Ewigkeitschemikalie TFA in Wein nachgewiesen: Was bedeutet das für die Gesundheit?
Inhalt des Artikels:
- TFA-Gehalt in Wein laut Studie in den letzten 15 Jahren verzehnfacht
- TFA 2025 in Deutschland als möglicherweise gesundheitsgefährdend eingestuft
- Einmal in der Umwelt bleibt die Chemikalie ewig erhalten
- BfR sieht keine Gesundheitsgefahr durch TFA in Wein
- Verbot von PFAS und TFA in der EU von europäischen Ländern beantragt
TFA-Gehalt in Wein laut Studie in den letzten 15 Jahren verzehnfacht
Michael Müller hat eine Professur an der Universität Freiburg am Institut für Pharmazeutische und Medizinische Wissenschaften. Für eins seiner Forschungsprojekte sammelt er Weine, die in den letzten 100 Jahren abgefüllt wurden und untersucht sie auf die Chemikalie Trifluoracetat (TFA). "Die ganz alten Weine sind frei von TFA", erklärt er dem ARD-Magazin Plusminus. Ab Anfang der 2000er-Jahre sei die Chemikalie langsam aber zunehmend nachweisbar.
"Ab 2005, 2010 geht das richtig hoch. Die neuen Weine haben TFA-Gehalte, die uns so dermaßen überrascht haben. Die sind so extrem hoch, wie wir das nicht erwartet haben", so der Wissenschaftler. Der Chemiker fand in neuen Weinen sogar Konzentrationen bis zu 300 Mikrogramm pro Liter. Damit hätte sich der TFA-Gehalt allein in den letzten 15 Jahren verzehnfacht. "Der Anstieg ist exorbitant hoch und wir werden irgendwann toxikologische Probleme bekommen. Das steht fest. Die Frage ist: wann und welche?", erklärt Müller. Und auch Bio-Weine seien belastet, weil TFA im Regenwasser vorkommt. "Wir können nicht mehr kontaminationsfrei produzieren", betont der Wissenschaftler.
TFA 2025 in Deutschland als möglicherweise gesundheitsgefährdend eingestuft
TFA gehört zur chemischen Gruppe der polyfluorierten Alkylsubstanzen, kurz PFAS genannt. Das sind Chemikalien, die vielerorts im Alltag zu finden sind: in der Beschichtung von Bratpfannen, in Textilien wie Regenjacken, Fastfood-Verpackungen aber auch in Medikamenten, in Pestiziden von Pflanzenschutzmitteln und in Kühlmitteln von Klimaanlagen. So gibt es auch eine Vielzahl von Wegen, wie es in den Umweltkreislauf gelangt und über den Niederschlag immer wieder dort gehalten wird.
Seit diesem Jahr wird TFA von Umweltbundesamt und Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in der Gefahrenklasse "Reproduktionstoxisch, Kategorie 1B" geführt. Es gilt damit als potentiell toxisch und fortpflanzungsgefährdend. "Kann das Kind im Mutterleib schädigen. Kann vermutlich die Fruchtbarkeit beeinträchtigen", heißt es unter anderem in der Bewertung. Eine Gesundheitsgefährdung sei derzeit aber nicht gegeben. "Der toxikologische Effekt wurde im Tiermodell erst bei TFA-Konzentrationen nachgewiesen, die deutlich oberhalb der Gehalte in der Umwelt liegen", heißt es in einer auf der Homepage des Umweltbundesamtes veröffentlichten Meldung zur aktuellen Datenlage und Neubewertung der Chemikalie.
Der toxikologische Effekt wurde im Tiermodell erst bei TFA-Konzentrationen nachgewiesen, die deutlich oberhalb der Gehalte in der Umwelt liegen.
Einmal in der Umwelt bleibt die Chemikalie ewig erhalten
Problematisch: TFA zerfällt nicht oder wird anderweitig abgebaut. Deswegen nennt man die Chemikalie, wie auch alle anderen PFAS, Ewigkeitschemikalie. "Als extrem stabile Verbindung findet sich TFA nicht nur in der Umwelt, sondern gelangt auch über die Nahrung und das Trinkwasser in den menschlichen Körper", erklärt das Institut für Pharmazeutische und Medizinische Wissenschaften an der Universität Freiburg auf seiner Homepage. "Jedes Kilogramm an TFA, was wir in die Umwelt bringen, trägt dazu bei, dass der Gehalt immer höher wird", sagt Müller, der die Wein-Studie leitet. Auch sei noch keine Möglichkeit bekannt, die Chemikalie "effizient aus unserem Wasserkreislauf zu entfernen". Und da verbreitet sich TFA als besonders kleiner Vertreter der PFAS, der sehr gut wasserlöslich ist, immer weiter.
