Oli (23) ist in Schwemsal zuhause – ein kleines Dorf in Sachsen-Anhalt mit alten Fachwerkhäusern, einer Landbäckerei und zwei Pensionen. Drumherum Felder und Wiesen, soweit das Auge reicht. Und kurz vor dem ersten Feld wohnt Oli. Er ist Elektriker und trainiert in seiner Freizeit die Fußballjugend. In Schwemsal wohnt er richtig gern: "Der Fußballplatz ist immer frei, meine Freunde wohnen höchstens fünf Minuten von mir entfernt und gegenüber von mir gibt es einen Pferdehof."

In dieser Dorfidylle möchte Oli weiter wohnen bleiben, hier sieht er seine Zukunft: "Meine Kindheit hier war einfach ein Banger. Wenn meine Kinder das später auch mal haben können, wäre das schon nice." Wenn Oli eine Familie gründet, dann also auf dem Land. Das Problem ist nur: Dafür fehlt ihm momentan eine Partnerin – und eine Beziehung auf dem Dorf zu finden, ist gar nicht so leicht.

Weniger Menschen, mehr Ältere

Henrik Schubert sieht Olis Problem auch aus der wissenschaftlichen Perspektive. Schubert ist Doktorand am Max-Planck-Institut für demografische Forschung und weiß, dass die Bevölkerungsstrukturen auf dem Land anders aussehen: "Erstens leben dort weniger Menschen, zweitens ist die Bevölkerung tendenziell älter", sagt Schubert. Und was noch erschwerend hinzu kommt: "Gerade in Ostdeutschland gibt es die Tendenz, dass mehr Männer als Frauen im ländlichen Raum wohnen, während das in städtischen Räumen genau umgekehrt ist."

Bei jungen Erwachsenen zwischen 20 und 29 Jahren gibt es einen regelrechten Männerüberschuss, der Dating für heterosexuelle Männer auf dem Land besonders schwierig macht. Betrachtet man das Geschlechterverhältnis für alle Gemeinden im MDR-Gebiet und greift die Gemeinde aus der Mitte der Reihe heraus, kommen auf 100 Frauen ganze 118 Männer.

Laut Experte Henrik Schubert gibt es strukturelle Faktoren, die beeinflussen, warum Frauen lieber in der Stadt wohnen: "In den letzten Dekaden ist der Anteil der Studentinnen gestiegen. Männer dagegen arbeiten häufiger in der Landwirtschaft und in Industriebetrieben, die eher auf dem Land angesiedelt sind."

Emily trifft Oli

Anders ist es bei Emily (19). Sie wohnt in dem 200-Seelen-Dorf Treugeböhla in Nordsachsen und macht gerade eine Ausbildung zur Tischlerin. Am Landleben liebt sie die Freiheit: "Ich gehe raus und habe keine Häuser um mich herum, sondern nur Bäume und Felder. Das ist schön!"

Ebenso wie Oli trainiert auch Emily eine Jugendmannschaft in ihrer Freizeit. Und ebenso wie Oli ist auch sie auf der Suche nach einer Beziehung. Die meisten Beziehungen, die Emily kennt, sind durch gemeinsame Freundeskreise entstanden. Oder durch Dorfpartys. "Das ist aber meistens schwierig, weil das durch die Nachbarn dann immer durch das ganze Dorf geht", sagt sie.

Der sogenannte Dorffunk wird auch in der Wissenschaft untersucht. Ralph Richter ist Stadt- und Regionalsoziologe am Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung forscht schon länger dazu. Er sagt: "Die geringe Anonymität im ländlichen Raum ist beim Daten schon ein Problem. Gerade dort gibt es bestimmte Vorstellungen, die traditioneller sind, und wer sich nicht daran hält, kann schnell einen schlechten Ruf wegbekommen."

Emily und Oli sollen sich für dieses Recherche-Projekt auf einem Blind Date kennenlernen. Wer wissen möchte, wie das abgelaufen ist, kann sich den dreiteiligen Podcast "Live Love Land" dazu anhören.

Der Treffpunkt für das Blind Date: Ein Café in Bad Düben, ganz in der Nähe von Olis Wohnort. Emily muss dafür erstmal zwei Stunden mit dem Auto fahren. Obwohl es in der Kleinstadt Bad Düben insgesamt zehn Restaurants und Cafés gibt, hat nur ein einziges am Sonntagnachmittag geöffnet. Kino, Kegelbahn oder Minigolf? Gibt es hier alles nicht! Wo also können sich junge Leute auf dem Land noch kennenlernen, wenn sie nicht mehr in die Schule gehen?

Wo trifft man sich auf dem Land?

Stadt- und Regionalsoziologe Ralph Richter untersucht schon länger den Verlust von sogenannten "Dritten Orten" auf dem Land – Orte also, die außerhalb des eigenen Zuhauses (erster Ort) und des Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes (zweiter Ort) liegen und an denen soziale Begegnungen stattfinden, wie etwa die Dorfkneipe oder der Dorfladen. "Jüngere treffen sich, klar, in der Schule oder im Verein. Das ist eine Besonderheit am Landleben, dass dort nach wie vor die Vereinstätigkeit viel ausgeprägter ist und eine große Rolle spielt", so Richter.

Für junge Erwachsene ab 25, die Single sind und auf dem Land wohnen, seien die Möglichkeiten aber beschränkter: "Da trifft man sich dann in Cafés, aber auch in Clubs, Discos oder Konzerthäusern. Die gibt es natürlich auch, aber in der Regel sind sie ein Stück weiter entfernt."

Wie weit genau der nächste Ort für das Date entfernt ist, zeigt das folgende Datentool. Einfach anklicken, Ort eingeben und los geht's!

Emily und Oli haben trotz der begrenzten Möglichkeiten einen Ort für ihr gemeinsames Date gefunden. Und nicht nur für ihr erstes Date... Wie es mit den beiden nach dem ersten Kennenlernen weitergegangen ist, kann man im dreiteiligen Podcast "Live Love Land" hören.

Das Team

Text: Johanna Bernklau
Daten: Gyde Hansen, Maximilian Greger, Jakob Kluck
Recherche: Ella Gößelein, Alina Haynert, Melissa Nüßle, Friederike Pick, Hanna Rieger, Lea Schön, Tabea Volz, Therese Werner, Lina Wölfel

Das Projekt

Für dieses Recherche-Projekt hat MDR WISSEN mit Studierenden des Journalismus-Masters der Universität Leipzig kooperiert. Entstanden ist neben diesem Web-Projekt der dreiteilige Podcast "Live Love Land", der Emily und Oli bei ihrem ersten Treffen und den Herausforderungen bei der Partnersuche begleitet: Wo findet man auf dem Land einen Partner? Wo trifft man sich für ein Date? Und wie kommt man dorthin? All das wird eingeordnet von Wissenschaftlern und Fachleuten, die das Team für den Podcast befragt hat.

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