Schutz der Kinder vor sexualisierter Gewalt im Netz: "Eine Mammutaufgabe"
- Cyberkriminologe Rüdiger spricht von hohen Dunkelziffern bei Fällen sexualisierter Gewalt im Netz
- Extremismus, Betrug und Fakenews stellen weitere Gefahren für Kinder im digitalen Raum dar
- Sicherheitslücken bei den gängigen Plattformen Tiktok, Instagram und Telegram
Kinder und Jugendliche werden im Internet immer häufiger zum Ziel von Hassinhalten und sexualisierter Gewalt. Das geht aus dem aktuellen Jahresbericht des Kompetenzzentrums Jugendschutz.net hervor, das im vergangenen Jahr 17.630 Verstöße gegen den Jugendmedienschutz dokumentierte. Das sind demnach "mehr als doppelt so viele" wie jeweils in den Jahren zuvor – allein 90 Prozent davon betrafen sexualisierte Gewalt.
Für den Cyberkriminologen Thomas-Gabriel Rüdiger bilden die verzeichneten Fälle nicht das wahre Ausmaß ab. MDR AKTUELL sagte er, es handele sich nur um Meldungen; zu den echten Fällen lägen keine Aussagen vor, weil dafür die Dunkelziffer erhoben werden müsste. "Das Dunkelfeld beispielsweise beim Cybergrooming ist immens", sagte der Leiter des Instituts für Cyberkriminologie an der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg. Studien deuteten darauf hin, dass jedes vierte Kind oder Jugendlicher mit Sexualdelikten konfrontiert werde. Er sei "sehr enttäuscht" von den Schutzmaßnahmen, die im digitalen Raum offenbar nicht vorhanden seien.
Was Eltern zum Schutz ihrer Kinder tun können
Eltern rät Rüdiger, ihren Kinder nicht zu früh einen unkontrollierten Zugang zum digitalen Raum zu ermöglichen. "Seien Sie auch Vorbild", forderte er. Das beginne damit, Bilder der eigenen Kinder beispielsweise nicht im WhatsApp-Status oder in Profilbildern zu zeigen. Es sei schwer, Kindern das Posten ihrer eigenen Person zu verbieten, wenn Eltern das selbst täten.
Auch die digitale Bildung der Eltern müsse verbessert und sie müssten über Risiken aufgeklärt werden. "Das ist eine Mammutaufgabe", resümierte Rüdiger. Es gebe keinen individuellen Tipp für Eltern zum Schutz ihrer Kinder. "Das ist ein so großes Feld, dass man nicht sagen kann, kümmern Sie sich nur um eine Sache."

Extremismus, Betrug, Fakenews
Neben sexueller Gewalt und Belästigung können Kinder und Jugendliche aber auch weiteren Risiken ausgesetzt sein. "Aus meiner Sicht gibt es eigentlich kein Risiko, das wir sonst kennen und nicht auch im digitalen Raum gibt", erklärt Rüdiger. Das könnten Extremismus, Betrugsdelikte oder Fakenews sein.
Der Cyberkriminologe sieht aber auch gesellschaftliche Defizite beim Thema Hass und sexualisierte Gewalt im Netz: Es gebe inzwischen Generationen, die mit der Normalität solcher Übergriffe und Kriminalität im digitalen Raum aufgewachsen seien. "Wir haben uns als Gesellschaft viel zu wenig gefragt, was das bedeutet. Und wir haben viel zu wenig getan, um das zu verhindern", sagt Rüdiger.
Das sind Onlinespiele, das sind Messenger. Das kann über die Spielekonsole passieren oder soziale Medien.
Überall dort, wo es onlinebasierte Kommunikationsmöglichkeiten gebe, könne so etwas passieren, sagt Rüdiger. "Das sind Onlinespiele, das sind Messenger. Das kann über die Spielekonsole passieren oder soziale Medien." Der digitale Raum als solches sei für Kinder kein Ort, an dem sie sich aufhalten sollten, warnt Rüdiger.
KI als zusätzliche Gefahr
Der Leiter von Jugendschutz.net, Stefan Glaser, verweist auf eine zusätzliche Gefahr im Zusammenhang mit Hass und Gewalt im Netz: technische Innovationen und Künstliche Intelligenz. "Es ist leider inzwischen kinderleicht, Alltagsfotos in Nacktbilder zu verwandeln", sagte er. Diese würden dann missbraucht, um die Opfer zu mobben oder zu erpressen.

In dem Bericht des Kompetenzzentrums ist zudem von Sicherheitslücken bei einschlägigen Plattformen wie Tiktok, Instagram und Telegram die Rede. Aber auch die Austausch-Plattform Discord und die Kurzfilm-App Likee sind demnach betroffen. Überall dort komme es zu kind- und jugendgerechter Kontaktaufnahme von potenziellen Kriminellen.
Einige Plattformen hätten zwar ihre Schutzmaßnahmen verbessert, "solange das Alter aber nicht verlässlich geprüft wird, fehlt diesen Maßnahmen die nötige Durchschlagskraft", warnte Glaser. Zudem würden gemeldete Inhalte noch nicht schnell und umfassend genug gelöscht.
MDR/AFP(lik)
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