• Gesellschaftliche Teilhabe von Kindern und Jugendlichen bemisst sich unter anderem durch Schulbildung, die Wohn-Situation oder Freizeit-Möglichkeiten.
  • Aufwachsen in Armut begrenzt und beschämt das Leben von Kindern und Jugendlichen.
  • Schulabbrecherquote und Jugendarbeitslosigkeit sind in Sachsen-Anhalt besonders hoch.

Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, die Deutsche Kinder und Jugendstiftung und die Wüstenrot Stiftung haben heute den "Teilhabeatlas" vorgestellt. Der Atlas ist das Ergebnis einer Studie von Teilhabechancen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Er zeigt, wo junge Menschen gute Bedingungen für gesellschaftliche Teilhabe vorfinden – und wo sie mit Hürden konfrontiert sind. Im Osten sind die Bedingungen zum Teil schwierig.

Was gesellschaftliche Teilhabe bedeutet

Teilhabe wird laut den Studienautoren ermöglicht durch eine gute Schulbildung sowie später eine der Ausbildung entsprechende Arbeit, die genug zum Leben einbringt. Auch eine bezahlbare, den Bedürfnissen angemessene Wohnung und eine gute Gesundheitsversorgung sind wichtige Aspekte von Teilhabe.

"Zudem braucht es Infrastruktur und einen Anschluss an schnelles Internet", schreiben die Studienmacherinnen und -macher. Für junge Menschen würden auch Freizeitmöglichkeiten eine große Rolle spielen, bei denen sie auch ohne Geld ihren Interessen nachgehen und sich mit anderen austauschen können.

Kinder und Jugendliche, so heißt es, seien in den Möglichkeiten, ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten, jedoch in besonderer Weise von anderen Personen abhängig. Und zwar meistens von ihren Eltern und deren wirtschaftlicher Situation.

Kinderarmut in Städten häufiger als auf dem Land

Kinderarmut ist laut den Ergebnissen des Teilhabeatlas' in Teilen Ostdeutschlands sowie in strukturschwachen Regionen in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen oder dem Saarland besonders ausgeprägt, während Kinder und Jugendliche im Süden Deutschlands weniger von Kinderarmut betroffen sind. Im Bundesdurchschnitt lebten Anfang 2024 rund 12,5 Prozent der Kinder und Jugendlichen bis 15 Jahre in Haushalten mit staatlicher Unterstützung.

Kinder- und Jugendarmut ist dabei besonders in Städten präsent, wie die Studienergebnisse zeigen. Denn es seien gerade die Großstädte, in denen sich Problemlagen konzentrierten und Armutsrisiken aufeinanderträfen, so die Studienautoren. Alleinerziehende würden in Städten einen besonders großen Teil der Bevölkerung ausmachen. Zudem seien Städte häufiger Ankunftsorte für Geflüchtete und Migranten. Und diese seien häufiger in schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen beschäftigt.

Aufwachsen in Armut "begrenzt, beschämt und bestimmt" das Leben von Kindern und Jugendlichen, schreibt die Forschergruppe in ihrem Bericht. Betroffene Kinder hätten seltener einen Rückzugsort zum Lernen zu Hause und seien weniger mobil: "Sie können seltener Freunde mit nach Hause bringen, werden häufiger ausgegrenzt, schlagen Einladungen zum Geburtstag aus, weil sie kein Geld für Geschenke haben."

Mehr Schulabbrecher im Osten und Norden

Jedes Jahr beenden rund 50.000 Schülerinnen und Schüler in Deutschland ihre Schullaufbahn ohne einen Abschluss. 2022 waren es 52.300. Die regionalen Unterschiede sind auch hier groß: Im äußersten Norden und in den ostdeutschen Bundesländern lag der Anteil der Schulabbrecher 2022 vielerorts bei zehn bis 15 Prozent. Über zwölf Prozent waren es zum Beispiel im Kreis Dithmarschen in Schleswig-Holstein, in der Uckermark oder im Landkreis Prignitz in Brandenburg. 14 Prozent waren es in Chemnitz.

