Präzisionsoptik aus Jena: Spitzentechnologie für Europas Satelliten
Ein leuchtender Regenbogen weist den Weg in Falk Eilenbergers Büro am Ende des langen Ganges im dritten Stock des Fraunhofer-Instituts für angewandte Optik und Feinmechanik (IOF) in Jena. Die Quelle der Erscheinung ist ein unscheinbares Rechteck aus Glas, das sich der Leiter der Abteilung Mikro- und Nanostrukturierte Optiken ins Fenster gestellt hat.
Forschende integrieren die optische Baugruppe im Labor.Bildrechte: Fraunhofer IOFDas Glas in dem kleinen Rahmen sieht nur etwas milchig aus. Doch das hindurchfallende Sonnenlicht malt die reinsten Farben an die gegenüberliegende Wand. "Das ist ein optisches Gitter, das das Licht in sein Spektrum aufspaltet", erklärt der Wissenschaftler und zeigt auf die Farben: "Wir sehen hier unten lila, blau, oben rot, in der Mitte gelb und grün."
Warum Lichtanalyse entscheidend ist: Spektrallinien verraten verborgene Informationen
Das gebrochene Licht ist nicht nur hübsch anzusehen, es liefert Forschenden auch entscheidende Daten. Sie untersuchen das in seine Spektrallinien gebrochene Licht in einem Spektrometer. Dabei können sie einzelne Wellenlängen unterscheiden, deren Größenunterschied mitunter nur ein Zehntelnanometer beträgt.
Denn das Licht der Sterne oder das Licht, das vom Erdboden reflektiert wird, enthält unzählige Informationen. Jede reflektierende Oberfläche verändert Spektrallinien, genau wie jedes Gas, das Licht durchdringt, oder jede Bewegung, die eine Lichtquelle unternimmt.
Zwölf Jahre im All: Wie ein Jenaer Optikgitter das ESA-Weltraumteleskop Gaia prägte
Falk EilenbergerBildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNKDas unscheinbare Rechteck in Falk Eilenbergers Büro war zwölf Jahre lang im Einsatz im legendären Weltraumteleskop Gaia. Von 2013 bis 2025 hat das ESA-Teleskop systematisch den Himmel mit zwei Kameras durchmustert und dabei präzise die Position, beziehungsweise die Bewegung von Sternen und Galaxien vermessen.
Für Wissenschaftler sind die Daten von Gaia seither von unschätzbarem Wert. Sie stellen physikalische Theorien infrage, etwa über die Ausdehnung des Universums nach dem Urknall. Die Arbeit der Forschenden am IOF in Jena hat entscheidend zu diesem bahnbrechenden Instrument beigetragen. Durch sie konnte Gaia einzelne Spektrallinien im Bereich von 350 bis 1050 Nanometern unterscheiden. Das schließt neben dem sichtbaren Licht auch das nahe UV- und das nahe infrarote Spektrum ein.
Von Gaia bis ELT: Warum Jenaer Optik weltweit Maßstäbe in der Forschung setzt
Und Gaia ist nur eines von vielen modernen optischen Instrumenten, an denen das Fraunhofer IOF mitgewirkt hat. Bauteile aus Jena fliegen auch im Copernicus-Programm mit, das mit seinen Sentinel-Satelliten entscheidende Daten zur Klimaforschung und Erdbeobachtung liefert. Daneben entwickeln die Ingenieure gerade mehrere Teile für das Extremely Large Telescope (ELT) der Europäischen Südsternwarte. Wenn es am Ende des Jahrzehnts fertig ist, wird es das größte Teleskop sein, das die Menschheit je betrieben hat. Es soll die Leistung des berühmten James-Webb-Weltraumteleskops der NASA übertreffen.
Für CO2M haben die Forschenden verschiedene Glasteile durch "Bonding" lückenlos verbunden.Bildrechte: Fraunhofer IOFDass das Fraunhofer IOF an all diesen Projekten mitwirkt, zeigt, dass es zu den wissenschaftlichen Spitzeneinrichtungen Europas gehört. Dass es gelungen ist, diese Fähigkeiten aufzubauen, habe mit dem Umfeld in Jena zu tun, sagt Eilenberger. "Das ist extrem wichtig für uns." Etwa 2.000 Forscherinnen und Forscher arbeiten an der Universität und an Einrichtungen der Leibniz- oder der Helmholtzgemeinschaft im Bereich Optik und Photonik – also dem Bereich der Physik, der sich mit dem Licht beschäftigt.
