Verbraucherinnen und Verbraucher spielen eine wichtige Rolle beim Klimaschutz
An der Klimakrise ist der Einzelne nicht schuld, die großen Verursacher sind andere. Einer Analyse der NGO Carbon Disclosure Project zufolge lassen sich 70 Prozent der weltweiten Emissionen auf nur 100 Produzenten zurückführen. Das sind fossile Unternehmen und Staaten, die stark auf fossile Energien setzen. Und auch der Weltklimarat IPCC mahnt an, dass für die Begrenzung der Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius eine systemische Transformation notwendig ist.
Trotzdem sind wir alle ein kleiner Teil des Problems. Für Menschen, denen das Klima am Herzen liegt, kann das frustrierend und entmutigend sein. Bringt es überhaupt etwas, das eigene Verhalten zu ändern? Lohnt es sich, das teure Bahnticket zu kaufen statt mit dem Auto zu fahren oder die Heizung im Winter etwas herunterzuregeln? Alles Dinge, die – kann man sie sich leisten – keine große Sache sind, aber das Leben doch ein bisschen weniger komfortabel machen.
Welches Potenzial steckt in Konsum-Entscheidungen?
Tatsächlich wird die Klimakrise kaum in den Griff zu bekommen sein, wenn wir öfter mal das Fahrrad nehmen und ab und an das Schnitzel weglassen. Doch wenn der Klimawandel auf einer systemischen Ebene gelöst werden muss, weiß ich nicht, was ich beitragen kann, und tue im Zweifelsfall gar nichts. Das ist aber auch nicht zielführend, denn wir Konsumentinnen und Konsumenten haben einen Einfluss, der nicht zu unterschätzen ist.
Besonders motivierend bringt das Benjamin Sovacool, Professor für Global Sustainability an der Boston University, rüber. Er sagt: "72 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen sind auf Verbraucher zurückzuführen. Unsere Entscheidungen darüber, was wir essen, wo wir leben, ob wir ein Auto haben – unser Lebensstil – spiegeln 72 Prozent der Emissionen wider. Wir haben es also in der Hand."
In einer Studie, für die er mit seinem Team in vier europäischen Ländern – darunter auch Deutschland – hunderte Haushalte befragt hat, zeige: Haushalte müssten nur in drei Bereichen Veränderungen vornehmen, um deutlich weniger Emissionen zu verursachen: weniger Fleisch und regional essen, auf Flüge verzichten und fossil-frei heizen. "Wenn man diese drei Dinge ändert, kann man seine Emissionen um 80 Prozent senken. Und wenn alle Haushalte das tun würden, hätten wir es geschafft", bilanziert Sovacool.
Aber stimmt das so? Felix Creutzig hat sich mit der Rolle des Verbrauchers in der Klimakrise intensiv beschäftigt. Der Professor am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) hat für den jüngsten Weltklimabericht das Kapitel zu Konsumenten geleitet. Er sagt: "Mehr als die Hälfte der Emissionen entfällt auf die Sektoren Mobilität, Heizen und Ernährung. Und in all diesen Bereichen können wir als Konsumenten tatsächlich aktiv werden."

Wie groß der eigene Einfluss tatsächlich ist, sei schwer zu beziffern, erklärt Kai Wehnemann vom Umweltbundesamt (UBA). Er ist federführend verantwortlich für die Erstellung der Treibhausgasprojektionen Deutschlands. "Die prozentualen Tonnen sind einigermaßen schwierig zu messen", sagt er. "Aber man kann vielleicht sagen, so die Hälfte des eigenen Fußabdrucks kann durch wenige große Punkte eingespart werden." Mit dem CO2-Fußabdruck-Rechner des UBA kann man herausfinden, wie groß der eigentlich ist und wo die individuellen Schwerpunkte liegen.
Tun, was man tun kann
Alle drei Bereiche bieten deutliche, individuelle Einsparpotentiale. Beim Thema Ernährung sei er sogar schockiert gewesen, als er die Informationen dafür für den Weltklimarat zusammengetragen habe, erzählt PIK-Forscher Creutzig. "Der größte Bereich, wo am meisten Treibhausgasemissionen eingespart werden, ist die Ernährung." Dafür müssten wir unser Essen zum Großteil von einer fleischbasierten auf eine pflanzenbasierte Ernährungsweise umstellen. "Dann kann ganz viel eingespart werden auch über die Landnutzung und weniger Abholzung. Doch das Kulturelle ist ein großer Faktor. Ernährung ist in uns drin, das sind wir gewohnt aus der Kindheit." Deshalb falle vielen die Verhaltensänderung hier besonders schwer.
