Methan auf der Spur: Wie man das schädliche Klimagas aufhält
- Methan stammt hauptsächlich aus der Landwirtschaft und der fossilen Energieerzeugung
- Messtechniken aus der Luft und dem All helfen dabei kleine und große Quellen schnell aufzuspüren und zu schließen
- Schnell Methan zu reduzieren, verschafft der Weltgemeinschaft Zeit im Kampf gegen den Klimawandel
True Crime trifft Umweltforschung
Dieses Ereignis prägte tagelang die Schlagzeilen: Die Explosionen an den Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee im Herbst 2022. Wer hat die Pipelines in die Luft gejagt? Zeitgleich zu den kriminalistischen Ermittlungen und politischen Einordnungen nahmen auch Umweltforscherinnen ihre Arbeit auf.

Wenige Tage später konnten Astrid Lampert von der Technischen Universität Braunschweig und Anke Roiger vom Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum den Tatort anfliegen: "Wir sind da kurzfristig und schnell mit dem Helipod hin und haben Messungen gemacht. Das waren die einzigen luftgetragenen Messungen", sagt Anke Roiger.

Sie konnten beobachten, wie sich das Methan im Meer ausbreitet: "Nicht alles hat es direkt an die Oberfläche geschafft, ein Teil ist mit der Ozeanströmung getrieben und später ausgetreten oder noch unter Wasser", so die Forscherin.
Das größte Methan-Leck aller Zeiten
Auch die Daten vom DLR und der TU Braunschweig haben dazu beigetragen, dass Forschende sicher sagen können: Die Nord-Stream-Explosionen waren das größte Methan-Leck aller Zeiten. Fast 500.000 Tonnen traten aus den Pipelines aus, immerhin ein Drittel der gesamten deutschen und 0,1% der weltweiten Emissionen an Methan – ausgelöst durch ein einziges Ereignis.
Fossile Energiequellen wie Gas, Kohle und Öl machen mehr als 30% aller menschengemachten Methanemissionen aus. Landwirtschaft, also Tierhaltung und Reisanbau sowie Müllhalden sind die anderen Hauptquellen, die durch den Menschen entstehen. Auch auf natürliche Weise entsteht Methan: etwa durch mikrobielle Prozesse in tropischen Regenwäldern oder im Boden. Den natürlichen Kreislauf allerdings hat der Mensch aus dem Tritt gebracht.
Methankonzentration steigt zunehmend
"Methan steigt schneller in den letzten Jahren und das ist definitiv ein Grund zur Beunruhigung", warnt Meteorologin Anke Roiger. Methan hat eine stärkere Klimawirkung als CO2. Eine Tonne Methan wirkt laut dem Klimarat IPCC in den ersten 20 Jahren wie etwa 80 Tonnen CO2. Ein Drittel der Erderwärmung wird auf Methan zurückgeführt.
Daher sei es umso wichtiger, Methanquellen aufzuspüren und zu reduzieren, erklärt Roiger. Der Helipod vom DLR und der TU Braunschweig soll im Normalfall kleinere Methanereignisse aufdecken, etwa bei der Überwachung von Müllhalden oder Rinderherden. So kann er eine gute Ergänzung liefern zu den anderen Datengebern über Treibhausgase: Satelliten.
Die Schnüffler aus dem All
Am 13. Oktober 2017 um 11:27 Uhr Ortszeit hebt vom Weltraumbahnhof Kosmodrom Plessezk im Norden Russlands eine Rakete in den Orbit. In diesen Tagen ist die Zusammenarbeit im All zwischen der EU und Russland noch gewöhnlich. Das Besondere ist lediglich die Fracht an Bord der Rakete: Der europäische Satellit "Sentinel-5P". Eine neue Generation Schnüffler aus dem All. Einmal am Tag umkreist der Satellit die Erde und scant sie komplett ab, von weit oben in der Atmosphäre bis hinab zur Oberfläche.

In seinem Riecher: Alle Treibhausgase, die in die Atmosphäre entweichen und ihre Ursache, räumlich und zeitlich relativ genau. Darunter eben auch: Methan. Wo Sentinel-5P wohl gerade seine Bahnen zieht? Über der Antarktis, relativ arm an Methan? Über der nordchinesischen Region Shanxi – dem absoluten Methan-Hotspot der Welt? Oder deutlich näher bei uns, vielleicht über Südpolen?

Denn die Satellitenbilder zeigen: Auch da ist ein Hotspot.

Auch da ist ein Leck.

Eines, das nicht nur einmal, sondern immer wieder auftritt. Eines, das sich leicht vermeiden ließe.

Geister-Gase aus der Grube
Polen ist eines der wenigen Länder Europas, das neben Braunkohle auch Steinkohle fördert und verbrennt. Zentrum der Kohleförderung ist die Region rund um Krakau im Süden. Anders als bei Braunkohle, die nah an der Erdoberfläche liegt, muss man für Steinkohle hunderte Meter tief ins Erdinnere hinab.

Doch wer einmal einen Schacht bohrt, der weckt die Geister aus der Tiefe: Denn das unterm Berg ruhende Methan entweicht nun durch die Schächte nach oben. Will man die Steinkohle fördern, muss es sogar rauskommen: andernfalls explodiert das entzündliche Gas bei der Förderung. Deshalb schützen Belüftungsschächte für Methan die Bergarbeiter bei ihren Schichten. Steinkohle erzeugt also einen doppelten Klimaeffekt: durch das ungewollte Methan aus dem Schacht und die Kohle selbst.

