gastprofessorin mit einem Schwerpunkt auf Text und Sprache.
Die Bertolt Brecht Gastprofessur wird halbjährlich an herausragende Künstler und Künstlerinnen aus den Bereichen Theater, Tanz, Performance und Medienkunst vergeben. Die Gastprofessorinnen und -professoren sollen dabei mit ihrer internationalen künstlerischen Expertise und spezifischen Arbeitsweise Lehre und Forschung bereichern.
Die interdisziplinäre Gastprofessur an der Uni Leipzig ist dem Schriftsteller und Dramatiker Bertold Brecht gewidmet.Bildrechte: picture-alliance / Jörg KolbeDie Bertolt Brecht Gastprofessur wurde 2017 am Centre of Competence for Theatre (CCT) und dem Institut für Theaterwissenschaft der Universität Leipzig in Kooperation mit der Stadt Leipzig eingerichtet. Die ernannten Künstlerinnen und Künstler sollen aktuelle theater- und kulturbezogene Fragestellungen an die Öffentlichkeit der Stadt Leipzig vermitteln.
Quelle: MDR KULTUR (Carsten Tesch), Universität Leipzig
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