Durch die richtigen Konsumentscheidungen kann man viel erreichen.
Bei der Mobilität kann es etwas leichter sein, die klimaschonende Entscheidung zu treffen, erklärt Benjamin Köhler vom Öko-Institut. "Ich kann mich jeden Tag fragen, ob ich für zwei Kilometer Weg wirklich das Auto nehmen will oder vielleicht auch laufen oder mit dem Fahrrad fahren kann. Für längere Reisen kann ich auch mal eher den Zug nehmen." Beim Thema Heizen wird es da schon schwieriger. Mieter können beispielsweise nur die Raumtemperatur leicht absenken, aber insbesondere wer Eigentum hat, hat auch die Wahl: "Wenn ein Heizungstausch ansteht, kann ich mich bewusst damit auseinandersetzen, welche klimaschonenden emissionsfreien Alternativen es gibt", so Köhler.
Wenn das viele machen würden, wäre der Effekt groß: "Beim Heizen haben die privaten Haushalte ungefähr einen Anteil von 30 Prozent an den Treibhausgasemissionen in Deutschland." Würden alle Menschen privat fossil-frei heizen und wären fossil-frei mobil, dann liege das Potenzial schon bei einem Minus von rund 60 Prozent, bilanziert Köhler. Doch er schränkt ein: Während man natürlich Einfluss auf die Heizung im Gebäude habe, müsse der Strom für die Wärmepumpe ja auch erzeugt werden. Und da endet meist der eigene Einflussbereich.
Politik: Richtiges Verhalten einfach machen
Wir können also grundsätzlich alle in unserem individuellen Rahmen selbst wirksam werden, aber eben nur innerhalb bestimmter Grenzen, betonen die Fachleute. "Wir können einiges verändern, aber am Ende wird es darauf hinauslaufen, dass wir uns auch organisieren, dass wir auch politische Veränderung einfordern", sagt PIK-Forscher Creutzig und illustriert das Problem mit einem Beispiel: "Viele möchten gerne mehr Fahrradfahren statt Autofahren, aber das bedeutet eben auch, dass das Fahrradfahren sicher sein muss, dass wir also nicht immer Angst haben müssen, umgefahren zu werden und das heißt, wir brauchen eine sichere Infrastruktur."

Und dafür brauche es dann eben die Politik. "Es gibt irgendwann die Systemgrenzen, die einfach da sind, vor allem durch Infrastruktur, durch die Stromnetze, durch Straßen, Schienen, Krankenhäuser", sagt auch UBA-Experte Wehnemann. Deshalb müsse die Politik die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Sie müsse Preisanreize und Förderprogramme für Industrie und Verbraucher so stricken, dass die Entscheidung für die klimafreundliche Alternative die bessere Entscheidung sei. "Damit wir grünen Stahl und grüne Kunststoffe aus der Chemie herstellen und dann auch nutzen."
Forscher Köhler vom Öko-Institut betont außerdem, dass Haushalte, für die es eine größere Herausforderung sei, die klimaschonende Entscheidung zu treffen, stärker dabei unterstützt werden müssten. "Wir müssen die Rahmenbedingungen so gestalten, dass diese Umstiege auf emissionsfreie Techniken in allen Bereichen auch möglich werden." Und da ist wieder die Politik gefragt.
"Die Bedingungen müssen so sein, dass nicht nur die wohlhabenden ökologisch denkenden Menschen sich Wärmepumpen und Elektroautos leisten können, sondern alle, also auch gerade Menschen mit niedrigen Einkommen", erklärt UBA-Experte Wehnemann. "Unsere Studien zeigen, dass sich diese Menschen bisher keine hohen Anfangsinvestitionen leisten können." Die Politik müsse es aber ermöglichen, dass Menschen, die in ihrem Alltag durch Kinderbetreuung oder Pflege ohnehin schon ausgelastet seien, sich nicht noch über CO2-Emissionen und nachhaltigen Konsum Gedanken machen müssten. "Die möchten einfach einkaufen und sich sicher sein, dass, egal, welche Entscheidung sie treffen, das die gute ist."
Aber das heißt ja nicht, dass nicht alle, die es können und wollen, nicht schon jetzt im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Mittel viele kleine Alltagsentscheidungen treffen können, die in der Summe einen großen Unterschied machen können.
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