MDR AKTUELL: Flugzeuge stoßen in der Luft ja kleine Rußpartikel aus, die sich dann mit Wassertropfen verbinden und zu Eiskristallen gefrieren – das ist, was wir dann als weiße Streifen am Himmel sehen. Wann ist der Wissenschaft der Gedanke gekommen, dass sich diese Streifen irgendwie aufs Klima auswirken könnten?

Christiane Voigt: Ich bin ja Wolkenforscherin und als Wolkenforscher untersuchen wir den Einfluss von natürlichen Wolken auf das Klima. Dabei haben wir festgestellt, dass natürliche Eiswolken, die sich in zehn bis zwölf Kilometer Höhe bilden, zur Erwärmung der Atmosphäre beitragen. Da war natürlich der Gedanke logisch, dass auch Flugzeuge, die in denselben Höhen Partikel emittieren und zu zusätzlichen Eiswolken führen, ebenfalls zu einer Erwärmung beitragen könnten.

Sie sind zum Teil hinter Flugzeugen hergeflogen, um Daten zu sammeln. Was wollten Sie da genau wissen?

Wir wollten wissen, wie groß diese Erwärmung durch Kondensstreifen ist. Denn diese Eiskristalle in den Kondensstreifen halten die terrestrische Wärmestrahlung zurück – das wirkt erwärmend. Aber gleichzeitig reflektieren Kondensstreifen die solare Strahlung, es kommt weniger Sonnenstrahlung am Boden an und das wiederum wirkt kühlend. Deshalb wollten wir wissen, wie stark ihre Klimawirkung genau ist.

Wir reden hier von langlebigen Kondensstreifen, aber wann gilt ein Kondensstreifen denn als langlebig und damit als "problematisch"?

Bereits Kondensstreifen, die wenige Stunden alt sind, gelten als langlebig. Es gibt auch Kondensstreifen, die bis zu zehn Stunden leben können. Und so lange, wie sie leben, solange können sie auch Energie in die Atmosphäre einbringen oder die Energie in der Atmosphäre gefangen halten.

Flugzeuge produzieren ja nicht nur diese dünnen Eiswolken. Welchen Anteil an der Umweltschädlichkeit des Flugverkehrs kann man denn auf diesen Effekt zurückführen?

Der Luftverkehr trägt mit 3,5 Prozent zur globalen Erwärmung bei und etwa die Hälfte davon kommt durch CO2-Emissionen im Luftverkehr. Die andere Hälfte kommt durch die Nicht-CO2-Effekte und ein großer Teil davon sind die Kondensstreifen.

Sie empfehlen ja, die Flughöhe der Flugzeuge etwas anzupassen, um diese langlebigen Kondensstreifen zu minimieren. Ließe sich das weltweit umsetzen?

Meistens ist der Himmel blau, dann gibt es keine Wolken, nur in bestimmten Wettersystemen entstehen diese Kondensstreifen – eben genau dann, wenn es sehr kalt und sehr feucht ist. Das heißt, man müsste nur auf weniger als fünf Prozent der Flüge die Höhen kurzzeitig ändern, um zu vermeiden, dass diese Kondensstreifen entstehen – das heißt, über einen Bereich von vielleicht 1.000 Kilometern, einen Kilometer höher oder tiefer fliegen. Also ja, es wäre eine Option, mit der man im Idealfall die Klimaeffekte des Luftverkehrs zeitnah halbieren könnte.

Wie kompliziert ist das in der Umsetzung?

Man braucht dazu natürlich sehr gute Wetterdaten in diesen großen Höhen, die sind nicht so gut, wie wir sie gerne hätten. Wir brauchen auch sehr gute Kondensstreifenmodelle, die dann die Bildung und auch die Langlebigkeit dieser Kondensstreifen und die Klimaeffekte vorhersagen.

Und dann muss das natürlich auch im normalen Flugbetrieb umgesetzt werden. Dazu brauchen wir die Mitarbeit der Airlines und auch der Flugsicherungen, um diese Höhenanpassungen insbesondere in der Nacht durchführen zu können, denn nachts wärmen die Kondensstreifen immer. Am Tag können sie eben auch kühlen, wie ich anfangs gesagt habe, weil sie die solare Strahlung reflektieren.

Hätte denn diese Verschiebung der Flughöhe nur positive Effekte oder bringt das möglicherweise auf der anderen Seite andere Probleme mit sich?

Aktuell fliegen die Flugzeuge in den Höhen, in denen sie fliegen, sehr effizient. Das heißt, wenn man tiefer fliegen müsste, um die Bildung von Kondensstreifen zu vermeiden, würde ein bisschen mehr CO2 emittiert werden. Das muss natürlich berücksichtigt werden.

MDR(ewi)

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