• Der Fonds für die Opfer sexuellen Missbrauchs ist leer, es werden keine Anträge mehr bearbeitet.
  • Auch für Missbrauchsfälle unter dem Dach von Institutionen ist der Fonds zuständig – deshalb ist die Bearbeitung der Anträge elementar.
  • Die staatliche Stelle soll erhalten bleiben. Doch eine Lösung gestaltet sich schwierig.

"Fonds-missbrauch.de" ist eine Internetseite, die zum Bundesamt für Familie gehört. Auf der Startseite steht, dass hier Menschen, die als Minderjährige sexuell missbraucht wurden, Hilfe bekommen, wenn – Zitat – "andere Leistungsträger nicht (mehr) helfen."

Das war einmal. Dieser Hinweis versteckt sich unter dem Reiter "Aktuelles". Dort heißt es, dass keine neuen Anträge gestellt werden können und auch alle Anträge, die seit Mitte März eingegangen sind, nicht mehr bearbeitet werden. Der Fonds ist leer. Es seien mehr Anträge eingegangen als erwartet, heißt es zur Begründung.

Kinderschutzbund: Aussetzung der Bearbeitung "Schlag ins Gesicht"

Carsten Nöthling, Geschäftsführer Deutscher Kinderschutzbunds Thüringen findet das beschämend: "Es ging insbesondere um Unterstützung – beispielsweise in Form von therapeutischen Leistungen, medizinische Leistungen, Hilfsmittel – die vielleicht im Leben da notwendig wären, weil Übergriffe, gewalttätige Übergriffe, sexuelle Übergriffe immer ganz stark mit der Psyche einhergehen. Und das ist einfach ein Schlag ins Gesicht der Opfer."

Auch Kerstin Claus, die unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung, ärgert sich. Dass kein Geld mehr da ist, rechtfertigt aus ihrer Sicht nicht, gar keine neuen Anträge mehr zu bearbeiten.

Fonds formell auch für Missbrauchsfälle in anderen Institutionen zuständig

Denn der Fonds umfasst zwei Finanzierungsarten. Ist der Missbrauch in der Familie vorgefallen, zahlt der Bund. Die Mittel dafür sind nun also erschöpft. Ist die Tat aber unter dem Dach etwa der Kirche oder des Deutschen Olympischen Sportbundes, beziehungsweise einem der 16 deutschen Landessportbünde, passiert, muss die Hilfe von der jeweiligen Institution finanziert werden. Den Antrag leitete die Fondsverwaltung in diesen Fällen nur weiter.

"Das heißt, hier wurde einfach etwas übersehen an der Stelle. Nämlich, dass es nicht nur um die Bundesmittel geht, sondern auch um die Institutionen, die sich beteiligen", erklärt Kerstin Claus.

Staatliche Stelle für Missbrauchsfälle essenziell

In der Regel könnten sich die Betroffenen auch direkt an die Institutionen wenden, aber: "Der Punkt ist aber gerade der, dass viele Betroffene extrem froh sind, dass sie nicht in Kontakt treten müssen – persönlich mit der Institution – sondern, dass sie hier eine staatliche Stelle haben, über die sie Leistungen beantragen können."

Was ist das "Ergänzende Hilfesystem" für Missbrauchsopfer?

Das Ergänzende Hilfesystem (EHS) wurde 2013 infolge des Runden Tisches Sexueller Kindesmissbrauch eingerichtet. Daraus können Betroffene von sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend Leistungen bis zu einer Höhe von 10.000 Euro (bei behinderungsbedingtem Mehrbedarf bis 15.000 Euro) über Zeitraum von drei Jahren erhalten – unter anderem für Therapien, medizinische Leistungen, Beratung oder sonstige individuelle Hilfen. Ziel ist die Linderung des Leids Betroffener sexuellen Missbrauchs in Kindheit und Jugend durch geeignete subsidiäre Hilfeleistungen in einem unbürokratischen System. Von 2013 bis zum 24.06.2025 haben 35.578 Betroffene einen Antrag gestellt und es wurden rund 165,2 Mio. Euro ausgezahlt.

Der Bundesrechnungshof hat geprüft und festgestellt, dass die Praxis der Bewilligung und Auszahlung der Leistungen nicht haushaltsrechtskonform sei. Infolgedessen wurde das Bundesfamilienministerium vom Rechnungsprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages und vom Bundesministerium der Finanzen aufgefordert, die Verfahren ab 01.01. 2025 im Rahmen einer neuen Billigkeitsrichtlinie anzupassen. In der Richtlinie wurde auch die Abwicklung des EHS beschlossen. Bewilligungen von bereits eingereichten Erstanträgen sind nur noch bis zum 31.12.2025 möglich, Auszahlungen bis Ende 2028.

Mit Beschluss des Regierungsentwurfs für das Haushaltsgesetz 2025 und die Eckwerte für den Haushalt 2026 am 24.06.2025 musste ein Antragsstopp verkündet werden. Der Grund sind mehr eingegangene Anträge als erwartet. Ab 19.03.2025 eingegangene Anträge können nicht mehr bewilligt werden, da die vorgesehenen Haushaltsmittel zur Umsetzung der Richtlinie nicht ausreichen.

Quelle: BMFSFJ

Akut keine Lösung vorhanden

Dass der Fonds bald ein Ende hat, war indes länger klar. Der Bundesrechnungshof hatte die Praxis als "nicht haushaltsrechtskonform" eingestuft. Kerstin Claus ist aber davon ausgegangen, dass bis Ende August noch neue Anträge gestellt werden können. Dass das Geld bis dahin nicht reicht und auch keine Anschlusslösung da ist, findet sie enttäuschend.

Koalitionsvertrag: Schnelle Lösung des Problems beabsichtigt

Wer die Schuld trägt, sei nicht eindeutig zu sagen: "Das sind Gelder, die hätten auch in den vorläufigen Haushalt 2025 schon von der alten Regierung einverhandelt werden können. Und im Zuge der jetzigen Haushaltsverhandlungen ist es der Familienministerin augenscheinlich nicht gelungen, dass von ihrer Seite diese Lücke geschlossen wird."

Die unabhängige Beauftragte erwartet nun, dass schnell eine neue – rechtskonforme – Lösung kommt, so wie es im Koalitionsvertrag verabredet worden sei. Sie ist vorsichtig optimistisch. Bundesfamilienministerin Karin Prien sei sehr bemüht und auch die Abgeordneten hätten ihrem Eindruck nach fraktionsübergreifend ein hohes Interesse, das System zu erhalten. Das sei man den Opfern schuldig, die der Staat nicht angemessen geschützt habe.

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