Warum immer mehr Jugendliche trotz Azubi-Mangel keine Lehrstelle bekommen
- Die Bewerbungen für Lehrstellen gehen zurück – und weisen oft Qualitätsmängel auf.
- Doch die Gründe für den Mangel an Auszubildenden sind weit vielschichtiger.
- Eine Besetzung aller Lehrstellen ist nicht realistischer, wohl aber eine moderate Steigerung.
Es ist ein Problem mit Lücken auf zwei Seiten: Auf der einen stehen jedes Jahr rund 250.000 junge Menschen in Deutschland, die ohne Erfolg einen Ausbildungsplatz suchen. Kristof Becker, Bundesjugendsekretär beim Deutschen Gewerkschaftsbund, sagt dazu: "Das liegt nicht dran, dass die blöd sind, oder nicht fähig sind, sondern sie finden nicht den richtigen Ausbildungsplatz, die Betriebe lehnen sie ab, weil sei vermeintlich nicht gut genug sind. Die Betriebe müssen da ihre Ansprüche runterschrauben."
Weniger und qualitativ schlechtere Bewerbungen
Auf deren Seite klafft ebenfalls eine Lücke: rund 70.000 Stellen blieben in den vergangenen Jahren jeweils unbesetzt.
Aus Sicht der Betriebe ist das Problem vor allem, dass immer weniger junge Leute sich bewerben – und dass die Qualität der Bewerbungen sinkt, sagt Thomas Fahlbusch, der bei der IHK Erfurt den Bereich Aus- und Weiterbildung leitet: "Das betrifft zum einen natürlich die schulischen Voraussetzungen, wenn es um mathematische Fähigkeiten geht, oder wenn ich in die sprachliche Qualifikation reinschaue. Hinzu kommen natürlich auch die sogenannten Soft Skills, wenn es darum geht, wie zuverlässig oder wie pünktlich jemand ist."
Gründe für Azubi-Mangel sind vielschichtig
Bernd Fitzenberger, Direktor am IAB, dem Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit, zählt noch mehr Gründe für das Missverhältnis auf: Manche Ausbildungen seien sehr gefragt, andere dagegen gar nicht. Manchmal lägen Wunsch-Ausbildungsplatz, Berufsschule und Wohnort zu weit auseinander. Vor allem seit Corona fehle es am Kontakt zwischen Betrieben und Jugendlichen. Und: Immer mehr brächen die Ausbildung wieder ab.
"Ich glaube es ist die Summe aller Faktoren, die zu einer fast krisenhaften Situation im Ausbildungsmarkt führt", resümiert Fitzenberger.
Hundert Prozent besetzte Lehrstellen nicht realistisch
Von außen betrachtet scheint es, als wäre es eine Frage des Matchings. 70.000 Stellen bleiben jährlich frei – rechnerisch müssten also 70.000 Jugendliche mehr eine Stelle finden.
Ganz so einfach sei es aber nicht, erklärt Fitzenberger. Man wird nie 100 Prozent erreichen, weil Stellen und Bewerber nicht immer aufeinanderpassen, weil junge Menschen auch Alternativen haben, andere Ziele im Leben. Aber 10, 20, 30 Prozent mehr Integration in eine Berufsausbildung, sei es betrieblich oder schulisch, das wäre wirklich ein Ziel, das man anstreben sollte.
Gewerkschaftsbund fordert breiteres Angebot
Wie aber soll das gehen? Kommt darauf an, wen man fragt. Der Gewerkschaftsbund, der aus Sicht der Bewerber auf das Problem blickt, fordert für diese ein breiteres Angebot.
Bundesjugendsekretär Kristof Becker meint dazu: "Im Grundgesetz steht die Berufswahlfreiheit, und jedem jungen Menschen müssen die Türen offenstehen, den Beruf zu ergreifen und die Ausbildung zu machen, die er oder sie möchte. Deswegen braucht es nicht gleich viele Ausbildungsberufe und man muss die zusammenmatchen, sondern es braucht mehr Ausbildungsplätze als junge Menschen auf dem Markt sind und einen Ausbildungsplatz suchen."
In einem Punkt sind sich alle einig: Die Berufsorientierung an Schulen müsse besser werden, damit Jugendliche und Betriebe einfacher in Kontakt kommen. Vor allem an Gymnasien liege hier einiges im Argen.
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