Der weiße Stoff fühlt sich wie Seide an, ganz glatt und weich, fast ein wenig edel. Doch der Faden, aus dem er gewebt wurde, stammt nicht von Schmetterlingsraupen. Es handelt sich um Kunstfaser, im Grunde also Plastik, das im Labor aus Erdöl synthetisiert wurde. Die Besonderheit hier ist aber nicht nur die schöne Haptik, das gute Gefühl bei der Berührung. Sondern das Plastik ist auch leicht recycelbar. Diesen Stoff könnte man sogar essen und verdauen, sagt Manuel Häußler, Gründer des Start-up-Unternehmens Aeveloop.

Man hat nur nie darüber nachgedacht, was eigentlich passiert, wenn das Plastikprodukt das Ende seines Lebenszyklus erreicht.

Manuel Häußler, CEO Aeveloop

Plastik ist Segen und Fluch zugleich. Die Erfindung von Kunststoffen, die man aus Erdöl herstellen kann, hat die Welt fraglos verändert. Plastik ist robust und leicht, nahezu beliebig formbar und günstig herzustellen. Es steckt in jeder Art von Produkt. Natürlich denkt man zunächst an Verpackungen, aber auch die Medizintechnik ist dank günstiger Materialien wie Schläuche, Spritzen, Heftklammern und ähnlichem viel hygienischer und sicherer geworden. In Fahrzeugen sind Schalter und Hebel aus Plastik. Kunststoffe stecken im Display hinter dem Lenkrad, in der Innenausstattung, aber auch in den Reifen. Und natürlich sind Kunstfasern wie Elastan in zahlreichen Kleidungsstücken enthalten. Sieht man sich in der eigenen Wohnung oder dem eigenen Arbeitsplatz um, dann fällt es heute schwer, nicht sofort irgendwelche Gegenstände aus Plastik auszumachen.

Das große Problem am Wundermaterial fasst Manuel Häußler so zusammen: „Man hat nur nie darüber nachgedacht, was eigentlich passiert, wenn das Plastikprodukt das Ende seines Lebenszyklus erreicht."

Manuel HäußlerBildrechte: Swen Reichhold

Plastik ist so robust, es übersteht mitunter tausende Jahre in der Umwelt, bevor es zerfällt. Die bekannten Folgen: Plastikmüll verschmutzt die Weltmeere. Unzählige Tiere verhungern, weil sie versehentlich Plastik fressen, das aber unverdaulich ist, den Magen verstopft und verhindert, dass die Tiere echte Nahrung zu sich nehmen können. Durch Wind, Wetter und Wasser werden die Plastikpartikel zwar kleiner. Trotzdem zerfallen sie nicht vollständig. Dieses Mikroplastik nehmen auch wir Menschen zu uns. Jede Woche das Äquivalent einer ganzen Kreditkarte.

Kunststoff von Aeveloop: Sollbruchstellen machen Plastik biologisch abbaubar

Nun gibt es zwar Produzenten, die Kunststoffe biologisch herstellen, statt Erdöl verwenden sie Stärke und Zucker aus Mais und Rüben. Doch oft ist dieses Plastik teurer und nicht so stabil wie gewünscht. Doch das soll sich dank Aeveloop nun gründlich ändern. Gründer Häußler glaubt, das Eierlegende-Woll-Milch-Plastik erfunden zu haben: perfekt stabil, günstig und sehr leicht recycelbar.

Der Trick steckt in der grundlegenden Molekülstruktur. Denn die für Plastik typischen langen Ketten von Kohlenwasserstoffen, die sogenannten Polymere, gibt es auch hier. Doch Aeveloop baut darin eine Art Sollbruchstellen ein. Die Kette wird immer wieder von Sauerstoffatomen unterbrochen. „Das stört im Betrieb nicht“, sagt Häußler. Aber wenn eine Recyclinganlage oder ein Verdauungsbakterium den Kunststoff später zersetzen will, ist das wesentlich einfacher als heute: Der Kunststoff wird an den vorgesehenen Stellen brechen und die Bruchstücke werden leicht abbaubar sein.

