Assistierter Suizid der Kessler-Zwillinge: Lauterbach fordert gesetzliche Regelung
- Lauterbach: "Ethisch nicht vertretbar"
- Tod der Kessler-Zwillinge mit 89 Jahren
- Suizident muss urteils- und entscheidungsfähig sein
- Bundesverfassungsgericht setzte §217 StGB aus
- Roßbruch: Es gibt keine Grauzone
Der assistierte Suizid der Kessler-Zwillinge hat zur erneuten Forderung nach einer gesetzlichen Regelung geführt. Im Gespräch mit MDR AKTUELL hatte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS), Robert Roßbruch, zwar keine rechtliche Grauzone gesehen. Ex-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach forderte nun jedoch eine gesetzliche Regelung zum assistierten Suizid.
Lauterbach: "Ethisch nicht vertretbar"
Lauterbach sagte der "Rheinischen Post", die jetzige Situation erlaube eine Assistenz beim Suizid, die ethisch nicht vertretbar sei. Es sei nicht gesichert, "dass Menschen, die diesen Weg gehen, nicht unter psychischen Erkrankungen leiden, die ihre Entscheidungsfähigkeit einschränken".
Der SPD-Politiker kritisierte, dass kommerzielle Angebote in der Suizidassistenz nicht ausgeschlossen seien. Er selbst sei ein "klarer Befürworter des assistierten Suizids", aber uneingeschränkte psychische Entscheidungsfreiheit und die Abwesenheit aller kommerziellen Interessen müssten sichergestellt sein, betonte Lauterbach.
Tod der Kessler-Zwillinge mit 89 Jahren
Die als Künstlerinnen berühmten Zwillinge Alice und Ellen Kessler waren am Montag im Alter von 89 Jahren in Grünwald bei München gestorben. Die DGHS bestätigte, dass es sich dabei um einen gemeinsamen assistierten Suizid gehandelt habe.
Suizident muss urteils- und entscheidungsfähig sein
DGHS-Präsident Roßbruch erklärte MDR AKTUELL, beim begleiteten Suizid werde die Hilfe eines Arztes in Anspruch genommen, um sich selbst zu töten. Die Tötungshandlung gehe allerdings vom Betroffenen aus, denn sonst wäre es eine Tötung durch einen Dritten und damit strafbar.
"Der begleitete Suizid ist dann nicht strafbar, wenn die betroffene Person – der Suizident – frei verantwortlich handelt. Das heißt, er muss urteils- und entscheidungsfähig sein", erläuterte Roßbruch. Zudem müsse eine solche Entscheidung wohl erwogen und konstant sein, dürfe also nicht spontan gefällt werden.
Auch eine psychische Diagnose sei nicht immer ein Ausschlusskriterium. Die Gefahr, dass die Freiverantwortlichkeit dann nicht mehr gegeben sei, bestehe aber. Deshalb sei in solchen Fällen ein fachärztliches Gutachten nötig.
Karlsruhe setzte §217 StGB aus
Der assistierte Suizid war rechtlich lange umstritten. Im Jahr 2015 wurde er mit Paragraf 217 im Strafgesetzbuch (StGB) eingeführt und geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung damit unter Strafe gestellt. Faktisch war dadurch professionelle Sterbehilfe etwa durch einen Verein unmöglich.
Doch 2020 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass das verfassungswidrig sei und das Recht auf selbstbestimmtes Sterben verletze. Das Gericht hatte dabei nahegelegt, dass ein Schutzkonzept her müsse, damit niemand zum begleiteten Sterben gedrängt werde. Eine neue Regelung oder auch ein Schutzkonzept gibt es bislang aber nicht.
Roßbruch: Es gibt keine Grauzone
Das sei auch nicht nötig, sagte DGHS-Präsident Robert Roßbruch bei MDR AKTUELL. "Wir halten von der gesetzlichen Regelung überhaupt nichts. Es gibt keine Grauzone, keinen rechtsfreien Raum." Das Bundesgericht habe da "ganz klar die rechtliche Situation abgesteckt".
Und eine Gefahr, dass sich Menschen zum begleiteten Sterben gedrängt fühlen, sehe er nicht, sagte Roßbruch: Meist sei es genau umgekehrt und die Angehörigen wollten nicht, dass die betroffene Person den Suizid wähle.
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MDR AKTUELL (smk, ksc)
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