▪ Neue Risikoanalyse zeigt Verwundbarkeit der Justiz und fragt nach Schutz vor autoritären Angriffen.
▪ Justizpersonal als größte Angriffsfläche – Beförderungen und Abordnungen beeinflussen Unabhängigkeit der Gerichte.
▪ Studie identifiziert acht Angriffspunkte, von strategischen Ernennungen bis zur IT-Infrastruktur der Gerichte.

Das deutsche Justizsystem scheint stark, doch eine neue Risikoanalyse des Verfassungsblogs zeigt – es ist verwundbarer als gedacht. Die Online-Plattform, auf der Juristen und Wissenschaftler Beiträge zu verfassungsrechtlichen Fragen veröffentlichen und diskutieren, ist seit Anfang des Jahres folgenden Fragen nachgegangen: Wie verwundbar ist die deutsche Justiz? Und wie lässt sie sich besser vor autoritären Angriffen schützen?

Das zentrale Ergebnis: Die größte Angriffsfläche bietet der Studie zufolge das Justizpersonal und Einflussnahmen auf eben jenes. So könnten Entscheidungen von Gerichtspräsidentinnen und -präsidenten über Beförderungen und Abordnungen die Unabhängigkeit der Justiz maßgeblich beeinflussen.

Blockierte Richterwahlen als weiteres Risiko

Autoritäre Kräfte könnten genau hier ansetzen – ebenso bei Richterwahlen. Diese könnten "an zahlreichen Landesverfassungsgerichten, überall dort, wo eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, durch parlamentarische Sperrminoritäten blockiert werden", sagte Projektleiterin Anna-Mira Brandau. Man habe die größte Verwundbarkeit jedoch in der möglichen Einflussnahme auf das Justizpersonal ausgemacht. Deshalb seien die Kultur und das Personal an den Gerichten mit Abstand der wichtigste Resilienzfaktor, weshalb den Gerichtspräsidentinnen und Gerichtspräsidenten eine absolute Schlüsselposition zukomme.

Weitere Schwachstellen im System der dritten Gewalt

Neben dem Justizpersonal als Haupteinfallstor haben die Juristen noch Verschränkungen der Justiz mit der Exekutive wie die üblichen Abordnungen von Juristen in Ministerien sowie unzureichende rechtliche Regelungen als Kernrisiken ausgemacht. Insgesamt wurden acht Angriffspunkte identifiziert, an denen autoritäre Kräfte ansetzen können, um die Justiz strategisch zu schwächen – von strategischen Ernennungen und Beförderungen von Richtern und Richterinnen über bislang kaum genutzte Disziplinarverfahren gegen Richterinnen und Richter bis hin zur Einflussnahme auf das nicht-richterliche Personal der Gerichte oder die IT-Infrastruktur.

Die Analyse "Das Justiz-Projekt. Verwundbarkeit und Resilienz der dritten Gewalt" knüpft an das Thüringen-Projekt des Verfassungsblogs an. Sie basiert auf rund 70 Recherchegesprächen mit Expertinnen und Experten und will helfen, die Resilienz der dritten Gewalt zu stärken und verdeckte Angriffe auf den Rechtsstaat frühzeitig zu erkennen. Sie erscheint als Open-Access-Buch auf dem Verfassungsblog. 

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