Start-up Chemie: Großforschungszentrum CTC im Zentrum eines neuen Ökosystems

Entwickelt hat Häußler dieses Prinzip während seiner Doktorarbeit am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Konstanz am Bodensee. Teile der wissenschaftlichen Arbeit veröffentlichte er 2021 im renommierten Journal „nature“. Doch danach machte er die frustrierende Erfahrung: „Wenn ich das selbst nicht in die Anwendung bringe, dann passiert es einfach nicht.“ Denn die bestehenden Industrieunternehmen würden ihre Produkte von sich aus nicht verändern.

Häußler musste also selbst gründen und schloss sich dazu mit Philipp Kessler zusammen, einem erfahrenen Start-up-Gründer. Im Februar 2024 hoben sie Aeveloop aus der Taufe. Sechs Monate später gab es bereits die ersten Prototypen. Und 2025 zog das junge Unternehmen schließlich nach Leipzig. Neben Fördergeldern war dafür auch das im Aufbau befindliche „Centre for the transformation of Chemistry“ (CTC) entscheidend. Denn das CTC soll an seinen Standorten in Delitzsch und in Leuna sehr vielen ähnlichen Ansätzen zum Durchbruch verhelfen, nämlich chemische Produkte grundsätzlich recycelbar zu machen. Das wird in Zukunft neues Know-how schaffen, von dem die Firma profitieren kann und auf der anderen Seite neue Arbeitskräfte und Industriepartner anlocken.

Zukunftsthema für Polymerforschung: Recycling und Nachhaltigkeit

Aveloops Plastik lasse sich leicht von anderen Kunststoffen unterscheiden, sagt Häusler, beispielsweise mit infrarotem Licht. Bei der Wiederverwertung brechen die Polymere dank der Sollbruchstellen unter geringem Energieeinsatz wieder auf. Die so gewonnenen Ausgangsmaterialien können rasch wiederverwendet werden. Bis zu 96 Prozent des Ausgangsmaterials sollen auf diese Weise in einen neuen Produktzyklus überführt werden. Gerät ein Plastikteil stattdessen in die Umwelt, etwa in die Meere, brechen dort Bakterien die Ketten auf. In weniger als fünf Jahren wäre von dem Kunststoff nichts mehr übrig, sagt Manuel Häusler.

Wird Aeveloop eine Revolution bei der Kunststoffherstellung einläuten? Noch ist es für eine solche optimistische Prognose zu früh. Bei der Vorstellung in Leipzig Ende Mai sagt CTC-Gründungsdirektor Peter Seeberger: „Von zehn Start-ups scheitern sechs kurz nach der Gründung. Zwei weitere scheitern an den Schwierigkeiten in den Jahren danach. Und zwei schaffen es am Ende.“ Doch Scheitern sei keine Schande, sondern gehöre dazu. Mindestens die Erfahrung mache Gründer reicher, sagt der Wissenschaftler, der bereits am berühmten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston erlebt hat, wie das Zusammenspiel aus Forschung und Gründerszene aussehen kann.

Aeveloop will aus eigener Kraft profitabel sein

Was für das Start-up spricht, das unter anderem auch Förderung der in Leipzig ansässigen Bundesagentur für Sprunginnovationen (Sprin-d) erhielt: Sein recyclebares Plastik kostet nicht wesentlich mehr als konventionelle Kunststoffe. Aeveloop wird es in der Form kleiner Pellets an Industriekunden liefern, die daraus Verpackungen oder andere Kunststoffteile fertigen. Dabei verhält sich das Plastik genau wie übliche Kunststoffe. Es müssen also keine neuen Maschinen angeschafft werden, das Recyclingplastik kann einfach in bestehende Produktionskreisläufe eingeführt werden. Und: Sollten Gesetze einmal die Wiederverwendbarkeit von Kunststoffen vorschreiben, wäre das zwar hilfreich für das Start-up. „Aber wir rechnen nicht damit“, sagt Häusler.

Bis die Regulierung so weit ist, soll seine Firma längst aus eigener Kraft profitabel sein.

Links/Studien

  • Häußler et.al.(2021): Closed-loop recycling of polyethylene-like materials, nature

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