• Der Landkreis Harz plant die Fusion von Kreismusikschule und Volkshochschule.
  • Kritiker warnen vor einer finanziellen Schieflage, auch soziale Aspekte des Musizierens geraten in Gefahr.
  • Die Debatte wirft grundsätzliche Fragen zur Bildungsgerechtigkeit in Zeiten knapper Kassen auf.

"Jede Bildungseinrichtung, die sich an die Breite der Gesellschaft wendet, ist nun mal defizitär" sagt Christian Reinecke, der Geschäftsführer des Landesverbandes der Musikschulen in Sachsen-Anhalt. Schließlich würde ja auch niemand eine Grundschule privatisieren, nur weil sie Geld kostet.

Christian Reinecke vertritt 20 Musikschulen in Sachsen-Anhalt, die alle in öffentlicher Hand sind, aus gutem Grund, wie Christian Reinecke anmerkt. Es gehe um das Thema Bildungsgerechtigkeit. Dass diese in Gefahr sei, davon liest man allerdings nichts in dem Antrag des Landrates Thomas Balcerowski (CDU) an den Kreistag. Er schlägt vor, die Kreisvolkshochschule und Kreismusikschule zusammenzulegen. "Ziel der Fusion ist es, eine zukunftssichere Struktur für die nächsten zehn bis 20 Jahre zu schaffen", so steht in dem Papier zu lesen. Doch woher also kommt diese Aufregung?

Landrat Thomas Balcerowski (CDU) will mit der Privatisierung der Musikschule ihre Zukunft sichern.Bildrechte: picture alliance/dpa | Matthias Bein

Sorgen über die geplante Fusion

Bei der Verschmelzung wird nicht nur ein Türschild gewechselt, sondern es ändert sich die Rechtsform. Aus der kreiseigenen Musikschule wird eine GmbH. Diese kann, anders als ein Eigenbetrieb, Pleite gehen. Tatsächlich befindet sich die Kreismusikschule bereits jetzt in finanzieller Schieflage. Dieser Umstand sei aber durch die Kreisverwaltung selbst zu verantworten, so Christian Reinecke.

Es ist momentan unverantwortlich, die Musikschule zu privatisieren.

Christian Reinecke vom Landesverband der Musikschulen in Sachsen-Anhalt

Denn während alle anderen Landkreise in Sachsen-Anhalt die Zuschüsse für die Musikschulen um rund 40 Prozent gesteigert hätten, habe der Landkreis Harz sie um zwei Prozent gesenkt. Das habe Folgen, sagt Christian Reinecke: "Aufgrund dieser Schieflage ist es momentan unverantwortlich, die Musikschule zu privatisieren. Das führt in eine Insolvenz." Nach aktuellen Planungen steigt das Defizit der Musikschule auf 500.000 Euro. Als GmbH-Vermögen sind aber nur 100.000 Euro geplant. Das Risiko ist also hoch.

Christian Reinecke vom Landesverband für Musikschulen sieht bei einem möglichen Trägerwechsel die Bildungsgerechtigkeit bedroht.Bildrechte: Ulrich Wittstock/MDR

Musikunterricht wird durch hohe Kosten zum Luxusgut

Denkt man marktwirtschaftlich, dann könnte man zu dem Schluss kommen, dass sich vielleicht die Einnahmen steigern lassen. Doch das ist bereits geschehen. Die Gebühren für den Unterricht sind in den vergangenen Jahren um über 50 Prozent gestiegen. Für 45 Minuten Einzelunterricht werden nun pro Jahr 1200 Euro erhoben, ein absoluter Spitzenwert in Sachsen-Anhalt. Das Erlernen eines Instruments wird so zu einem bildungspolitischen Luxusgut.

Das kritisiert Nicole Kirmis vom Landeselternrat der Musikschulen in Sachsen-Anhalt: "Wer jetzt nicht gut finanziell ausgerüstet ist, der hat einfach nicht mehr die Möglichkeit sein Kind auf die Musikschule zu schicken." Da wundert es nicht, dass die Zahlen der Schülerinnen und Schüler in der Kreismusikschule um dreißig Prozent eingebrochen sind.

Bildrechte: MDR/Swen Wudtke

Für Nicole Kirmis geht es dabei um mehr als nur um das Erlernen eines Instruments: "Wichtig sind auch diese sozialen Komponenten, diese Gruppendynamik beim Spielen. Diese Teamarbeit schafft ein anderes Lebensgefühl." Auch deshalb sollte das Musizieren nicht wieder zu einer Beschäftigung nur für die oberen Kreise werden.

Wer jetzt nicht gut finanziell ausgerüstet ist, der hat einfach nicht mehr die Möglichkeit sein Kind auf die Musikschule zu schicken.

Nicole KirmisLandeselternrat der Musikschulen in Sachsen-Anhalt

Tourismusfaktor Musikschule: Mehr als nur Unterricht

Nun steht der Landkreis Harz vor besonderen Herausforderungen. Denn nicht nur die Musikschule schreibt rote Zahlen, sondern auch die Harzquerbahn fährt zunehmend Defizite ein. Auch hier wurden deshalb die Preise erhöht, sowie die Anzahl der Fahrten verringert. Um den Brocken attraktiver zu machen, hat der Landkreis Harz die Brockenkuppe gekauft und will nun das Plateau selbst touristisch entwickeln.

Doch auch eine Kreismusikschule sei ein wichtiger Beitrag im Angebotsmix für Harztouristen erklärt Christian Reinecke: "Überall werden Konzerte gemacht und oft spielt die Kreismusikschule. Die ist überall vernetzt und verzahnt. Wenn man Wert auf Tourismus legt, dann sollte man darauf achten, dass die Kreismusikschule stabil bleibt. Sie ist für den Tourismus und ein zentraler Standortfaktor."

Um attraktiver für Besucherinnen und Besucher zu werden, will der Landkreis Harz die Brockenkuppe touristisch entwickeln.Bildrechte: picture alliance/dpa | Matthias Bein

Landkreis Harz schweigt – Kritik wächst landesweit

So laut die Pläne des Harzkreises kritisiert werden, so still ist es im Landratsamt selbst. Auf eine MDR-Anfrage teilte die Pressestelle mit: "Der Landkreis Harz äußert sich aktuell nicht zur Fusion von Kreisvolkshochschule und Kreismusikschule." Wenn heute der Kreistag der Fusion zustimmen sollte, befürchtet Nicole Kirmis eine negative Wirkung über den Landkreis Harz hinaus. Denn Finanzprobleme gibt es eigentlich in allen Landkreisen Sachsen-Anhalts.

Wenn man Wert auf Tourismus legt, dann sollte man darauf achten, dass die Kreismusikschule stabil bleibt.

Christian ReineckeLandesverband Musikschulen Sachsen-Anhalt

Deshalb verfolgt sie die aktuellen Debatten im Landkreis Harz sehr aufmerksam: "Kultur und Bildung, eigentlich will sie keiner bezahlen. Aber bei Veranstaltungen, wer steht da vorne? Wer macht Musik? Häufig die Kinder aus der Musikschule. Alle freuen sich, aber Geld ausgeben will keiner mehr dafür." Bei dem vorgeschlagenen Trägerwechsel für die Kreismusikschule geht es also um sehr grundsätzliche Fragen: Wie steht in Zeiten knapper Kassen um die Bildungsgerechtigkeit im Land.

Quellen: MDR KULTUR (Ulrich Wittstock)
redaktionelle Bearbeitung: az

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