Comeback einer Ikone: Gläserne Frau kehrt in Ausstellung zurück
- Aus konservatorischen Gründen steht die berühmte Gläserne Frau des Hygiene-Museums seit ihrer Rückkehr in einer doppelt verglasten Vitrine.
- Dass sie weiter gezeigt werden kann, wurde durch ein langjähriges Forschungsprojekt ermöglicht.
- Sie ist eine Erfindung aus den Werkstätten des Museums aus den dreißiger Jahren, die im Laufe der Geschichte auch für Propaganda genutzt wurde.
Seit Dezember ist die Gläserne Frau wieder in der Dauerausstellung im Deutschen Hygiene-Museum Dresden (DHMD) zu sehen – frisch gereinigt und geschützt durch eine neu entwickelte Klimavitrine.
Die berühmte Lehrfigur stammt aus den dreißiger Jahren und musste Ende 2022 zu ihrer Rettung aus der Dauerausstellung entfernt werden. "Diese Figuren zerbröseln uns quasi unter den Fingern", so Iris Edenheiser, die Direktorin des DHMD im Gespräch mit MDR KULTUR.
Neue Vitrine im Hygiene-Museum schützt Lehrfigur vor Zerstörung
Die Gläserne Frau besteht – wie auch weitere historische Lehrfiguren zur Anatomie aus der Sammlung – nicht aus Glas, sondern aus Zelluloseacetat. Dies sei ein Kunststoff, der mit der Zeit schrumpfe, sich verfärbe und Essigsäure absondere, was die inneren Bestandteile der Figur angreife, erklärt Edenheiser. "Das sieht dann von außen so aus, als würde sie innerlich bluten."
Im Dezember 2022 wurde die Gläserne Frau aus der Dauerausstellung entnommen, nun kehrt sie in ihre neue Klimavitrine zurück.Bildrechte: Oliver KilligDer Alterungsprozess werde durch hohe Luftfeuchtigkeit und schwankende Temperaturen beschleunigt, führte die Direktorin aus. Nun soll eine doppelt verglaste Klimavitrine für optimale Bedingungen sorgen. Darin herrschten nur 15 bis 18 Grad und 25 Prozent weniger Luftfeuchtigkeit als in der Umgebung, so Edenheiser. Über einen Aktivkohlefilter wird die Vitrinenluft permanent frisch gehalten, teilt das Museum zum Verfahren mit.
Forschungsprojekt zur Rettung von Kunststoff-Objekten
Außer der Klimavitrine gibt es nun auch eine 20 Quadratmeter große Klimazelle im Sammlungsdepot des Museums. In ihr werden andere Lehrfiguren bewahrt. Dazu gehören unter anderem der bereits konservierten Gläsernen Mann aus dem Jahr 1935 und die Gläserne Kuh von 1982/83.
Iris Edenheiser ist Direktorin des Deutschen Hygiene-Museums Dresden – für sie verkörpert die Gläserne Frau die Faszination, aber auch den Missbrauch von Wissenschaft.Bildrechte: David PinzerGrundlage all dessen war ein Forschungsprojekt, das gemeinsam mit Partnerinstitutionen zwischen 2016 und 2022 realisiert wurde. Es soll künftig auch anderen Einrichtungen die Expertise liefern, um wertvolle historische Objekte aus Kunststoff zu bewahren.
Markenzeichen und Weltsensation aus Dresden
Die Gläserne Frau wurde 1935/1936 als Auftragsproduktion für den US-Textilfabrikanten Samuel H. Camp in den Werkstätten des Hygiene-Museums gefertigt. Danach sei sie von Dresden in alle Welt exportiert und in verschiedenen Gesundheistausstellungen präsentiert worden. 1988 schenkte sie das Science Centre St. Louis dem Deutschen Historischen Museum in Berlin. 1990 kehrte sie dann schließlich ins Deutsche Hygiene-Museum nach Dresden zurück.
Edenheiser betont im Gespräch mit MDR KULTUR die Bedeutung der gläsernen Exponate. In dieser Ära habe es außer dem Röntgen noch keine bildgebenden Verfahren wie Ultraschall oder MRT gegeben. So sei der detaillierte Blick ins Körperinnere mit allen Organen und Gefäßen damals eine Weltsensation gewesen.
Faszination und Missbrauch durch NS-Propaganda
Zugleich verbinde sich mit den gläsernen Lehrfiguren aus Dresden auch eine dunkle Seite der deutschen Geschichte, fügt Iris Edenheiser hinzu: In NS-Propagandaausstellungen seien sie als Idealbild des "erbgesunden" Menschen missbraucht worden, um die Rassenideologie der Nazis zu transportieren. Für das Museum und die Dauerausstellung sei die Rettung der Gläsernen Frau bedeutsam, weil sie die Faszination, aber auch den Missbrauch von Wissenschaft vor Augen führe.
Service-Infos zum Deutschen Hygiene-Museum Dresden (zum Ausklappen)
Deutsches Hygiene-Museum
Lingnerplatz 1, 01069 Dresden
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag, Feiertage: 10 bis 18 Uhr
Montag geschlossen (an Feiertagsmontagen geöffnet)
Neben der Dauerausstellung gibt es regelmäßig Sonderausstellungen, derzeit "Bin ich schön" und besondere Kinderangebote,
Eintritt:
Regulär 12 Euro, ermäßigt 6 Euro, Kinder und Jugendliche unter 17 Jahre frei
Barrierefreiheit:
Die Dauerausstellung, das Kinder-Museum sowie spezielle Toiletten sind barrierefrei zugänglich. Es gibt Führungen in Leichter Sprache, in Deutscher Gebärdensprache sowie für Blinde und Sehbehinderte. Einige Veranstaltungen werden auch in Deutsche Gebärdensprache übersetzt.
Neben der Dauerausstellung bietet das DHDM auch wechselnde Sonderausstellungen:
"Bin ich schön!"
Teil der Dauerausstellung im "Studio"
Weitere Informationen finden auf der Website des Museums
Das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden entstand 1912 auf Initiative des Magdeburger Unternehmers und "Odol-Königs" Karl Lingner, als Bildungsstätte für die Gesundheitsaufklärung.Bildrechte: MDR/Oliver KilligQuelle: DHDM, MDR KULTUR (Tino Dallmann), Redaktionelle Bearbeitung: ks, lm
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