• Viele Solo-Selbstständige wie Anja Kühn lieben ihre Arbeit – doch die Bürokratie wird zunehmend zur Belastung.
  • Viele Kleinunternehmer fühlen sich im Koalitionsvertrag nicht mitgedacht.
  • Die Zahl der Solo-Selbstständigen sinkt – auch, weil gesellschaftliche Anerkennung und politische Rückendeckung fehlen.

Was Anja Kühn zum Arbeiten benötigt, hat sie bei sich zuhause. In einem Zimmer ihrer Leipziger Altbauwohnung bewahrt sie Schminkutensilien auf: Puder, Pinsel, Rouge und Cremes. An der Wand hängt ein großer Spiegel. Kühn betreibt hier, wie sie selbst sagt, Gesichtszauberei. Sie ist selbständige Maskenbildnerin: "Eigentlich wollte ich mal Journalistin werden", erzählt sie, "das war mein eigentliches Berufsziel. Ich habe mich dann dafür entschieden, weil ich gerne möchte, dass Frauen feststellen, wie wunderschön sie sind. Die meisten Frauen, die in den Spiegel schauen, sehen in allererster Linie ihre Mängel."

Anja Kühn ist selbstständige Maskenbildnerin in Leipzig.Bildrechte: MDR aktuell / Ralf Reißler (MDR AKTUELL)

Ich möchte gerne, dass Frauen in den Spiegel schauen und sehen, wie wundervoll sie sind.

Anja Kühn, Maskenbildnerin

Zwischen Puder, Pinsel und Paragrafen

Dafür fährt Kühn zu Kundinnen oder empfängt sie bei sich. Man kann sie für Hochzeiten buchen oder Bühnenauftritte – seit 23 Jahren schon. Kühn sagt, ihre Auftragslage sei gut. Leicht sei das Leben als Solo-Selbständige aber nicht: "Wir als Solo-Selbständige haben natürlich auch die gleichen Herausforderungen wie große Unternehmen."

Von Datenschutzgrundverordnung bis E-Rechnungen – ständig gebe es Neuerungen, erzählt Kühn und dazu noch die übliche Bürokratie mit Krankenkassen und Finanzamt: "All die Dinge, mit denen ich als Kreative wenig Berührung haben möchte."

Kühn kritisiert, Bürokratie halte sie von der Arbeit ab. Nun gibt es solche Klagen von Unternehmern schon länger. Überraschend ist dennoch, dass im Stimmungsbarometer des ifo-Instituts der Frust bei Kleinselbstständigen wieder zunimmt. Denn in der Gesamtwirtschaft hatte sich die Stimmung zuletzt leicht aufgehellt.

Kleinunternehmer fühlen sich politisch übergegangen

Für Andreas Lutz vom Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland gibt es einen Grund, warum die Stimmung der Kleinunternehmer von der Stimmung der Großen zunehmend abweicht: "Ich glaube, dass es die Enttäuschung über den Koalitionsvertrag ist."

Für die großen Unternehmen habe die Bundesregierung allerhand geplant: "Höhere Verschuldung, niedrigere Energiepreise, branchenspezifische Steuervorteile oder Subventionen. Für Solo- und Kleinstunternehmen fehlt jedoch im Koalitionsvertrag ein Plan."

Lutz kritisiert, die Politik habe die Millionen kleiner Unternehmer vergessen. Dabei würden sie eine enorme Last tragen. In die Krankenversicherung zahlen sie das Doppelte ein. Denn kein Arbeitgeber übernimmt die Hälfte. Um ihre Rente müssten sie sich selbst kümmern. Und an gesellschaftlicher Wertschätzung mangele es auch.

Anzahl der Selbstständigen seit Jahren rückläufig

Letzteres sieht auch Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle so: "Die Anzahl der Selbständigen in Deutschland ist seit langer Zeit rückläufig. Das ist tatsächlich etwas, was man auch mit Sorge beobachten kann. Die Risikobereitschaft spielt dabei eine Rolle, aber auch das öffentliche Ansehen von Unternehmertum in Deutschland wird hier immer als ein Faktor genannt, der auch hemmend wirken könnte."

Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes arbeiten noch knapp vier Prozent aller Erwerbstätigen als Solo-Selbständige. Dass der Anteil seit Jahren sinkt, liegt auch an den gestiegenen Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt. Selbständig ist man heute zumeist aus Überzeugung – so wie Anja Kühn. Ihre eigene Chefin zu sein, hat sie nie bereut. Gleichwohl sagt auch die Leipzigerin: Wer heute anfängt, habe es schwerer als sie – vor 23 Jahren.

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