Auch wenn die Minen schon lange verlassen und vergessen sind, entweicht das Methan weiter – bis zu hundert Jahre lang. Abertausende Tonnen gelangen so jedes Jahr durch die Minen in die Atmosphäre. In Polen ist der Kohlebergbau die größte Methan-Quelle. Global gesehen gilt: Kohle erzeugt mehr Methan als Gas und Öl – und obendrein mehr CO2.
Es könnte sogar noch mehr werden, wenn nichts passiert, denn immer mehr Minen werden stillgelegt, verlassen, vergessen.

Deutschland hat allerdings eine Lösung dagegen gefunden:

Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz Gas absaugen
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz fördert sei 2000 Strom aus Sonne und Wind. Wie passt ein Gas aus der Grube dazu? Durch einen "Glücksgriff", sagt Klimaforscher Ralf Sussmann vom Karlsruhe-Institut für Technologie. Er erforscht seit Jahrzehnten die Entwicklung von Methan der Atmosphäre.
Laut Sussmann wurde das unvermeidliche Grubengas damals kurzerhand zu einer erneuerbaren Energiequelle erklärt: All denen wurde Geld gezahlt, die verhinderten, dass es einfach so aus den vielen Steinkohleschächten in Deutschland entweicht. Es folgte ein regelrechter Boom von Blockheizkraftwerken: So wurde das Methan lokal an den Kohleschächten in Strom und Wärme umgewandelt.
Schätzungen zufolge wurden durch die Nutzung des Gases in den letzten 20 Jahren 75 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente vermieden. Noch heute erzeugt das Gas aus der Grube in Deutschland genug Energie, um hunderttausende Menschen zu versorgen. Die Methanemissionen aus Kohle sind seither in sich zusammengefallen – das Umweltbundesamt verbucht seit 2000 einen Rückgang um 95%.

Strom aus Grubengas – deutscher Exportschlager?
Dieser deutsche Weg zeigt: Man kann das Gas nutzen, statt es in die Atmosphäre entweichen zu lassen. Energie für Verbraucher, Geld für Unternehmen, weniger Emissionen für Alle. Auch die Internationale Energieagentur schreibt:
40 Prozent der aktuellen Methan-Emissionen aus Kohle, Gas und Öl lassen sich ohne Kosten, sogar mit Gewinn für die Betreiber reduzieren: Das sind fast 50 Millionen Tonnen Methan oder bis zu 4.000 Millionen Tonnen CO2.

Klimaschutz, der Geld bringt – wenn das mal kein Exportschlager ist. Auf Anfrage von ARD-WISSEN schreibt das deutsche Bundeswirtschaftsministerium: Es hat keine Informationen darüber, ob das Erfolgsmodell Grubengas-Nutzung auch nach Südpolen oder in andere Kohleregionen (China, Australien, Kolumbien, USA, Russland) exportiert wird.
Macht die EU Schicht im Schacht?

Seit kurzem gilt in Europa eine neue Verordnung zum Methan: Energieversorger müssen ihre Emissionen besser und regelmäßiger überwachen und natürlich auch verringern: Dazu zählen Lecks an Öl-Bohrlöchern, an der Gas-Infrastruktur und eben die aktiven und verlassenen Steinkohleminen in Südpolen und anderswo.
Methanforscher wie Ralf Sussmann halten die genaue Überwachung für entscheidend: "Keine Kohlegrube, kein Borhloch ist wie das andere. Es gibt manche, die stoßen extrem viel aus, andere gar nichts mehr. Es ist schwierig, das ohne Messungen zu merken und aufzuhalten". Satellitendaten wie die von Sentinel-5P, aufbereitet vom europäischen Tech-Startup Kayrros, oder auch die Aufnahmen des Helipod helfen dabei, die genauen Quellen zu identifizieren und zu schließen.
Wer Methan reduziert, bringt Klimaziele wieder in Reichweite
Die Weltgemeinschaft will die Methanemissionen deutlich verringern: In einem ersten Schritt bis 2030 um 30 Prozent. Ein Erfolg wäre schnell sichtbar. Denn darin liegt der bedeutende Unterschied zwischen Methan und CO2:
"Wenn ich heute die CO2-Emissionen auf Null senke, dann habe ich hunderte Jahre Altlasten: CO2 bleibt hunderte Jahre in der Atmosphäre. Die Ausheilung, dass es wieder kühler wird, ist wahnsinnig langsam. Völlig anders beim Methan: Methan ist nach zehn bis zwölf Jahren aus der Atmosphäre verschwunden. Man hat sofort einen Kühlungseffekt", sagt Ralf Sussmann.
"Es lohnt sich daher, viel in die Reduktion von Methanemissionen zu investieren", ergänzt Meteorologin Anke Roiger vom DLR. Studien können diesen Kühlungseffekt relativ genau beziffern: Wenn die Weltgemeinschaft die Emissionen schnell senkt, könnten die Temperaturunterschiede bis 2045 bei bis zu 0,3 Grad liegen – im Vergleich zum Weiter-so. Positive Gesundheitseffekte gibt es on top, weil weniger Methan auch weniger Luftverschmutzung, Asthma und Herzkreislauferkrankungen bedeutet.

Damit können globale Klimaziele, die aktuell außer Sicht sind, wieder in Reichweite kommen. Noch steigen die Emissionen aber weiter.
Links/Studien
Global Methane Budget 2000-2020. Saunois, Martinez et al. 2024, Earth System Science Data.
The Methane Imperative. Shindell et. al. 2024. Frontiers in Science.
Global Methane Tracker 2024. Internationale Energieagentur.
Eye on Methane. International Methane Emissions Observatory. UN Environment Programme.
Global Energy Monitor. Offene Daten über die weltweite Infrastruktur fossiler Energieträger.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke