Abschaffung von Feiertagen: Studie sieht keinen Wachstumseffekt für Wirtschaft
Könnte die Abschaffung von Feiertagen die Wirtschaft ankurbeln? Eine spannende Frage in Zeiten, in denen Politiker mehr Arbeit einfordern. Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung hat dies in einer Studie untersucht. Die Forscher fanden dabei "keine Belege dafür, dass die Abschaffung von Feiertagen die Wirtschaftsleistung erhöht", wie das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung mitteilte.
Für die Studie haben die Experten sechs konkrete Fälle untersucht, in denen in Deutschland oder in einzelnen Bundesländern in den vergangenen 30 Jahren arbeitsfreie Feiertage gestrichen oder neu eingeführt wurden.
Unterschiedliche Auswirkungen von Buß- und Bettag und Weltkindertag in Sachsen und Thüringen
Als erstes Beispiel zogen die Wissenschaftler die Abschaffung des Buß- und Bettages in allen Ländern außer Sachsen 1995 heran. Entgegen der Vermutung, dass ein Feiertag mehr weniger Wirtschaftsleistung bedeuten würden, stieg das Bruttoinlandsprodukt in Sachsen vergleichsweise stark. Im Bundesschnitt wuchs die Wirtschaftsleistung vor 30 Jahren um 3,4 Prozent, im ostdeutschen Freistaat zwischen Neiße und Elster dagegen um 9,7 Prozent. Das BIP in Sachsen sei damit auch stärker als in den angrenzenden Bundesländern Sachsen-Anhalt (6,0) und Thüringen (5,4) gewachsen – obwohl diese den Feiertag gestrichen hatten.
2019 machte Thüringen den Weltkindertag am 20. September zum Feiertag, ähnlich wie Berlin den Internationale Frauentag am 08. März. Beide Termine fielen in diesem Jahr auf einen Freitag. Während im Freistaat das Wirtschaftswachstum mit 2,6 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt von 3,0 Prozent lag, übertraf es in Berlin mit 5,0 Prozent den deutschen Schnitt und auch die Veränderung in den anderen beiden Stadtstaaten und im umliegenden Brandenburg im Vergleichszeitraum.
IMK: Gleichung "Weniger Feiertage = mehr Wachstum" zu simpel
Auch die genauere Betrachtung des bundesweiten Feiertags am Reformationstag 2017 und dessen teilweise Aufhebung im Jahr darauf zeigte keine eindeutigen, schlüssigen Ergebnisse, ebenso wie die Einführung des Frauentags als Feiertag in Mecklenburg-Vorpommern 2023.
Die Forderung nach einem solchen Schritt zur Wachstumsförderung ist deshalb nicht zielführend.
"In gut der Hälfte der Fälle entwickelte sich die Wirtschaft sogar danach in jenen Bundesländern besser, in denen arbeitsfreie Feiertage beibehalten wurden oder neu hinzukamen", fasst das IMK zusammen. "Die Gleichung: Wenn Feiertage wegfallen, steigt das Wachstum, geht offensichtlich nicht auf. Denn sie ist zu simpel und wird einer modernen Arbeitsgesellschaft nicht gerecht", teilt Instituts-Direktor Sebastian Dullien mit.
Dullien und seine Kollegen zweifeln folglich an der kürzlich vom arbeitnehmernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) aufgestellten Rechnung, dass ein gestrichener Feiertag das Bruttoinlandsprodukt um 5 bis 8,6 Milliarden Euro oder etwa 0,2 Prozent steigern würde. Eine empirische Evidenz sei in Anbetracht der konkreten Fälle nicht gegeben, die Forderung nach einer Streichung nicht zielführend.
Rolle von Produktivität und Nachfrage
Die gesamtwirtschaftliche Produktion gehe nicht nur auf die Zahl der Arbeitsstunden zurück – auch Produktivität und Innovation spielten eine wichtige Rolle, so das IMK. "Denkbar ist, dass die Beobachtung fehlender positiver Wachstumseffekte einer geringeren Zahl an Feiertagen darauf zurückgeht, dass die geringere Erholungszeit die Produktivität senkt", schreiben die Autoren.
Die Autoren weisen dazu darauf hin, dass – auch in Zeiten des vielerorts beklagten Fachkräftemangels – die Nachfragesituation der Unternehmen der bestimmende und begrenzende Faktor für die Produktion sei. So hätten in den jüngsten Umfragen des Ifo-Instituts 36,8 Prozent der Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes angegeben, mangelnde Aufträge seien ein Hindernis für die Produktion, während nur 17,5 Prozent sagten, Personalmangel behindere diese.
Link zur Studie
Der IMK-Kommentar "Abschaffung von Feiertagen als 'Wachstumsbooster' – Idee ohne robustes empirisches Fundament" findet sich auf der Website des Instituts.
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