Im Osten und Norden starten besonders viele junge Menschen ohne das nötige Rüstzeug und mit verringerten Chancen auf einen Ausbildungsplatz in den nächsten Lebensabschnitt – deutlich mehr als in vielen Kreisen und kreisfreien Städten im Westen und Südwesten, wie der Teilhabeatlas zeigt. Besonders niedrig ist der Anteil der Schulabbrecher in weiten Teilen Bayerns. Hier waren es 2022 in vielen Gegenden nur zwischen drei und sechs Prozent.

Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund seien im deutschen Bildungssystem allgemein benachteiligt, schreiben die Autoren: "Die Bildungsforschung zeigt jedoch umfassend, dass das weniger der Einwanderungsgeschichte geschuldet ist als der Tatsache, dass viele Haushalte mit Zuwanderungshintergrund in Deutschland einen niedrigen sozialen Status haben" heißt es im Teilhabeatlas.

Arbeitslosigkeit unter jungen Menschen

Und wer keinen Schulabschluss vorzuweisen hat, der oder dem gelingt es oft nur schwer, eine Ausbildung zu bekommen oder in Arbeit zu kommen. Der Anteil der Erwerbslosen in der Altersgruppe unter 25 Jahre wird als Jugendarbeitslosigkeit beschrieben.

Jugendliche im Ruhrgebiet und im Osten Deutschlands seien davon besonders betroffen, zum Beispiel in Gelsenkirchen, Herne und Schwerin. Oder auch in der Uckermark oder Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt: Mehr als zehn Prozent von ihnen haben dort keinen Job.

Regionen im Osten leiden teilweise immer noch an den Folgen des wirtschaftlichen Strukturwandels nach der Wiedervereinigung. Sehr viele Arbeitsplätze gingen verloren und noch heute liegen die Arbeitslosenquoten im Osten höher als in den westdeutschen Bundesländern – wenngleich auch nicht mehr so deutlich. In Sachsen-Anhalt liegt die Jugendarbeitslosigkeit in zwölf von 14 Kreisen und kreisfreien Städten bei über sieben Prozent, in Mansfeld-Südharz bei elf Prozent.

Schutz vor Diskriminierung und Sexismus wichtig für Teilhabe

Neben Schule und Arbeit ist der öffentliche Raum ein weiterer wichtiger Bereich, der Teilhabe-Chancen bestimmt. Diskriminierungserfahrungen in diesem Raum führen dazu, dass Jugendliche sich in der Öffentlichkeit unwohl fühlen. Diskriminierung erfahren betroffene Jugendliche laut der Studie wegen ihrer Herkunft, Hautfarbe, ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung. Hierzu führte die Studiengruppe qualitative Befragungen mit Kindern und Jugendlichen durch, zum Beispiel in Görlitz.

Teilweise würden diese Erfahrungen die jungen Menschen davon abhalten, an Freizeitaktivitäten teilzunehmen, oder ihre Eltern würden es aus Sicherheitsbedenken nicht erlauben, resümieren die Studienautoren. Insbesondere für Mädchen sei Sicherheit ein großes Thema: Sie berichten von unbeleuchteten Straßen und Bushaltestellen, Warnungen der Eltern und sexistischem Verhalten anderer Jugendlicher, weswegen sie manche Gegenden meiden würden. Andere blieben lieber gleich zu Hause.

LGBTIQ*-Jugendliche (lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie queere Menschen), die nicht heteronormativen Erwartungen entsprechen, berichten ebenfalls von Diskriminierung und Anfeindungen.

Osten glänzt mit Betreuungsangebot

Neben vielen Teilhabe-Hemmnissen verdeutlicht der Teilhabe-Atlas aber auch, dass der Osten des Landes mit einem guten Betreuungsangebot glänzen kann. Hier beginnen Teilhabechancen; wer im Vorschulalter gefördert wird, kann mitunter schlechtere Startvoraussetzungen leichter abfedern. Das gute Angebot im Osten sei dabei mitunter historisch zu erklären.

Vor dem Mauerfall gab es im Osten ein gut ausgebautes System der öffentlichen Kinderbetreuung, in dem Krippen weit verbreitet, kostenlos und von 6 Uhr bis 18 Uhr geöffnet waren, schreibt die Forschergruppe im Teilhabeatlas-Bericht.

Die geringste Lücke zwischen Bedarf und Nutzung hat im Untersuchungszeitraum demnach in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bestanden. Dort bekamen fast alle Eltern, die einen Bedarf anmeldeten, Plätze angeboten.

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