• Ralf Luther von Stahlbau Magdeburg sagt: "Die bürokratische Situation ist eine Katastrophe."
  • Bäckermeister Manfred Stelmecke aus Borne sagt: "Arbeitgeber bekommen immer neue Hürden auferlegt."
  • Robert Dreyer von einer Tischlerei aus Wulferstedt sagt: "Es wird sich an Kleinigkeiten aufgehalten."

Das Plakat hängt noch immer an der Fensterfront seiner Tischlerei. Robert Dreyer kann sich ein Lächeln nicht verkneifen, als er die Geschichte dazu erzählt. So absurd erscheint ihm dieses Sinnbild der deutschen Bürokratie.

"Es ging um eine Förderung, die wir bei der Investitionsbank für eine Weiterbildungsmaßnahme beantragt haben", erzählt der Geschäftsführer des Familienbetriebes aus Wulferstedt im Landkreis Börde. Die Summe: etwa 44.000 Euro. "Wir sind sehr froh, dass es diese Förderung überhaupt gibt", sagt Dreyer, aber: "Obwohl wir alle erforderlichen Unterlagen eingereicht haben, alles entsprechend durchgeführt haben, floss kein Geld."

Auf Rückfrage sei ihm dann der Grund für die fehlende Zahlung der Förderung mitgeteilt worden: "Eine festgelegte Maßnahme war, dass ich ein Plakat drucken und aushängen musste, öffentlich sichtbar. Das hatte ich auch alles getan. Aber dann stellte sich heraus, dass auf dem Plakat das Logo vom Land Sachsen-Anhalt fehlt. Deshalb wurde das Geld nicht ausgezahlt, hieß es dann. Dabei war das Plakat ein offizieller Vordruck der Investitionsbank."

Bürokratie-Abbau: "Es muss etwas passieren"

Es sind Episoden wie diese, von denen kleine und mittelständische Unternehmen aus Sachsen-Anhalt immer wieder berichten. Tenor: Die deutsche Bürokratie macht den Firmen das Leben schwer.

"Die wirtschaftliche Situation unserer Unternehmen ist aktuell nicht sehr gut, viele von ihnen haben riesige Probleme", sagt Klaus Olbricht, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Magdeburg. Die Bürokratie spiele dabei eine große Rolle. Ein Hoffnungsschimmer: Die neue Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag die Entbürokratisierung angekündigt.

Viele Unternehmen stehen mit dem Rücken zur Wand. Sie werden vollgeschüttet mit bürokratischen Auflagen und kommen gar nicht zu ihrer richtigen Arbeit.

Klaus Olbricht, Präsident der IHK Magdeburg

Klaus Olbricht, Präsident IHK MagdeburgBildrechte: MDR/Felix Fahnert

Viele kleine Betriebe in Sachsen-Anhalt

"Wir hatten schon viele Regierungen, die Bürokratie-Abbau organisieren wollten. Ich hoffe, dass die neue Regierung endlich auch mal Taten folgen lässt", sagt IHK-Präsident Olbricht, denn: "Viele Unternehmen stehen mit dem Rücken zur Wand. Sie werden vollgeschüttet mit bürokratischen Auflagen. Sie müssen für alle möglichen Prozesse im Unternehmen entsprechende Mitarbeiter qualifizieren. Wir haben nur noch Beauftragte im Unternehmen, die berichten müssen. Sie kommen gar nicht mehr zu ihrer richtigen Arbeit. Viele Investitionen werden gehemmt. Es muss etwas passieren."

Schließlich würde es in Sachsen-Anhalt viele kleine- und mittelständische Unternehmen geben, die allerdings die gleichen bürokratischen Auflagen wie große Konzerne erfüllen müssten, so Olbricht. "Die Berichtslage muss verringert werden", fordert der IHK-Präsident. Und: "Gewisse Gesetze müssen abgeschafft werden, das Lieferkettengesetz zum Beispiel." Eingeführt wurde das Lieferkettengesetz, um den Schutz der Menschenrechte und der Umwelt in globalen Lieferketten zu verbessern.

Stahlbau: "Das kann so nicht weitergehen"

Einen halben Tag pro Woche, so lange war Ralf Luther vor 26 Jahren mit bürokratischen Aufgaben beschäftigt. "Mittlerweile sind es viereinhalb Tage", zieht der frühere Geschäftsführer und heutige Prokurist von Stahlbau Magdeburg den Vergleich zu seinen Anfangszeiten. "Die bürokratische Situation ist eine Katastrophe", sagt er. "Wir haben viel zu viele administrative Aufgaben. Es müssen Statistiken erstellt werden, bei denen ich mich frage, ob das nur eine Beschäftigung für die Ämter darstellt. Mit den betrieblichen Abläufen haben sie oftmals jedenfalls nichts zu tun."

Ich befürchte, dass dieser Prozess der Entbürokratisierung viel zu lange dauert, um für einen Schub der Industrie zu sorgen.

Ralf Luther, Prokurist von Stahlbau Magdeburg

Ralf Luther, Prokurist von Stahlbau MagdeburgBildrechte: MDR/Nicole Franz

Pläne von CDU und SPD "stimmen hoffnungsvoll"

Etwa 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habe Stahlbau Magdeburg aktuell, erzählt Luther. Das Unternehmen produziert unter anderem Stahlteile für Brücken – und es kämpft regelmäßig mit Bauverordnungen und Ähnlichem. Was sich ändern muss? "Es sollte eine Ist-Versteuerung und keine Soll-Versteuerung geben", fordert Luther. "Genau so sollte die Abrechnung der Sozialbeiträge nach Ist-Anwesenheit geschehen und nicht nach theoretischen Annahmen." Außerdem sollten die Statistikpflichten reduziert werden, sagt der Unternehmer, denn: "An uns werden immer mehr Anforderungen diesbezüglich gestellt. Das kann so nicht weitergehen."