Optikcluster in Jena: Wie Forschung und Industrie eine Hightech-Region formen
Eng verbunden damit ist die Glasindustrie, die eine lange Tradition in Jena und Thüringen hat und deren bekannteste Namen vielleicht Carl Zeiss oder Schott sind. Die beiden Konzerne sind nach dem Zweiten Weltkrieg in den Südwesten Deutschlands gezogen. Trotzdem gibt es heute wieder ein Optikcluster mit über 100 Firmen und rund 15.000 Mitarbeitern in Jena und seinem Umland. Die Industrie wendet rund 10 Prozent ihrer Mittel für Forschung und Entwicklung aus. "Das ist mehr als in der Halbleiterbranche", sagt der Wissenschaftler.
Ein Forscher testet das optische Gitter.Bildrechte: Fraunhofer IOFDass die Optikbranche eng verbunden ist mit der Halbleiterfertigung, wird im Keller des IOFs deutlich. In Reinräumen stehen Maschinen, die eng verwandt sind mit den Lithografie-Maschinen, die bei der Herstellung von Mikrochips eingesetzt werden. Einige davon sind so stark abgeschirmt, dass die Räume, in denen sie stehen, monatelang von keinem Menschen betreten werden. Spezielle Magnete schirmen sie vom Magnetfeld der Erde ab und beladen kann man sie lediglich durch eine Schleuse im Nachbarraum.
Wie Nanostrukturen entstehen: Vom Glasrohling zum hochpräzisen Optikgitter
Optikgitter, wie sie in Gaia oder auch in den Sentinel-Satelliten eingebaut wurden, werden ähnlich wie Chips durch Belichtungsverfahren hergestellt. Ausgangsmaterial ist spezielles Glas, das zwar aus gewöhnlichem Siliziumdioxid besteht, aber eine besonders gleichmäßige Struktur hat. Dieses Material wird mit einem Photolack bestrichen, einem speziellen Kunststoff. In der Belichtungsmaschine wird das gewünschte Muster mit einem feinen Elektronenstrahl in den Lack gebrannt.
Im nächsten Schritt werden die nicht belichteten Flächen herausgeätzt. Anschließend werden die Lackreste mit einem Lösungsmittel entfernt. "Würde man die Oberfläche nun mit einem Elektronenmikroskop untersuchen, dann würde man ein Muster sehen, das wie eine Hochhausstadt aussieht", sagt Eilenberger. Dieses regelmäßige Muster im Nanometermaßstab bricht das Licht in sein Spektrum auf.
Die fertige Baugruppe, wie sie schließlich im CO2M Satelliten montiert werden wird.Bildrechte: Fraunhofer IOFCO2M-Satelliten: Jenaer Optik hilft, den globalen CO₂-Ausstoß präzise zu messen
Eilenbergers größtes Projekt der vergangenen Jahre war eine komplexe Baugruppe für die neuen ESA CO2M-Umweltsatelliten. Rund 80 Forscherinnen und Forscher haben an einem Optikgitter gearbeitet, das nahtlos mit einem Prisma verbunden ist. Es ist in eine Konstruktion eingebunden, die einen Raketenstart sicher überstehen muss.
Visualisierung: Der neue Umweltsatellit CO2M soll die Verteilung von Treibhaus- und Spurengasen in der Atmosphäre sichtbar machen.Bildrechte: European Space SystemsCO2M soll eine wichtige Lücke in der Klimaforschung schließen, denn die Satelliten werden erstmals in der Lage sein, den Ausstoß und die Verteilung von CO2 in der Atmosphäre genau zu überwachen. Die Daten sollen unter anderem zeigen, wie hoch der CO2-Ausstoß natürlicher Quellen ist. Dazu gehören etwa Waldbrände oder Vulkane, bei denen Forscher die Menge der Emissionen bislang nur schätzen können. Zudem hoffen die Wissenschaftler, mehr Aufschluss über sogenannte CO2-Senken zu bekommen, also Wälder oder Ozeane, die das Treibhausgas binden.
Von Weltraumtechnik bis Smartphone: Wie Spitzenforschung in Alltagsprodukte fließt
Nicht alle Teile, die das Fraunhofer IOF entwickelt, sind Unikate für wissenschaftliche Instrumente. Andere Abteilungen forschen an Komponenten, die für Automobil- oder Unterhaltungselektronik wichtig sind. Oft befruchtet das eine auch das andere und Grundlagenforschung mündet am Ende in Massenprodukten wie den Kamerachips gewöhnlicher Handys. So profitiert am Ende ein breiter Markt von der Spitzenforschung aus Jena.
Links/Studien
- Eumetsat: The Copernicus Anthropogenic Carbon Dioxide Monitoring constellation (CO2M) will monitor global atmospheric carbon dioxide (CO2), methane (CH4) and nitrogen dioxide (NO2).
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