Das Positionspapier von mehr als 100 SPD-nahen Personen zu einer anderen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und Gesprächen mit Russland sorgt für Wirbel. Reaktionen aus der Partei fallen teils sehr scharf aus.

Führende Mitglieder der SPD-Fraktion im Bundestag distanzieren sich mit deutlicher Kritik vom "Manifest" aus Parteikreisen, das zuvor bekanntworden war. Die Reaktion von Fraktionschef Matthias Miersch fiel noch gelassen aus: "Das ist legitim, auch wenn ich zentrale Grundannahmen ausdrücklich nicht teile", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Diplomatie bleibe zwar oberstes Gebot, sagte Miersch. "Aber wir müssen auch ehrlich sagen: Viele Gesprächsangebote - auch von Bundeskanzler Olaf Scholz - sind ausgeschlagen worden. Wladimir Putin lässt bislang nicht mit sich reden."

Prominente Stimmen in der SPD - wenn auch nicht aus der ersten Reihe - hatten in einem Grundsatzpapier eine Umkehr im deutschen Umgang mit Russland und anderen sicherheitspolitischen Fragen gefordert. In dem mit "Manifest" überschriebenen Dokument, das dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, drängen die Verfasser der "SPD-Friedenskreise" auf Gespräche mit Russland und einen Stopp der Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in Deutschland.

SPD-Fraktionsmitglieder distanzieren sich

Die mehr als 100 Unterzeichnenden, darunter der frühere Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich, der Außenpolitiker Ralf Stegner, Ex-Parteichef Norbert Walter-Borjans, sowie Ex-Bundesfinanzminister Hans Eichel, stellten sich damit gegen den Kurs der Bundesregierung und auch der aktuellen SPD-Führung. Ob alle Unterschriften von SPD-Mitgliedern stammen, wird nicht deutlich.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Sebastian Fiedler, kritisierte den Vorstoß scharf. Das Schreiben habe ihn "irritiert, verstört und verärgert", sagte Fiedler den Sendern RTL und ntv. "Da ist sogar von Zusammenarbeit mit Russland die Rede, also mit einem Kriegsverbrecher, der sich darauf vorbereitet, weitere Angriffsziele in den Blick zu nehmen."

Der außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Adis Ahmetovic, distanzierte sich von dem "inhaltlich in weiten Teilen fragwürdigen Papier", das nicht der Beschlusslage von Fraktion und Partei entspreche. Die SPD müsse auch als Friedenspartei, die sie bleibe, erkennen, "dass es neue Realitäten gibt, die neben Diplomatie auch militärische Stärke bedingen". Unter den Unterzeichnenden seien nur fünf SPD-Fraktionsmitglieder.

Scharfe Kritik von CDU und Grünen

Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth, schrieb auf X: "Dieses 'Manifest' ist kein spannender Debattenbeitrag, sondern eine weinerliche Melange aus Rechthaberei, Geschichtsklitterung und intellektueller Wohlstandsverwahrlosung." Der frühere Abgeordnete Fritz Felgentreu sprach von Protagonisten einer gescheiterten Politik, die "Zauberformeln von 1982" heraufbeschwörten.

Unions-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter schrieb auf X: "Wann wird begriffen, dass Russland nicht verhandeln und keinen Frieden will." Auch die Fraktionschefin der Grünen, Britta Haßelmann äußerte sich: "Wir alle wünschen uns Frieden, und niemand sehnt ihn mehr herbei als die Menschen in der Ukraine. Leider wurden alle Versuche, einen Waffenstillstand zu erreichen oder Friedensgespräche zu führen, von Präsident Putin durchkreuzt und abgelehnt." Das Papier blende ernste Realitäten aus und werde der wahren Bedrohung nicht gerecht.

Beifall kam von der AfD. "Wenn nun selbst prominente SPD-Politiker eine Kurskorrektur fordern, dann ist das ein spätes, aber wichtiges Signal", sagte der außenpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Markus Frohnmaier, der Nachrichtenagentur AFP. Die Initiatoren des SPD-"Manifests" hätten erkannt, dass der "Konfrontationskurs mit Russland in die Sackgasse" führe, sagte Frohnmaier.

Für die SPD kommt die Initiative und die damit einhergehende Unruhe zur Unzeit: Die Genossen treffen sich vom 27. bis 29. Juni zum Parteitag, bei dem auch wichtige Personalentscheidungen anstehen. Wenige Tage vorher finde der NATO-Gipfel statt, bei dem weitreichende Mehrausgaben für Verteidigung- und Sicherheit beschlossen werden sollen. Gegen diese Pläne stellt sich die "Manifest"-Initiative deutlich.

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