Die Pläne der neuen Bundesregierung würden ihn "hoffnungsvoll" stimmen, erzählt Ralf Luther. Aber: "Trotzdem befürchte ich, dass dieser Prozess einer Entbürokratisierung viel zu lange dauert, um für einen Schub der Industrie zu sorgen." Luther sagt: "Wir brauchen pragmatische, handhabbare Regeln, die auf der einen Seite die Firmen arbeitsfähig halten und auf der anderen Seite die Verwaltung noch mit genug Informationen bedienen."

Bäcker: "Das lässt hoffen"

Auch Manfred Stelmecke verfolgt die Pläne der neuen Bundesregierung genau. Ein Punkt im Koalitionsvertrag: Die 2020 eingeführte Bonpflicht im Einzelhandel soll wieder abgeschafft werden. "Das lässt hoffen", sagt der 58-Jährige. "Damit würden wir uns täglich zehn Kartons Bonmüll sparen. Das ist erheblich. Und 97 Prozent unserer Kunden wollen den Bon sowieso nicht." Eingeführt wurde die Bonpflicht einst, um Kassenmanipulationen zu verhindern und Steuerhinterziehungen vorzubeugen.

Seit seinem 16. Lebensjahr arbeitet Stelmecke in der gleichnamigen Bäckerei, ein Familienbetrieb aus Borne im Salzlandkreis mit mittlerweile neun Fillialen und 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. "Die Politik ist immer darauf aus, bei Wahlen möglichst große Bevölkerungsgruppen zu erreichen, was dazu führt, dass es ständig Erleichterungen für Arbeitnehmer gibt, aber Arbeitgeber immer neue Hürden auferlegt bekommen", sagt der Geschäftsführer. "Für uns Bäcker, aber beispielsweise auch Fleischer, ist die Konkurrenz durch große Konzerne und Ketten außerdem groß." Und die Auflagen sind für alle gleich.

"Neues bürokratisches Monster"

Wie die Bürokratie die Arbeit erschwert? Manfred Stelmecke sagt: "Die elektronische Arbeitsunfähigskeitsbescheinigung ist zum Beispiel ein neues bürokratisches Monster. Wenn ein Arbeitnehmer vier Krankschreibungen von jeweils einer Woche hat, muss ich viermal den Krankenschein beantragen und viermal jeweils drei Tage auf Rückantwort warten. Das kann doch nicht wahr sein." Weil alles auch am Ende abgerechnet werden könnte.

Weitere Beispiele: "Früher haben wir die Lohnbuchführung selber gemacht in einer Excel-Tabelle. Das kannst du heuzutage so gar nicht mehr abbilden, weil alles so komplex ist", erzählt Stelmecke. "Die Hygienekonzepte wurden außerdem erweitert. Wir müssen alles dokumentieren, unter anderem auch Temperaturtabellen für alle Kühlschränke täglich führen. Es ist ja richtig, dass wir die Temperaturen regelmäßig überwachsen müssen." Hygienekontrollen seien ebenfalls wichtig, sagt Stelmecke. "Aber irgendwann kommt der Moment, an dem manche Arbeitnehmer dann vielleicht nicht mehr so genau gucken und einfach die ganze Woche ausfüllen in der Tabelle. In der Praxis ist es nicht immer hilfreich, alles dokumentieren zu müssen."

Tischlerei: "Geradlinige Kommunikation"

Burghard Grupe sieht das ähnlich. "Wenn ich bei den Bäckern sehe, was die an Hygienevorschriften haben und dokumentieren müssen, das geht eigentlich gar nicht", sagt der Geschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg. "Die Bürokratie belastet die Betriebe total und hält viele davon ab, selber Unternehmerinnen und Unternehmer zu werden. Da ist die Hoffnung und die klare Forderung, dass man da jetzt etwas ändern muss."

Was sich ändern muss, bringt Robert Dreyer, Geschäftsführer des Tischlereibetriebes aus Wulferstedt, auf den Punkt: "Die Menschen in den Behörden geben sich viel Mühe. Aber sie werden in ein Konstrukt gedrückt, wo ihnen sämtliche Entscheidungsgewalt genommen wird und sie sich nicht trauen, Entscheidungen im Sinne der Unternehmen zu treffen, die eigentlich selbstverständlich sind. Wenn man den Leuten in den Behörden einen größeren Rahmen geben würde, in dem sie entscheiden können, wäre allen geholfen: unbürokratisch, schneller, direkt, geradlinige Kommunikation!"

Ein Sinnbild deutscher Bürokratie: das geforderte Plakat mit dem aufgeklebten Logo des Landes Sachsen-Anhalt an einem Fenster der Tischlerei von Robert Dreyer.Bildrechte: MDR/Daniel George

35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten in dem Familienbetrieb von Robert Dreyer. "Ich habe den Eindruck, es wird sich an Kleinigkeiten aufgehalten. Förderanträge werden teilweise nicht bearbeitet wegen Kleinigkeiten, die irrelevant sind und das große Ganze wird oft vergessen." Für das Problem mit dem fehlenden Logo auf dem Plakat fand Robert Dreyer übrigens eine ganz unbürokratische Lösung: "Ich habe das Logo dann einfach ausgedruckt, ausgeschnitten und auf das Plakat geklebt." Auf die Auszahlung der Fördersumme musste sein Betrieb trotzdem noch lange warten.

MDR (Daniel George) | Erstmals veröffentlicht am 07.05.2025

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