• Susann Sölter war nach dem Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt als Notärztin im Einsatz – das Ausmaß der Katastrophe war deutlich schlimmer als anfangs vermutet.
  • Die Mediziner mussten unter schwierigen Bedingungen helfen – auch aufgrund der Menge der Verletzten und des Mangels an Schmerzmitteln.
  • Viele der Beteiligten haben bis heute mit den Nachwirkungen des Anschlags zu kämpfen – jeder auf seine Weise.

Susann Sölter war am 20. Dezember 2024 schon im Feierabend und auf dem Weg zu ihren Eltern. Da bekam sie eine Nachricht von einem Kollegen aus dem Krankenhaus: "Ich rief ihn an und dann sagte er mir, irgendwie ist ein Auto auf dem Weihnachtsmarkt in Menschen gefahren. Wir gehen momentan von 40 Verletzten aus. Könntest du kommen?"

Ausmaß des Einsatzes deutlich größer als vermutet

Sie fährt los ins Städtische Krankenhaus in Magdeburg, in dem sie als Oberärztin auf der Intensivstation arbeitet. Doch weil sie auch eine von 14 leitenden Notärztinnen und Notärzten in Magdeburg ist, beschließt sie: erstmal direkt zum Weihnachtsmarkt und schauen, ob sie dort helfen kann: "Wir sind aus dem Auto ausgestiegen und haben dann erstmal eine Vielzahl, also wirklich unheimlich viele Menschen auf dem Boden liegen sehen. Man hat alles gesehen. Menschen, die geschrien haben. Man hat Tote gesehen, alles."

Wir sind aus dem Auto ausgestiegen und haben dann erstmal eine Vielzahl, also wirklich unheimlich viele Menschen auf dem Boden liegen sehen.

Notärztin Susann Sölter

Betreuung und Triage: Welche Patienten kommen zuerst?

Susann Sölter meldet sich beim leitenden Notarzt vor Ort, der ihr einen Einsatzabschnitt zuweist. Ihre Aufgabe: Betreuung und Triage.

Das bedeutet: Susann Sölter muss darüber entscheiden, wem zuerst geholfen wird, wer hoffentlich noch warten kann. Und dann gibt es auch noch die Patienten, bei denen jede Hilfe zu spät kommt. "Wir haben teilweise erst mal Zahlen auf die Stirn geschrieben, bis wir Kärtchen zur Verfügung hatten. Und manchmal war es halt so, da kam dann wieder ein Patient, der war noch kritischer, dann mussten wir einen anderen aus diesem Zelt oder auf den Boden legen, damit er die Trage bekommen konnte."

Zu wenig Schmerzmittel und schwierige Bedingungen

Die Notärzte müssen ständig Entscheidungen treffen: Nicht nur, wer sofort ins Krankenhaus muss. Sondern auch, wer noch Schmerzmittel bekommen kann: "Wir hatten viel zu wenig Schmerzmittel. Wir haben es dann am Ende zwischen den Patienten aufgeteilt. Und man kann halt nicht reingucken. Man weiß halt nie, was die Patienten noch für innere Verletzungen haben."

Wir hatten viel zu wenig Schmerzmittel. Wir haben es dann am Ende zwischen den Patienten aufgeteilt.

Notärztin Susann Sölter

Sölter beschreibt die Schwierigkeiten bei der Behandlung: "Man muss die Patienten wirklich beobachten und man muss auch bedenken, dass es kalt war. Das heißt, die Patienten hatten alle dicke Jacken an. Dadurch sieht man noch viel weniger. Erst am Folgetag haben wir gesehen, was wir alles nicht entdeckt haben. Ich habe die Tragen des Katastrophenschutzes gesehen, die waren blutverschmiert."

Nachwehen des Anschlags – zahlreiche Opfer sind traumatisiert

Über sechs Stunden dauert der Einsatz. Fast 350 Menschen werden an dem Abend verletzt – wie viele davon sie versorgt hat, weiß Susann Sölter nicht mehr.

Doch dann wird es erst so richtig schwer. Denn einen der schwer Verletzten trifft sie später im Krankenhaus wieder: "Er lag fast bis Ende Januar bei uns. Das sechste Todesopfer war seine Mutter. Und das hat er alles im Krankenhaus von uns erfahren können. Ich konnte ihn irgendwann nicht mehr behandeln und er hat dann auch irgendwann immer angefangen zu weinen, wenn er mich sah. Er hat sehr damit zu kämpfen gehabt."

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