Wo bleiben die Radwege auf dem Land?
- Durch E-Bikes werden weitere Distanzen möglich. Beim Ausbau der Radinfrastruktur erfordert das ein Umdenken.
- Das sächsische Infrastrukturministerium lobt die hohe Förderquote – der AFDC stellt dem Ausbau der Radwege auf dem Land ein vernichtendes Zeugnis aus.
- Im Haushalt wurden die Gelder für Radinfrastruktur massiv gekürzt.
Im Freistaat Sachsen ist die Radinfrastruktur auf dem Land schlecht ausgebaut – und besonders schlecht ausgerechnet im bevölkerungsreichsten Landkreis in Sachsen, im Landkreis Zwickau.
Dort, in der Gemeinde Thierfeld, einem Ortsteil der Stadt Hartenstein, wohnt MDR-Hörerin Janine Jukel. Die Lehrerin würde gern die etwa neun Kilometer zur Schule mit dem Rad fahren – wenn es denn einen sicheren Fahrradweg gäbe: "Ich bin frustriert darüber, dass wir auf dem Land keine Fahrradwege haben und dass, wenn eine Fahrbahn neu gebaut wird oder saniert wird, wieder keine Radwege entstehen. Das ist ein großes Problem außerorts, aber auch bei uns im Ort ist es viel zu gefährlich für Fahrradfahrer und für Fußgänger. Es ist auch schon ganz viel passiert, und trotzdem wird nichts gemacht. Woran liegt das?"
Sanierung der Kreisstraße: Nur der Belag wurde erneuert
Es wäre in der Tat schön gewesen für Janine Jukel, wenn bei der Sanierung der Kreisstraße zwischen ihrem und dem Nachbarort auch ein Radweg mit angelegt worden wäre. Da aber lediglich der Belag erneuert wurde, habe ein Radweg nie ernsthaft zur Debatte gestanden, sagt Martin Kunz, Bürgermeister von Hartenstein: "Das war ja eine alte Straße, eine Kopfsteinpflasterstraße, und die ist vom Landkreis saniert worden."
E-Bikes ermöglichen neue Distanzen
Der Landkreis Zwickau hat ein Radwegekonzept, sagt der Bürgermeister. Das solle erst einmal umgesetzt werden, statt immer wieder Neues draufzupacken.
Andererseits räumt Kunz ein, dass mit Elektrorädern nun auch Arbeitswege möglich seien, die bislang dem Auto vorbehalten waren. "In den letzten 20 Jahren haben wir gar nicht daran gedacht, dass der Arbeitsweg auch eines Radweges bedarf. Wir haben zwar das alternative Gefährt, aber die alternative Wegstrecke noch nicht", so Kunz.
Ministerium in Sachsen: Förderung für Radwege höchste aller Bundesländer
Die Stärkung des Radverkehrs habe eine hohe Priorität, antwortet das zuständige sächsische Staatsministerium für Infrastruktur und Landesentwicklung auf unsere Anfrage. Die mitgelieferten Zahlen sollen das belegen: In den zurückliegenden zehn Jahren seien längs der Bundes- und Staatsstraßen fast 200 Kilometer Radwege angelegt worden. Und mit 85 Prozent liege die Förderquote für Radwege höher als in jedem anderen Bundesland, so das Ministerium.
ADFC: Fahrrad-Infrastruktur auf sächsischen Kreisstraßen desaströs
Isabell Gall ist beim Landesverband Sachsen des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs, kurz ADFC, zuständig für dem Radverkehr im ländlichen Raum. Die Lage bei den Kreisstraßen im Freistaat hält sie für desaströs, und auch die längs von Bundes- und Staatsstraßen sei alles andere als gut: "Was wir häufig gesehen haben, ist, wenn ein Stück von der Straße gebaut werden musste, dass da ein Radweg dazu gebaut wurde. Es bringt mir aber nichts, mittendrin zwei Kilometer Radweg zu haben, wenn ich entweder gar nicht auf den Radweg komme oder der im Nirgendwo endet und ich auf einmal wieder mit LKWs auf der Straße fahren muss."
Allein im Landkreis Zwickau fehlten mehr als 100 Kilometer Radwege, um die größten Lücken im Radwegenetz zu schließen, sagt der Landtagsabgeordnete für das BSW, Bernd Rudolph. Lücken, die verhinderten, dass Mittelzentren wie Crimmitschau, Glauchau oder Werdau aus ihrem ländlichen Umfeld mit dem Rad erreicht werden können.
"Sachsenfonds" für Radwege viel zu gering für Ausbau
Im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Minderheitsregierung hatte das noch als Ziel gestanden. Im Doppelhaushalt 2025/26 sind die Mittel für Radwege dann aber um 90 Prozent gekürzt worden. Übrig geblieben ist ein sogenannter Sachsenfonds, ausgestattet mit acht Millionen Euro – für den ganzen Freistaat. Ein Kilometer Radweg koste zwischen 200.000 und einer Million Euro, je nachdem, was notwendig sei.
Wenn man allein überschlagen würde, was im Landkreis Zwickau notwendig sei, könne man gut über einen Gesamtbetrag von 100 Millionen Euro reden, so Rudolph: "Wenn dann im Rahmen des Sachsenfonds acht Millionen für den ganzen Freistaat zur Verfügung stehen, dann sieht man, wo die Diskrepanz ist."
Förderung des Radverkehrs vor allem innerorts
Die angespannte Haushaltssituation des Freistaates Sachsen wirkt sich auch auf die bereit gestellten Landesmittel für den Radverkehr aus, heißt es dazu im Antwortschreiben aus dem zuständigen Ministerium. Und da mehr als 90 Prozent des Radverkehrsaufkommens innerorts stattfinde, habe man die zur Verfügung stehenden Finanzmittel ganz bewusst auf die Förderung des kommunalen Radverkehrs konzentriert.
Unter dem Strich also keine guten Nachrichten für die MDR-AKTUELL-Hörerin und alle anderen in Sachsen, die sich Hoffnungen auf mehr Radwege außerhalb der großen Kommunen machen, um sicherer als bislang vom Land zur Arbeit, zum Einkauf oder zur Freizeit in die nahegelegene Stadt und wieder zurückzugelangen.
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