Ab Ende Juni: Digitale Barrierefreiheit für Produkte und Dienstleistungen Pflicht
Inhalt des Artikels:
- Markt soll für alle zugänglich sein
- Experte: Unternehmen können neue Kunden gewinnen
- Umstellung für Firmen und Kontrolle durch Behörde
Markt soll für alle zugänglich sein
Ab dem 28. Juni soll es mehr digitale Barrierefreiheit geben. Das gilt für bestimmte Produkte, die nach dem Stichtag in den Verkehr gebracht, und Dienstleistungen, die nach dem Stichtag erbracht werden. Geregelt ist das im Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), das in Folge des European Accessibility Act (EAA) verabschiedet wurde. "Dies umfasst unter anderem den gesamten Online-Handel, Hardware, Software, aber auch überregionalen Personenverkehr oder Bankdienstleistungen", heißt es dazu auf der Webseite des Beauftragten der Bundesregierung für Informationstechnik.
So müssen laut Bundesfachstelle Barrierefreiheit unter anderem folgende Produkte und Dienstleistung dann barrierefrei sein:
- "Computer, Notebooks, Tablets, Smartphones, Mobiltelefone
- Geldautomaten, Fahrausweis- und Check-in-Automaten
- Fernsehgeräte mit Internetzugang
- E-Book-Lesegeräte
- Router
- Telefondienste
- E-Books
- Messenger-Dienste
- auf Mobilgeräten angebotene Dienstleistungen (inklusive Apps) im überregionalen Personenverkehr
- Bankdienstleistungen
- elektronischer Geschäftsverkehr
- Personenbeförderungsdienste (für Stadt-, Vorort- und Regionalverkehrsdienste nur interaktive Selbstbedienungsterminals)"
Ein Beispiel für Barrierefreiheit: Wenn ein Geldautomat auch akustisch durch die einzelnen Schritte führt, kann das Menschen mit einer Sehbehinderung beim Geldabheben helfen, wie Deutschlandfunk Kultur berichtet.
"Das Gesetz verfolgt das Ziel, den Markt allen Menschen zugänglich zu machen. Wir sprechen also von Verbraucherinnen und Verbrauchern, die bisher weitestgehend vom Markt ausgeschlossen waren", erklärt Sven Niklas, Referent für digitale Barrierefreiheit von der Bundesfachstelle Barrierefreiheit, auf MDR-Anfrage. Das solle nicht nur jetzt gelten, sondern auch zukünftig mit sich weiter entwickelnden technischen Standards. "Für die Zukunft gilt, dass die Barrierefreiheit bei den genannten Produkten und Dienstleistungen immer Bestandteil der Entwicklung sein wird", so der Experte.
Das Gesetz verfolgt das Ziel, den Markt allen Menschen zugänglich zu machen.
Angebote von öffentlichen Einrichtungen sollen bereits seit Längerem barrierefrei sein. "Die öffentlichen Stellen mussten deutlich früher ihre Abgebote barrierefrei gestalten, weil es bereits andere gesetzliche Grundlagen gab", sagt Sven Niklas von der Bundesfachstelle Barrierefreiheit. Dabei gehe Deutschland sogar noch über die technischen Vorgaben hinaus. "Indem auf den Websites Texte in Deutscher Gebärdensprache verlangt und Texte in Leichter Sprache ebenfalls veröffentlicht werden müssen. Diese Bereiche haben der EAA beziehungsweise das BFSG leider nicht mit berücksichtigt", erläutert er.
Experte: Unternehmen können neue Kunden gewinnen
Für Unternehmen bedeutet das Gesetz zunächst einen gewissen Aufwand, denn sie müssen ihre Produkte und Dienstleistungen anpassen, wie Dirk Binding, Bereichsleiter für Digitale Wirtschaft, Infrastruktur und Regionalpolitik bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) erklärt. Es bringe aber auch den Zugang zu einer wachsenden Kundengruppe. Dazu zählten Menschen mit Behinderung, älteren Menschen oder Personen mit eingeschränkten digitalen Kompetenzen. "Ähnlich wie Barrierefreiheit in der realen Welt bringt sie häufig allen Nutzern und Nutzerinnen und damit Kunden und Kundinnen mehr Komfort", sagt Dirk Binding.
Ähnlich wie Barrierefreiheit in der realen Welt bringt sie häufig allen Nutzern und Nutzerinnen und damit Kunden und Kundinnen mehr Komfort.
Es müsse dabei auch über den direkten Nutzerkreis hinausgedacht werden, sagt der Experte und führt als Beispiel einen Onlineshop für Bücher an: "Ein sehbehinderter Mensch wird vielleicht selbst keine gedruckten Bücher lesen, möchte aber welche für seine Kinder oder Enkel kaufen. Ein barrierefreier Online-Shop stärkt nicht nur die Teilhabe, sondern berücksichtigt auch, dass Menschen mit Einschränkungen häufig für andere einkaufen und konsumieren."
Umstellung für Firmen und Kontrolle durch Behörde
Wie hoch der Aufwand für die Unternehmen ist, sei stark vom jeweiligen Produkt, der Branche und dem Digitalisierungsgrad des Unternehmens abhängig. "Insbesondere bei der Anpassung von Selbstbedienungsterminals, der Bereitstellung barrierefreier Gebrauchsanleitungen oder der Einrichtung sensorisch vielfältiger Informationskanäle kann erheblicher technischer und personeller Aufwand entstehen", erläutert Dirk Binding von der DIHK. Dabei seien häufig mehrere Bereiche eingebunden, neben der IT auch der Einkauf, die Produktion und externe Dienstleister. Lizenzkosten, Schulungsaufwand und Softwareanpassungen könnten zusätzliche Ressourcen binden. "Für viele Unternehmen – vor allem kleine und mittlere – stellt dies eine spürbare Herausforderung dar", so der Wirtschaftsexperte. Hinzu käme Unsicherheit bezüglich der Auslegung gesetzlicher Anforderungen. "Beispielsweise zeigen die Rückmeldungen der Unternehmen, dass die Ausnahmeregelung für Kleinstunternehmen häufig unklar ist", sagt der Experte.
Strafen möglich, wenn Barrierefreiheit nicht umgesetzt wird
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) erklärt auf MDR-Anfrage, dass es auch Kontrollen über die Umsetzung des BFSG geben wird. Sie sollen durch eine Marktüberwachungsbehörde der Länder mit Sitz in Sachsen-Anhalt durchgeführt werden. Wenn die Anforderungen des Gesetzes nicht erfüllt werden, können Strafen folgen, wie ein Sprecher des BMAS erläutert: "So kann die Behörde zum Beispiel bei nicht-konformen Produkten Maßnahmen treffen, um die Bereitstellung des Produktes auf dem Markt einzuschränken. Sie kann als schärfste Maßnahme auch die Bereitstellung auf dem Markt untersagen oder dafür sorgen, dass das Produkt zurückgenommen wird." Er weist darauf hin, dass die Behörde das Unternehmen anhören und eine angemessene Frist zur Stellungnahme sowie zur Anpassung des Produkts setzen muss.
Ähnlich verhalte sich das bei Dienstleistungen. "Als schärfste Maßnahme kann die Behörde hier anordnen, das Angebot oder die Erbringung der Dienstleistung einzustellen. Sobald der Dienstleistungserbringer nachweist, dass er seine Dienstleistung an die Barrierefreiheitsanforderungen angepasst hat, muss die Behörde diese Anordnung wieder aufheben", so das BMAS. Auch eine Geldbuße sei möglich.
MDR (jvo)
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