Ein Hingucker und grandioses Fotomotiv: Da glitzern zwischen den Bäumen am Schloss Georgium in Dessau zwei riesige silberne Säulen, die wie in einer wirbelnden Bewegung nach oben streben und auf denen sich je nach Perspektive schemenhaft Gesichter abzeichnen – eines der spektakulärsten Objekte des Künstlers Tony Cragg, allein durch die Spiegelungen und Reflexionen. Seine Skulpturen der vergangenen 30 Jahre sind nun an und in der Anhaltischen Gemäldegalerie in Dessau zu sehen.

Mit fast sieben Metern sei es das größte Objekt, erklärte der Direktor der Anhaltischen Gemäldegalerie, Ruben Rebmann, MDR KULTUR. Es sei ein Teil von Tony Craggs "Points of View"-Werkgruppe. "Points of View" als Titel steht auch für die gesamte Schau. Übersetzt heißt es so viel wie "Standpunkte".

Diese Tony-Cragg-Skulptur stammt aus der Werkreihe "Points of View", die auch titelgebend für die Ausstellung in Dessau ist. Zu sehen ist sie bis zum 5. Oktober 2025 im Georgium.Bildrechte: MDR/Sandra Meyer

Dessauer Ausstellung spielt mit Perspektiven und Räumen

Rebmann sagte, Standpunkte bedeute in der neuen Ausstellung in Dessau auch die Betrachtung der Skulpturen in verschiedenen Kontexten. So werden die Arbeiten nicht nur im Park gezeigt, wo man die Affinität des Bildhauers zur Natur assoziiert, sondern auch im eher neutralen Raum der Orangerie oder im historischen Ambiente des Schlosses Georgium.

Eine abstrakte Skulptur aus Holz von Tony Cragg im Georgium Dessau.Bildrechte: MDR/Sandra Meyer

Eine moderne Bronzeskulptur von Tony Cragg steht im interessanten Kontrast mit dem runden Gartensaal des Schlosses, der aus dem 18. Jahrhundert stammt, wie Rebmann erklärt. Verziert ist der Raum mit Stuck, in den Nischen stehen antike Marmorbüsten, die in die Mitte des Raumes blicken, wo nun Tony Craggs Kunst präsentiert wird. Im historischen Wandspiegel wiederum werde die Skulptur auch noch einmal gespiegelt und so verfielfältigt, so der Direktor. So kann man auf eindringliche Weise erkennen, wie sich die Wirkung einer Skulptur im jeweiligen Umfeld verändert: Die Wahrnehmung der Betrachtenden wird gebrochen oder auch stimuliert.

Kunstwerk aus Hunderten Selbstporträts

"Wir lernen ihn hier kennen als Bildhauer, der mit Holz arbeitet, der mit Stahl arbeitet, mit Bronze, mit Kunstharz", so Rebmann über Tony Cragg. So wird in der Ausstellung die Vielfalt seines Werkes vermittelt. "Darüber hinaus zeigt sich, was für ihn sehr typisch ist: dass er sich weder als realistisch, also figurativer Bildhauer, noch als abstrakter Bildhauer betrachtet, sondern dass er in seinen Werken eigentlich diesen Gegensatz aufhebt."

Tony Cragg wurde 1947 geboren. In Sachsen-Anhalt hat er bereits seine künstlerischen Spuren hinterlassen: u.a. hat er zwei Dorfkirchen in Großbadegast und Garitz mit Buntglasfenstern gestaltet, in Garitz auch den Altar.Bildrechte: IMAGO / Metodi Popow

So sieht man die abstrakten Skulpturen, die mal geologisch anmutenden Formationen oder Zellstrukturen ähneln oder die realistisch anmuten wie die Bronzeskulptur "We", also "Wir", aus Hunderten von Selbstporträts. Dafür hat der heute 76-jährige Künstler einen Gipsabdruck seines Kopfes verhundertfacht und zu einer mannshohen neuen Form zusammengeschoben. Da sieht man die Vielzahl der Gesichter, Nasen, Ohren. Blickt man auf die Hinterköpfe, sieht es aus wie ein Pinienzapfen.

Tony Cragg fragt, was Menschen einzigartig macht

Absurd und abgründig wirkt auch die Bronzeskulptur "Manipulations", die Cragg 2017 geschaffen hat: Aus zwei riesigen Händen, auch hier die des Künstlers, wachsen und verästeln sich immer neue kleine ausgestreckte Hände. Das sieht am Ende aus wie ein Baum.

Der Bildhauer Tony Cragg spielt beim Erschaffen seiner Skulpturen mit menschlichen Formen wie Köpfen und Händen.Bildrechte: MDR/Sandra Meyer

All diese Beispiele zeigen Tony Craggs Interesse an menschlichen Formprinzipien. Direktor Ruben Rebmann interpretiert das auch als Kommentar des Künstlers: "Wie einzigartig bin ich? Wie weit sind andere Menschen genauso wie ich? Also welchen Anspruch habe ich auch auf Individualität?" Dieser Aspekt sei für Craggs Werk typisch. Zugleich sei Craggs Kunst sehr zugänglich.

Zugänglich ist auch die Ausstellung in Dessau gestaltet: Die großen Skulpturen im Park sind umsonst und draußen zu sehen – und animieren dann vielleicht dazu, die ganze Schau zu besuchen.

Mehr Informationen zur Ausstellung:

"Tony Cragg. Points of View"
21. Juni bis 5. Oktober 2025

Adresse:
Schloss Georgium / Anhaltische Gemäldegalerie Dessau
Puschkinallee 100, 06846 Dessau-Roßlau

Öffnungszeiten:
Mittwoch bis Montag, 10 bis 18 Uhr
Dienstag, geschlossen
Der Park ist ganzjährig geöffnet.

Eintritt:
Erwachsene: 8,50 Euro
Ermäßigt: 5,50 Euro

redaktionelle Bearbeitung: sg

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