Kein gesetzlicher Grenzwert für TFA in Trinkwasser, aber ein Leitwert
Für TFA im Trinkwasser gibt es keinen gesetzlichen Grenzwert. Aber immerhin gibt es einen Leitwert von 60 Mikrogramm TFA pro Liter, der nicht überschritten werden soll. Liegen die Werte darunter, müssen die Behörden nicht aktiv werden. Für den Leitwert ist das Umweltbundesamt verantwortlich. 2017 wurde dafür ein Wert von 1 Mikrogramm pro Liter festgesetzt. Seit 2020 liegt er bei 60.
Das Umweltbundesamt sieht hier keine Gesundheitsgefahr. Es sei die "toxikologisch tolerierbare Konzentration für das Trinkwasser, bei der den vorliegenden Erkenntnissen zufolge davon ausgegangen werden kann, dass der lebenslange Konsum nicht zu gesundheitlichen Schäden führt", erklärte es in einem Informationsblatt zur Einführung des neuen Wertes 2020. Es empfiehlt jedoch auch allen Wasserversorgern, eine Konzentration von 10 Mikrogramm pro Liter nicht zu überschreiten."Um den verschiedenen Zielen und Anforderungen an die Wasserqualität und den Gewässerschutz gerecht zu werden, ist eine Unterschreitung von 10 Mikrogramm pro Liter in Oberflächengewässern und dem Grundwasser anzustreben. Um dies zu realisieren, müssen bereits bei Funden unterhalb dieser Schwelle Maßnahmen ausgelöst werden", heißt es daher auch im Informationsblatt.
Übrigens: In anderen Ländern gilt ein viel geringerer Leitwert: 10 beträgt er in der Schweiz und 2,2 in den Niederlanden. "Wir müssen auch schauen, ob der Leitwert von 60 Mikrogramm pro Liter auch weiterhin haltbar ist mit den neuen Forschungsentwicklungen oder ob der eher dem niederländischen angepasst werden muss", so Janna Kuhlmann vom BUND Bundesverband gegenüber dem ARD-Magazin Plusminus.
Die TFA-Konzentration im Wein ist von Natur aus höher als in Wasser, denn sie wird durch den Prozess in der Pflanze selber noch erhöht. "Somit kann man nur darauf hinarbeiten, dass wir den Gehalt im Wasser möglichst niedrig halten, weil die Pflanzen, wie unsere Arbeiten zeigen, das ja verstärken, akkumulieren", so Müller.
BfR sieht keine Gesundheitsgefahr durch TFA in Wein
"Wenn wir das von den empfohlenen Werten, die wir für Wasser kennen, ableiten, bedeutet das, dass wir mit einem Glas Wein diese Werte für den Tag eigentlich schon übertreffen", sagt Müller dem ARD-Magazin Plusminus. Nach derzeitigem Kenntnisstand sieht das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hier aber keine Gefahr für die Gesundheit. "Ein Mensch mit einem Körpergewicht von 60 Kilogramm müsste ausgehend vom höchsten gemessenen Wert mindestens neun Liter Wein am Tag trinken, um die gesundheitsbasierten Richtwerte von 0,05 Mikrogramm pro Körpergewicht zu überschreiten", erklärt es auf seiner Homepage. Der Einschätzung des BfR zugrunde liege ein angenommener TFA-Wert von 0,32 Mikrogramm pro Liter.
Verbot von PFAS und TFA in der EU von europäischen Ländern beantragt
Bei der Europäischen Chemikalienbehörde ECHA liegt seit Januar 2023 ein Antrag von mehreren EU-Ländern vor, PFAS in der EU zu verbieten. Auch Deutschland gehört zu den Unterzeichnern. Da TFA ein Vertreter der PFAS ist, wäre es mit eingeschlossen. Unternehmen aus der Industrie haben sich seither mit vielen Kommentaren bei der Behörde zu Wort gemeldet, um das zu verhindern. Das Verfahren zieht sich deswegen. "Teilweise haben die Hersteller sich darauf eingelassen, möglichst viele Anträge an die EU zu stellen, die abgearbeitet werden müssen, um das Verfahren zu verzögern. Das erachte ich als unverantwortlich", erklärt Müller dem ARD-Magazin Plusminus.
Die aktuelle Bundesregierung scheint hier derzeit keinen Handlungsbedarf zu sehen. Im Koalitionsvertrag wird ein Totalverbot von Stoffgruppen abgelehnt. Vom zuständigen Bundesgesundheitsministerium heißt es dazu: "Generell sollten die Einträge von (sehr) persistenten und (sehr) mobilen Stoffen in die Umwelt gesenkt werden." Doch das wird nicht reichen, um die weitere Belastung unserer Lebensgrundlagen mit einer Ewigkeitschemikalie spürbar einzudämmen.
MDR (cbr)
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